MitarbeitermotivationWertschätzung als Mittel der Manipulation

Wertschätzung wird manipulativ entzogen, wenn Leistungen ausbleiben oder Mitarbeiter Fehler machen. Führungskräfte sollten Wertschätzung aber als bedingungslose positive Haltung entwickeln.

Bedingungslose positive Wertschätzung gilt in der humanistischen Psychologie als existenzielles Bedürfnis. Erst wenn dieses Bedürfnis befriedigt ist, verfügen wir in vollem Umfang über unsere sozialen, konstruktiven, kreativen und rationalen Fähigkeiten. Ist dieses Bedürfnis jedoch nicht befriedigt, nutzen wir in der Sozialisierung (Kindheit/Jugend) erlernte Verhaltensmuster, um unsere Selbstachtung aufrecht zu erhalten. Unsere positiven Fähigkeiten stehen in diesen Situationen nur bedingt zur Verfügung, bis hin zu deren vollständiger Blockierung.

Wertschätzung ist nicht bloß Lob und Anerkennung

Lob und Anerkennung bezieht sich im unternehmerischen Alltag auf erbrachte Leistungen und erzielte Ergebnisse. Diese Leistungen anzusprechen und positiv zurückzumelden ist eine wichtige Führungsaufgabe und beeinflusst die Motivation der Mitarbeiter und das Gefühl der eigenen Selbstwirksamkeit. Menschen, die sich ihrer Selbstwirksamkeit bewusst sind, sind überzeugt, dass sie mit ihrem Handeln etwas bewirken und auch schwierige Situationen bewältigen können.

Damit sind Leistungen und erzielte Ergebnisse jedoch Bedingungen, unter denen Lob und Anerkennung gegeben wird. Fehlen diese, gibt es auch typischerweise kein Lob und keine Anerkennung. Wenn Wertschätzung eine bedingungslose positive Haltung zu Menschen ist, kann sie folglich nicht mit Lob und Anerkennung gleichgesetzt werden.

Wertschätzung manipulativ einsetzen

Da bedingungslose Wertschätzung ein existenzielles Bedürfnis ist, sind wir insbesondere in der Kindheit relativ leicht durch Entzug von Wertschätzung zu beeinflussen. Wenn wir uns also nicht gemäß der Vorstellungen unserer Bezugspersonen verhalten, werden diese Signale fehlender Wertschätzung geben: ein verärgertes Gesicht, eine laute Stimme, eine aggressive Körpersprache bis hin zu angedrohtem Liebesentzug. Verhalten wird zum „Seins-Merkmal“ umdefiniert. Beispiel: „Du bist ein Tollpatsch“ statt „Du hast dich ungeschickt verhalten.“ Menschen lernen schnell, dieses Verhalten zu imitieren. In der Absicht, wiederum ihre Bezugspersonen in gleichem Maße zu beeinflussen. Das Gegenüber wird also als „nicht OK“ bewertet und dies mit dem eigenen Verhalten signalisiert.

Somit verfügen auch Führungskräfte über ein in ihrem Unterbewusstsein früh abgespeichertes Repertoire an Verhaltensweisen, mit dem sie andere unter Druck setzen, um auf deren Verhalten Einfluss auszuüben. Diese Verhaltensmuster zeigen Führungskräfte dann, wenn sie mit dem Verhalten ihrer Mitarbeiter nicht einverstanden sind beziehungsweise wenn sie mit den Ergebnissen, die ihre Mitarbeiter erzielen, nicht zufrieden sind. Sie signalisieren – zumindest temporär – dass sie diese Mitarbeiter nicht wertschätzen. Das Ziel: Die Mitarbeiter sollen ihr Verhalten ändern oder ihre Leistung verbessern.

Optimistische Haltung zu sich selbst und anderen

Eines der wichtigsten Prinzipien der Transaktionsanalyse ist die Grundhaltung: „Ich bin OK, Du bist OK“. Mit „OK“ ist eine gesunde, optimistische und selbstbewusste Haltung zu mir selbst und zu anderen gemeint. Als realistische Selbsteinschätzung bedeutet „Ich bin OK“, dass ich als normaler Mensch in Ordnung bin, trotz meiner Unzulänglichkeiten. Ich werde mich weder für diese Unzulänglichkeiten selbst verurteilen, noch werde ich ihre Existenz ignorieren oder leugnen. Auch andere Menschen haben Unzulänglichkeiten, was aber nicht bedeutet, dass sie Menschen zweiter Klasse sind und man ihnen nicht trauen darf.

Auf der Basis dieser Grundhaltung zielt die Bewältigung von Konflikten und von Kritik darauf ab, gemeinsame Ergebnisse mit der zugrunde liegenden Botschaft zu erzielen, dass „Du“ mir so wichtig bist, dass ich mit dir argumentiere, statt dich niederzumachen oder lächerlich zu machen.

