Mitarbeiterentsendung und Fallen für HR

Bei der Mitarbeiterentsendung ins Ausland können Unternehmen in so manche Falle tappen. Unsere Expertin für Global Management zeigt, in welche.

Ob wir wollen oder nicht: Die Wirtschaft im 21. Jahrhundert ist global. Fast jedes Unternehmen, ob Konzern oder Mittelstand, ist heutzutage international ausgerichtet. Dadurch entscheiden sich Firmen auch immer häufiger, Mitarbeiter ins Ausland zu entsenden. Gleichzeitig entwickeln sie ein höheres Kostenbewusstsein und setzen ihre Auslandsaufenthalte immer kürzer an. Damit steigen auch die Anforderungen an die HR-Bereiche.

Trotz aller Euphorie im Prozess der Globalisierung liegt die Rate des Scheiterns laut den Ergebnissen eines Forschungsprojekts der Leuphana Universität in Lüneburg heute bei rund 80 Prozent. Das liegt unter anderem an kulturellen Unterschieden, die sich im unterschiedlichen Umgang mit Zeit, Konfliktlösungen, Kommunikation oder Projekt- und Prozessplanungen manifestieren. Selbst Spitzenunternehmen können sich im Ausland eine blutige Nase holen, wie die Wiederauflösung des Zusammenschlusses von Daimler und Chrysler belegt. Die Dynamik internationaler Kooperationen überfordert bisweilen selbst erfahrene Top-Manager und HR-Verantwortliche.

Neue Herausforderungen für internationale HR-Organisationen

Die Globalisierung bringt neue und komplexe Aufgaben für das Personalmanagement: HR muss Mitarbeiter für den internationalen Einsatz rekrutieren und entwickeln, evaluieren und vergüten sowie Entsendung und Integration nebst Rückführung und Bindung an das Unternehmen organisieren. Das Talentemanagement und die Strategien zur Rekrutierung sollten so ausgerichtet sein, dass die Verfügbarkeit und Mobilität international einsetzbarer Fach- und Führungskräfte in ausreichender Qualifikation und Anzahl für die entsprechenden Standorte sichergestellt sind.

Auch der Beratungsbedarf ändert sich für die Personalabteilungen: Oftmals suchen HR-Verantwortliche Unterstützung bei internationalen Wirtschaftsprüfern und Steuerberatungen, wenn es zum Beispiel um Doppelbesteuerungsabkommen geht. Oder bei Rechtsanwälten, um Fragen bezüglich Arbeitsverträgen, arbeitsrechtlicher Grundlagen, Sozialversicherungsrecht oder Vergütungsmodelle zu klären.

Auch wenn sich HR-Abteilungen zunehmend zu Experten der internationalen Personalarbeit entwickeln, ist ihre Einbindung in den Globalisierungsprozess der Unternehmen nach wie vor gering. Nicht nur – aber auch – diese mangelnde Einbindung führt dazu, dass Organisationen auf internationalem Parkett ins Schlingern geraten. Potenzielle Fehler zu erkennen, erleichtert es, sie zu vermeiden. Große Summen an Lehrgeld fließen auf das Konto folgender Irrtümer:

Die Ähnlichkeitsfalle

Der Kardinalfehler überhaupt ist das Unterschätzen kultureller Unterschiede. Aus ähnlichen Anzügen, Smartphones, Laptops und PowerPoint-Präsentationen schließen viele auf ähnliche Denk- und Arbeitsweisen. Doch auch im 21. Jahrhundert und trotz weltweitem Business-Englisch sind wir tief in unserer jeweiligen Kultur verwurzelt. Das beginnt schon im benachbarten deutschsprachigen Ausland. Österreicher etwa empfinden deutsche Verhandlungspartner oft als direkt und zu sehr auf das Ziel orientiert, während ein Österreicher eher „kreisend“ kommuniziert bevor er zur Sache kommt. Deutsche sprechen Konflikte unverblümt an, was auf der anderen Seite oft als verletzend und unsensibel empfunden wird.

Dazu kommt das Unverständnis in der „gemeinsamen“ Sprache, preußische Schnörkellosigkeit gegenüber gehobener bürgerlicher Ausdrucksweise: Es wird „urgiert“ in „Evidenz gehalten“, „ersucht“ und „reversiert“. Vermeintliche Humorlosigkeit auf der deutschen Seite im Vergleich zu hintergründigem Humor, der in Österreich oftmals auf der nonverbalen Ebene kommuniziert wird, bleibt einem deutschen Geschäftspartner meistens unergründlich.

Die Überlegenheitsfalle

In vielen Köpfen steckt noch die Vorstellung von der Überlegenheit unserer westlichen Art zu leben, zu denken und zu wirtschaften. Sei es bei einem Außenminister, der „Wandel durch Handel“ in Aussicht stellt, oder wenn den Ländern in Südeuropa gezeigt werden soll, wie Management geht. Die aufstrebenden Schwellenländer und Volkswirtschaften empfinden dies zunehmend als anmaßend und arrogant. Wer auch zukünftig erfolgreich Geschäfte machen will, muss dies auf Augenhöhe tun!

