OEEAuf der Suche nach den verborgenen Kapazitätsreserven
Beim OEE geht es nicht ausschließlich darum, die tatsächliche Auslastung einer Maschine ins Verhältnis ihrer theoretisch möglichen zu setzen, sondern vielmehr um die Identifikation weitere Einflussfaktoren, die auf den effizienten Einsatz einer Produktionsmaschine wirken. Vor allem in der Prozessindustrie ist es bei optimaler Auslegung der verfügbaren Kapazitäten möglich, die OEE’s der einzelnen Prozessschritte zu einem Gesamtt-OEE des vollständigen Produktionssystems zu aggregieren (Vgl. Laqua/Pehl, 2003, S. 1 f.). Der OEE ergibt sich aus dem Produkt von Anlagenverfügbarkeit, Leistungsgrad und Qualitätsrate der produzierten Stückzahl.
30 Prozent Stillstand in Verbindung mit 80 Prozent Anlagennutzung und einer Ausbeute in Höhe von 90 Prozent ergibt einen OEE in Summe von 50 Prozent. Entscheidend ist hierbei nicht die Betrachtung der Einzelkennzahlen, sondern das Produkt der multiplizierten Kapazitätsverluste. In vielen Produktionsbetrieben arbeiten die Anlagen mit einem OEE von weniger als 60 Prozent. Besonders bei Engpassmaschinen ist man geneigt durch zusätzliche Investitionen weitere Kapazitäten aufzubauen, wenn die Fehlmengen nicht mehr durch Sonderschichten kompensiert werden können (Vgl. Heuser, 2003, S. 627). Voreilige Kapazitätserhöhungen verschlechtern die Kapitalrentabilität im Unternehmen, da zusätzliche Kapitalmittel gebunden werden. In den meisten Fällen lassen sich voreilige Investitionen vermeiden, wenn man Kenntnisse über die verborgenen Kapazitätsreserven in der Fertigung besitzt.
In Produktionsbetrieben mit einem OEE-Wert kleiner 65 Prozent sind die Fertigungsprozesse stark verbesserungswürdig. Eine optimale Auslegung der verfügbaren Kapazitäten findet in derartigen Betrieben nicht statt. Eine grundsätzliche Analyse der Stillstands- und Ausfallbedingungen der Produktionsanlagen ist hier der erste Schritt. Die meisten Fertigungsbetriebe bewegen sich in einem OEE-Bereich zwischen 65 Prozent und 85 Prozent. Unternehmen mit einem OEE-Wert größer 85 Prozent befinden sich auf hohem Niveau und sind best practice Beispiele.
Anlagenverfügbarkeit (Availability)
Die Anlagenverfügbarkeit berechnet das Verhältnis zwischen Stillstandszeit zur theoretisch möglichen Produktionszeit. Sie wird durch Maschinen- und Werkzeugstörungen reduziert. In der täglichen Fabrikpraxis hat sich gezeigt, dass die Anlagenverfügbarkeit bei Engpassmaschinen also bei Maschinen mit einer permanent erhöhten Auslastung, eher zu steigern ist als bei Maschinen deren Auslastung nicht permanent hoch ist. Dies hat sicherlich damit zu tun, dass so genannte Engpassmaschinen eine höhere Priorität besitzen und damit auch eine größere Aufmerksamkeit genießen. In der Praxis lassen sich zwei wesentliche Verlustquellen definieren, die auf die Anlagenverfügbarkeit wirken:
a) Anlagen-/ Maschinenausfall durch Störungen:
Hierzu zählen sämtliche Zeiten, die zur Beseitigung des Maschinendefekts aufgewendet werden. Vorbeugende Maßnahmen durch Instandhaltung und Reinigung der Betriebsmittel können die Auftrittswahrscheinlichkeit des Ausfalls minimieren. Wartungsarbeiten hingegen, die während der Produktionszeit erfolgen, sind sehr teuer, weil sie zusätzlich zu den Wartungskosten auch die Kosten des Produktionsausfalls erzeugen.