Mangelnde Wertschätzung mit Abwertung beantworten

Wenn wir für die Grundhaltung eine Wippe als Metapher verwenden, wäre diese in einem Zustand der gegenseitigen Wertschätzung im Gleichgewicht. Die Fähigkeit zur Kooperation zwischen zwei Beteiligten, zum Beispiel Mitarbeiter und Kunde, ist dann maximal.

Im Joballtag geschieht es aber öfter, dass sich Mitarbeiter situationsbedingt nicht „OK“ fühlen. Beispielsweise dann, wenn ein Kunde etwas reklamiert. Da solch ein Zustand belastend ist, nutzen wir früher erlernte Verhaltensmuster, um uns zu schützen – uns also wieder „OK“ zu fühlen. Wir brauchen einen inneren Ausgleich.

Um diesen herzustellen, suchen wir uns unbewusst jemanden aus, dem wir uns überlegen fühlen. Anders gesagt, wir werten jemanden – innerlich oder mit unserem Verhalten – ab und damit uns auf. Wir fühlen uns überlegen. Im Falle der Kundenreklamation ist das dann der für diesen Kunden zuständige Mitarbeiter. Dieser wird im konkreten Fall keine Wertschätzung erfahren.

Mangelnde Wertschätzung als Mensch führt zu Demotivation

Wenn Mitarbeiter sich also als Person, als Mensch, nicht grundsätzlich wertgeschätzt fühlen, wenn Lob und Anerkennung lediglich für erbrachte Leistungen gegeben werden, verlieren sie ihre Wirkung. Zwischen den Zeilen spüren wir die fehlende Wertschätzung für uns als Mensch. Im Umkehrschluss heißt das: Fehlende Wertschätzung (im Sinne einer positiven Grundhaltung) führt trotz Lob und Anerkennung zu Demotivation, zu fehlendem Engagement, zu fehlender Identifikation mit dem Unternehmen und damit zum Risiko höherer Fluktuation.

Wenn wir einen Menschen mögen, wenn er sich aus unserer Sicht angemessen verhält, wenn er die Leistungen erbringt, die wir von ihm erwarten, dann ist Wertschätzung das, wofür in den USA der Begriff „no-brainer“ verwendet wird: Wir müssen nicht darüber nachdenken. In diesen Situationen wertschätzend zu sein und dies auch in geeigneter Weise auch sprachlich zu signalisieren, ist ein automatisches, ebenfalls in der Kindheit erlerntes Muster. Dazu brauchen wir weder Führungs- noch Kommunikationsseminare.

Ob sich jemand in diesem Sinne wertschätzend verhält, sei es zum Beispiel eine Führungskraft, zeigt sich erst dann, wenn der Gegenüber gerade nicht gemocht wird, wenn es nicht so läuft, wie man es selbst gerne hätte, wenn Ziele nicht erreicht werden, oder wenn dem Mitarbeiter ein Fehler unterläuft.

Schritte zu bewusster Wertschätzung im Führungsalltag

Haltung gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten überprüfen

    Machen Sie sich bewusst, wie Sie über Ihre Mitarbeiter, Ihre Vorgesetzten und ihre Kollegen denken. Sind Sie diesem Personenkreis gegenüber in einer „OK“-Haltung? Wenn nicht:

  • Bezieht sich Ihre Haltung auf das Verhalten dieser Personen?
  • Haben die Personen vielleicht andere Ziele als Sie?
  • Verfügen diese Personen über eine von Ihnen abweichende Lebenserfahrung oder einfach nur über eine andere Sichtweise?
  • Müssen diese Personen alles so sehen wie Sie, und sich so verhalten, wie Sie es für sinnvoll halten?

    Eigene Überzeugungen bewusst machen

    Machen Sie sich bewusst, welche Überzeugungen Sie haben:

  • Woher stammen diese Überzeugungen?
  • Könnte es sich auch um Vorurteile handeln?
  • Trennen Sie Fakten von Interpretationen beziehungsweise Deutungen.
  • Lassen Sie Annahmen nicht zur Wahrheit werden; auch nicht, wenn andere die gleichen Annahmen haben wie Sie.

Absichten hinter fremdem Verhalten überprüfen

    Fragen Sie sich, welche Absicht hinter dem als von Ihnen nicht gut empfundenen Verhalten steckt. Insbesondere, wenn es sich um einen Fehler handelt, den die Person gemacht hat:

  • Wie oft hatten Sie die bewusste Absicht, heute einen oder mehrere Fehler zu begehen?
  • Wie oft hatten Sie vor, eine falsche Entscheidung zu treffen?
  • Wie sollen andere mit Ihnen umgehen, wenn Ihnen etwas misslingt, Sie eine falsche Entscheidung getroffen oder jemand ohne Absicht verärgert haben?

Feedback zum Verhalten geben

    Integrieren Sie die Methode des Verhaltensfeedback in Ihren Führungsalltag:

    • Geben Sie konstruktives Feedback und lassen Sie sich Feedback geben.
    • Akzeptieren Sie, dass jedes Individuum seine eigene Wahrheit hat.
    • Suchen Sie nach Wegen, mit diesen unterschiedlichen Bezugsrahmen konstruktiv umzugehen.






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