MotivationDer engagierte Mitarbeiter als zentraler Wettbewerbsfaktor
Die Untersuchung ist brandneu und ihre Ergebnisse wieder einmal erschütternd: Ganze 87 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland verspürten im vergangenen Jahr keine echte Verpflichtung gegenüber ihrem Job. 68 Prozent aller Beschäftigten machen lediglich Dienst nach Vorschrift und 19 Prozent haben die innere Kündigung bereits vollzogen. Seit 2001 misst die forschungsbasierte Unternehmensberatung Gallup mit dem so genannten Engagement-Index im jährlichen Abstand die Stärke der emotionalen Bindung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland. Damit bleibt der Anteil der Beschäftigten, bei denen sich nur eine geringe oder keine emotionale Bindung im Job ausmachen lässt, seit der ersten Analyse vor sechs Jahren auf hohem Niveau stabil.
Quelle: Gallup-Unternehmensberatung
Dabei können die Folgen eines solchen Verhaltens, je nachdem wie stark es ausgeprägt ist, für das jeweilige Unternehmen fatal sein. Mitarbeiter, die eine geringe emotionale Bindung aufweisen, haben ein eher ambivalentes Verhältnis zu ihrem Job. Sie geben auf der Arbeit nur das Notwendigste, leisten Dienst nach Vorschrift. Fehlt die emotionale Bindung völlig, wurde entweder die innere Kündigung aufgrund von Resignation bereits vollzogen oder die Mitarbeiter hassen das, was sie tagtäglich tun. Salopp gesagt: Sie sind physisch präsent, psychisch jedoch nicht. Hinzu kommt, dass ihre Verhaltensweisen gegen die Interessen des Unternehmens laufen und der Auslöser für Kundenabwanderungen sein können.
Im Gegensatz dazu wollen Mitarbeiter mit einer hohen emotionalen Bindung Spitzenleistungen erbringen und geben alles für den Erfolg. Ihr Verhalten beeinflusst die Geschäftsentwicklung positiv.
Commitment: Dem Arbeitgeber treu verbunden
Wenn das Verhalten der Mitarbeiter der Schlüssel für Produktivität, für den Geschäftserfolg und letztlich für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens insgesamt ist, liegt es nahe, nach den Bedingungen für engagiertes und motiviertes Arbeitsverhalten zu suchen. Ein Ansatz dazu findet sich in der so genannten Commitment-Forschung, die die Verbundenheit des Mitarbeiters mit dem Arbeitgeber oder einer sonstigen Organisation beschreibt.
Hinweis
In den USA zeigen zahlreiche Studien den positiven Zusammenhang zwischen hohem organisationalem Commitment und der Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter auf.
Mitarbeiter-Commitment ist ein komplexes Gebilde, in das rationale und emotionale Aspekte einfließen. Hierzulande bekannter ist der Begriff der Mitarbeiterzufriedenheit. Doch geht Commitment noch einen Schritt weiter: Es umfasst alle Bereiche der Mitarbeiterzufriedenheit, die zu einer verstärkten Motivation, Aktivität und Effektivität der Mitarbeiter führt. Es geht dabei nicht um Selbstzufriedenheit, sondern um die Motivationsleistung des Arbeitsumfeldes und die Relevanz für den Unternehmenserfolg. Das Marktforschungsunternehmen TNS Infratest definiert und misst fünf Dimensionen von Mitarbeiter-Commitment:
- Gesamtzufriedenheit mit dem derzeitigen Arbeitgeber (rational)
- Weiterempfehlung des Arbeitgebers (emotional)
- Wiederbewerbung bei diesem Arbeitgeber (intentional)
- Arbeitsmotivation der Kollegen (aktionsfundiert)
- Einschätzung der Marktstärke des Unternehmens (zukunftsorientiert)
Ob ein Mitarbeiter mit seiner Situation im Unternehmen zufrieden ist, hängt in der Commitment-Forschung von zwei Faktoren ab: Von der eigenen Einstellung, also beispielsweise der Einschätzung ihres Verhältnisses zum Arbeitgeber oder der Übereinstimmung zwischen eigenen und den Zielen des Unternehmens, und der Tatsache, wie die Mitarbeiter im Unternehmen gehalten beziehungsweise ans Unternehmen gebunden werden. Hierbei geht es um Anreize und Konditionen, die sie davon abhalten, den Arbeitgeber zu wechseln. Allerdings ist das Bestehen einer engen Bindung zum Unternehmen nur ein möglicher Erklärungsansatz. Commitment kann sich in vielen Formen äußern, auch zwischen Beruf, dem Arbeitsplatz oder beispielsweise Kollegen. Die konkrete Leistungsbereitschaft ergibt sich dann aus einer Kombination dieser verschiedenen Commitments.