Die Komfort(zonen)falle

Global Business ist etwas anderes als Export in alle Herren Länder. Wer mit Menschen unterschiedlicher Kulturen neue Auslandsprojekte starten, Mitarbeiter im Ausland rekrutieren sowie Fach- und Führungskräfte an fremde Standorte entsenden möchte, muss sich um internationale Synergien bemühen. Gefordert ist die enge tägliche Zusammenarbeit mit Partnern, Kunden und Mitarbeitern aus anderen Kulturen. Das bedeutet auch: Wir müssen uns ändern, nicht nur die anderen! Nur wenn wir unsere eigene Komfortzone verlassen und anderen Kulturen ein großes Stück entgegen gehen, werden wir weiter erfolgreich sein.

Natürlich ist es einfacher, monokulturelle Teams zu führen, vor allem wenn sie der eigenen Nationalität entsprechen. Es ist jedoch wichtig, sich bewusst mit der Andersartigkeit auseinanderzusetzen, diese sichtbar zu machen und die Vorteile eines jeden kulturellen Verhaltens herauszuarbeiten. Dies bedeutet, sich mit der eigenen Programmierung auseinanderzusetzen und den eigenen Glauben an internationale Diversity als Gewinn zu stärken.

Die Sachlichkeitsfalle

Internationale Projekte scheitern auch an Fehlplanung, an Abstimmungsproblemen oder Qualitätsmängeln. Im Kern aber scheitern sie an Menschen: Sie scheitern daran, dass Missverständnisse nicht erkannt werden, sich Konflikte hochschaukeln und Fronten verhärten. Wer als Expatriate erlebt, dass bewährte Strategien plötzlich nicht mehr greifen, oder als Top-Manager damit konfrontiert wird, dass vermeintlich „klare“ Verhandlungsergebnisse ins Leere laufen, fühlt sich zeitweise wie auf einem fremden Planeten. Gerade der fehlende Blick auf die „weichen“ Faktoren kann die Sache, das heißt die „harten“ Faktoren, zum Kippen bringen.

Die HR-Verwaltungsfalle

Erfolge im Global Business stehen und fallen mit der Fähigkeit der Menschen, über nationale Grenzen und kulturelle Unterschiede hinweg zusammenzuarbeiten. Der menschliche Faktor wird dabei immer wichtiger, weil bei interkulturellen Begegnungen die gemeinsame Basis stillschweigend vorausgesetzter Normen, Werte und Einstellungen stetig kleiner wird. Damit kommt der HR-Abteilung eine zentrale Rolle in der „Übersetzung“ dieser unausgesprochenen Stolpersteine zu.

Sie sollte deshalb als strategischer Partner der Geschäftsleitung Vorhaben personell vorbereiten, begleiten und auswerten. Zu ihren Aufgaben gehört es, Instrumente zur internationalen Personalentwicklung zu finden beziehungsweise einzusetzen und kulturelle Unterschiede mitzubedenken. Sie muss aber auch vor drohenden Problemen warnen sowie gegebenenfalls mehr Reflexion und Unterstützung für international tätige Mitarbeiter anbieten, was sich auch in höheren Budgetforderungen für den HR-Bereich niederschlagen kann.

Die Praxis sieht jedoch anders aus. Die Mitarbeiter der HR-Abteilungen konzentrieren sich in der Regel auf Verwaltungsaufgaben und kommen häufig erst als Reparaturbetrieb wieder ins Spiel, wenn es ernste Probleme gibt, zum Beispiel wenn die Unternehmensziele im Ausland nicht erreicht werden, die Fluktuation bei den lokalen Mitarbeitern steigt oder wichtige Kunden wegbrechen. Dann sollen eilig Coachings organisiert oder Seminare durchgeführt werden.

Vertragliche, rechtliche und organisatorische Personalfragen der internationalen Zusammenarbeit sind meistens bestens geregelt. Internationale Rechtsanwälte, Steuerberatungen, Relocation Agenturen im In- und Ausland stehen hierfür als Berater bereit. Der Blick auf die Themen der interkulturellen Kompetenz verschleiert sich aber gerade in turbulenten Momenten, zum Beispiel der Entsendung oder Rückkehr. Hier betreten viele HR-Beauftragte Neuland.