Freiwillig nützlich: Das Modell des Organizational Citizenship Behavior
Die Arbeitswelt beziehungsweise die Arbeitsbedingungen unterliegen einem ständigen Wandel. Immer ändern sich irgendwelche Prozesse, nehmen Entscheidungssituationen an Komplexität zu. Die Folge: Die Anforderung an die Mitarbeiter verändern sich mit. Somit kommt auch den so genannten Extra-Leistungen, das heißt Zusatzhandlungen, die dem Unternehmen von den Mitarbeitern über die formulierte Aufgabenbeschreibungen hinaus entgegengebracht werden, eine immer wichtigere Bedeutung zu. Das wiederum setzt voraus, dass die Mitarbeiter sich über den Dienst nach Vorschrift hinaus engagieren. In der Forschung wird dieser Aspekt mit Organizational Citizenship Behavior (OCB) umschrieben. Das Modell umfasst fünf Komponenten:
- Hilfsbereitschaft: Hilfe bei arbeitsbezogenen Problemen; ausgleichende Einwirkung auf Kollegen bei Meinungsverschiedenheiten; Verhalten, das Problemen entgegenwirkt
- Gewissenhaftigkeit: Befolgen von organisatorischen Regelungen wie zum Beispiel Pünktlichkeit
- Eigeninitiative: Verpflichtung gegenüber dem Unternehmen; Verantwortlichkeit für Entscheidungen; kreative und innovative Handlungen zur Verbesserung der Aufgabenerfüllung; freiwillige Übernahme von Verantwortung
- Unkompliziertheit: Offene Haltung gegenüber Veränderungen im Unternehmen; Bereitschaft, Belastungen vorübergehend zu akzeptieren; höhere Frusttoleranz
- Organistionale Loyalität: Positive Darstellung des Unternehmens in der Familie oder bei Freunden
Diese Verhaltensweisen legt der Mitarbeiter freiwillig an den Tag. Nach der Lehre des OCB werden diese nicht direkt oder explizit durch die Organisation belohnt. Gleichzeitig erwartet der Mitarbeiter auch keine Gegenleistung. OCB findet zwar zunächst auf der individuellen Ebene, also von Mitarbeiter zu Mitarbeiter statt, wirkt sich aber auch auf das gesamte Team (Gruppencharakter) und im letzten Schritt auf das gesamte Unternehmen aus. Ein solches Verhalten ist nicht nur freiwillig, es ist dem Unternehmen insgesamt nützlich, da es letztlich zu einer höheren Produktivität und damit zu Wettbewerbsvorteilen führt.
Hinweis
Mehr zum Thema Motivation lesen Sie in unserem Wissensbaustein Organisationspsychologie: Menschen im Arbeitsleben besser verstehen!
Die Forderung nach Anpassung der Mitarbeiter beziehungsweise nach einem solchen freiwilligen Verhalten aufgrund sich verändernder Arbeitsbedingungen ist die eine Sache. Doch so ein Verhalten will auch provoziert sein. Es reicht nicht aus, vom Mitarbeiter einseitig so genannte Extra-Dienste zu verlangen. Hinzu kommt der Motivationsfaktor, denn erst zufriedene Mitarbeiter werden mehr tun als nur Dienst nach Vorschrift. Dabei stellt sich die Frage nach der Umsetzung: Was können Unternehmen tun, damit ihre Mitarbeiter zufrieden sind?
Ein Beispiel aus der Praxis zeigt Möglichkeiten, was Unternehmen tun können. Der Medienkonzern Bertelsmann hielt vergangenes Jahr eine internationale Mitarbeiterbefragung ab. Danach sind mehr als drei Viertel der Mitarbeiter mit ihrem Job zufrieden oder sehr zufrieden. Nur zehn Prozent würden, noch einmal vor die Wahl gestellt, einen anderen Arbeitgeber in Erwägung ziehen. Besonders hoch zufrieden äußerten sich die Mitarbeiter in Bezug auf das Verhalten ihrer Vorgesetzten: 77 Prozent gaben an, von diesem mit Respekt behandelt zu werden.
71 Prozent äußersten sich erfreut über das Ausmaß an Selbständigkeit und Verantwortung, das ihnen ihr Vorgesetzter überträgt. Zudem stellen 77 Prozent dem Vorstand des Unternehmens ein sehr gutes Zeugnis aus. Sie sind der Ansicht, dass die derzeitige Führungsmannschaft „Erfolg und Sicherheit auch in Zukunft gewährleisten“ könne. Dazu Gunter Thielen, Vorstandsvorsitzender des Konzerns:
„Die Ergebnisse (...) sind Anlass zur Freude, aber auch zum Handeln. Sie zeigen, dass Bertelsmann in die richtige Richtung steuert und dass die Mitarbeiter die Weiterentwicklung unseres Unternehmens aktiv mitgestalten. Die Befragungsergebnisse belegen auch, dass zentrale Werte unserer Unternehmenskultur wirklich gelebt werden.“
Unzufriedene Mitarbeiter verursachen hohe Kosten
Weitgehende Selbständigkeit, eine respektvolle Behandlung, die Übertragung von Verantwortung und die Identifikation mit der Unternehmensführung scheinen also wesentliche Aspekte für die eigene Arbeitszufriedenheit und letzten Endes für eine Mehr an Leistung zu sein. Doch das ist nur ein kleiner Ausschnitt. Zufriedenheit setzt sich aus vielen einzelnen, hauptsächlich psychologischen Aspekten zusammen und steht in enger Verbindung mit der Befriedigung von individuellen Bedürfnissen. Ein zentrales und anerkanntes Modell stellt immer noch das hierarchische Motivationsmodell von Maslow aus dem Jahre 1954 dar. Darin werden die unterschiedlichen individuellen Motive jedes Menschen, also auch die von Mitarbeitern, klar eingeteilt.
Bedürfnispyramide nach Maslow, Quelle: Winter, Stefanie: Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit, Dissertationsarbeit an der Universität Mannheim, 2005
Mitabeiter streben also zunächst nach Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse. Das können materielle Absicherung oder auch positive Arbeitsbedingungen sein. Sind diese erfüllt, geht es um das Streben nach sozialen Bedürfnissen oder auch Achtungsbedürfnissen wie Prestige, Karrieresprung oder respektvolle Behandlung. Unternehmen machen sich die Mehrdimensionalität von Mitarbeiterzufriedenheit zu nutze und entwickeln daraus Fragebögen, anhand derer sie diese messen. Eines der bekanntesten und beliebtesten Instrumente ist das Mannheimer Organisationsdiagnose-Instrument (MODI), ein Mitarbeiterfragebogen mit modularem Aufbau, der sich mittlerweile in vielen Unternehmen als Standardfragebogen etabliert hat.
In ihm werden die folgenden inhaltlichen Dimensionen von Mitarbeiterzufriedenheit definiert:
- Tätigkeit
- Arbeitsbedingungen
- Arbeitzeit
- Entlohnung
- Kollegen
- Direkter Vorgesetzter
- Höhere Vorgesetzte
- Organisation und Leitung
- Berufliche Entwicklung
- Arbeitsplatzsicherheit
- Information und Kommunikation
- Kundenorientierung
- Wahrgenommene Kundenzufriedenheit
- Unternehmensleitbild
Im Umkehrschluss gilt: Die Sorge vor Arbeitsplatzverlust oder Lohnkürzungen schadet der Mitarbeiterzufriedenheit und damit dem Mitarbeiterengagement. Eine Studie der Universitäten Jena und Hannover kommt zum Ergebnis, dass die Arbeitnehmer genau unterscheiden zwischen Entlassungen, um die Produktivität weiter zu steigern, und unvermeidlichen Kündigungen aufgrund von Absatzeinbrüchen. Diese werden als gerechter empfunden. Besonders gravierend wirken sich demnach Lohnkürzungen auf die Motivation aus. Was den Mitarbeitern besonders aufstößt: Manager, die im Zuge von Entlassungsaktionen eine Erfolgsprämie oder höhere Bezüge erhalten.
Insofern liefert der Gallup-Engagement-Index auch Anhaltspunkte dafür, wie sich Führungskräfte verhalten sollen, damit sie am Ende nicht vor einer demotivierten Mitarbeitermannschaft stehen. Ein Großteil der Befragten erklärte nämlich, dass:
- es an Anerkennung und Lob für gute Arbeit mangele,
- die Förderung der individuellen Entwicklung zu kurz komme,
- ein regelmäßiges Feedback über persönliche Fortschritte ausbliebe,
- sie eine Tätigkeit ausübten, die ihnen nicht wirklich liege,
- sich niemand im Unternehmen für sie als Mensch interessiere und
- ihre Meinung und Ansicht kaum Gewicht habe.
Somit sollte die „Treue“ von Beschäftigten mit Blick auf den Verlust von Unternehmenswert als Folge von Know-how-Abwanderung und entstehenden Fluktuationskosten für jedes Unternehmen von erheblicher Relevanz sein. Die Gründe: Die Kosten der Wiederbesetzung einer Stelle durch eine Neuausschreibung, das Auswahlverfahren und die Einarbeitung des Nachfolgers belaufen sich auf die Summe zwischen 6.000 und 45.000 Euro.