Die Entsendungsfalle

Expatriates sind die Schlüsselfiguren in der internationalen Zusammenarbeit. Ihre Arbeitgeber bereiten sie und ihre Familien aber häufig unzureichend auf den Einsatz vor. Auch bei der Auswahl der richtigen Fach- und Führungskräfte für Auslandsprojekte tappen viele Unternehmen buchstäblich im Dunkeln. Entschieden wird meist nach den fachlichen Fähigkeiten, nicht jedoch nach der interkulturellen Kompetenz. Damit sind Kulturschocks vorprogrammiert. Die entsprechenden Abbruchquoten und Probleme sprechen eine eindeutige Sprache. Zudem bereiten Organisationen die Rückkehr und Reintegration Entsandter vielfach nicht systematisch vor. Viele von ihnen verlassen dann das Unternehmen und gehen direkt zu Mitbewerbern. Das schwächt das eigene Firmenpotenzial und verschenkt den Zuwachs an internationaler wie interkultureller Erfahrung.

Die Kurzsichtigkeitsfalle

Erstaunlich viele Unternehmen stürzen sich in Auslandsabenteuer, ohne die Risiken zu bedenken und die Kosten vollständig zu kalkulieren. Dabei versäumen sie häufig auch, die eigenen Möglichkeiten zu reflektieren:

  • Was weiß das Unternehmen über die Kultur, mit der es Geschäfte machen will?
  • Wie gut kennen die Verantwortlichen das Geschäftsfeld einer Firma, die eventuell gekauft werden soll?
  • Wie stellen sie sich die Zusammenarbeit mit dem fremden Dienstleister oder einer Auslandstochter vor?
  • Wie managen sie beides personell?
  • Setzen sie zum Beispiel auf lokale Mitarbeiter (Locals) oder entsenden sie Expats?
  • Ist das Ziel Kontrolle und Vereinheitlichung oder Pluralität?

Kurz: Wie sieht die eigene Auslandsstrategie aus? Die Praxis zeigt jedoch, dass viele Unternehmen nur die ersten Schritte im Blick behalten und längerfristige Strategien aus der Sicht geraten. 

Die Fachkräftemangelfalle

Es spielt keine Rolle, ob die Ursache der demografische Wandel oder aber die Abwanderung der heimischen Fachkräfte ins Ausland ist. Aus den täglichen Wirtschaftsnachrichten ist die Headline „Fachkräftemangel“ kaum mehr wegzudenken. Während internationale Unternehmen deutschen und österreichischen Fachkräften das Arbeiten im Ausland zunehmend leichter und attraktiver gestalten, wird hierzulande ausländischen Fachkräften die Entscheidung für einen Job in Deutschland oder Österreich nach wie vor schwerer gemacht. Die Ansprüche an die Bewerber steigen, ohne dass die Arbeitgeber im Gegenzug die notwendigen Integrations- und Schulungsmaßnahmen ausbauen – sofern sie überhaupt welche vorgesehen haben.

Die Rekrutierung ausländischer Fachkräfte verläuft noch weitestgehend unprofessionell. Auch hier scheitern 80 Prozent der Anwerbeversuche ausländischer Mitarbeiter, wie die ManpowerGroup Deutschland festgestellt hat. Fehlendes sprachliches Know-how ist eine der größten Barrieren. Und oftmals wird dieses dann auch noch mit mangelndem fachlichen Know-how gleichgesetzt.

Eine positive Dynamik in Gang setzen

Gerade der Blick und die Erfahrung der Personalmanager helfen den Unternehmen, ein Gespür für die Soft-Skills und interkulturelle Kompetenzen zu entwickeln. EU-Vorreiter bei der Einstellung ausländischer Talente sind Norwegen und Italien. Dort setzt mehr als jeder dritte Arbeitgeber auf Mitarbeiter aus anderen Ländern. Dabei müssen die Bewerber zu Beginn nicht wie hierzulande hundertprozentig das Job-Profil erfüllen. Viel wichtiger erscheint es, dass sie den nötigen Ehrgeiz, Neugier und Flexibilität mitbringen, um die bestehenden sprachlichen und unternehmensspezifischen Lücken zu füllen.

Um diesen Prozess erfolgreich zu gestalten, müssen sich Unternehmen mit internationaler Ausrichtung im Vorfeld die entsprechenden Fragen beantworten:

  • Passt unsere Unternehmenskultur beziehungsweise die DNA unseres Unternehmens zu unseren Zielen?
  • Sind wir flexibel und offen genug für die Entsendung und Aufnahme internationaler Fach- und Führungskräfte?
  • Welche Mentoren- und Coaching-Programme bieten wir unseren Experten und ihren Familien im In- und Ausland, damit sie schnell Fuß fassen können?
  • Geben wir ihnen Unterstützung bei der Suche nach Wohnungen, Schulen und Sprachkursen?
  • Sind wir international so ein- und aufgestellt, dass eine schnelle Integration möglich ist?
  • Oder verlassen diese Schlüsselpersonen die Einsatzorte, sobald sich etwas Besseres ergibt oder sie dem Druck nicht mehr standhalten können beziehungsweise wollen?

Nur durch die gründliche Auseinandersetzung mit diesen Fragen lassen sich verkrustete Strukturen auflösen sowie erfolgreich Fachkräfte versenden und anwerben.

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