b) Rüsten und Einstellen zum Beispiel Werkzeugwechsel:
In der Rüstzeit werden alle Zeiten abgebildet, die zum einmaligen Auf- und Abrüsten des Betriebsmittels bis zur Freigabe zur Fertigung benötigt wird. Dies sind in der Hauptsache begründete Stillstände der Fertigungseinrichtung durch Wechsel des Werkzeuges oder des Materials bzw. durch Einstellen der Maschinen zur Fertigungsfreigabe. Rüstzeiten sind planbar, das heißt das benötigte Personal kann danach flexibel ausgerichtet werden.
Aufbau von Beständen zu berücksichtigen. Zusätzliche Verrichtungskosten in Form von ungeplanten Beständen durch Überproduktion und ungeplante Wartezeiten durch Unterproduktion sind durch Optimierung der Fertigungsprozesse zu begegnen (Vgl. Brauckmann, 2002 S. 12 f.).
Leistungsgrad (Performance Rate)
Der Leistungsgrad einer Anlage ist dadurch begründet, dass sie nicht immer mit der höchsten Geschwindigkeit nach Angabe des Maschinenherstellers laufen kann. Bei dieser Kennzahl wird der Grad der Ausnutzung von tatsächlich produzierten Teilen zu technisch möglichen pro Zeiteinheit gemessen. Beispiel: Die Anlage kann laut Hersteller 100 Stück pro Minute fertigen, aber im praktischen Einsatz in der Fabrik sind es nur noch 85 Stück pro Minute. Die Taktzeiten an den Maschinen sind abhängig von den Fertigungsprozessen, von den zu bearbeitenden Werkstücken, aber auch vom Bedienpersonal.
a) Leerlauf und geringfügige Unterbrechungen zum Beispiel durch Blockierung von Werkstücken:
Diese Verlustquelle wird mit einem theoretischen Zeitanteil in der Nebenzeit abgebildet. Die Nebenzeit ist Bestandteil der Te-Zeit im Arbeitsplan.
b) Verringerte Bearbeitungsgeschwindigkeit:
Jedes Betriebsmittel besitzt eine optimale Taktzeit je Produkt. Sollte die Zeitspanne zwischen geplanter Taktzeit im Arbeitsplan und tatsächlich benötigter Zeit für den Prozessschritt überschritten werden, werden verfügbare Kapazitäten verschwendet. In den meisten Fällen erfolgt die Rückmeldung einzelner Arbeitsschritte in der Fabrik auf der Basis geplanter Taktzeiten im Arbeitsplan. Die aufgewendeten IST-Zeiten sind insbesondere bei kleineren und mittelständischen Unternehmen in der Regel in den wenigsten Fällen bekannt.
Qualitätsrate (Quality Rate)
Sie gibt den Anteil der erzielten Gutmenge in Relation zur tatsächlichen Einsatzmenge an, die beispielsweise durch Anlauf- oder Abdampfverluste und Ausschuss reduziert wird (Vgl. Laqua/Pehl, 2003). Diese Kennzahl ist ein Indikator über das Qualitätsniveau des zu verarbeitenden Materials und der anfallenden Fertigungsprozesse an den Betriebsmitteln. Je höher die erzielte Gutmenge, desto besser ist die Qualität der Fertigungsprozesse. Grundsätzlich ist ein Qualitätsniveau in Höhe von 100 Prozent nicht möglich.
a) Prozessfehler - verursachen Ausschuss und Nacharbeit:
Störungen und Verlustquellen durch Prozessfehler sind teilweise durch Versuche mit Betriebsmitteln, Werkzeug und Material zu kompensieren.
b) Reduzierte Ausbringung durch Anlaufverluste beim Produktionsanlauf bis zum stabilen Prozess:
Zu diesem Bereich zählen sicherlich auch alle Tätigkeiten, die für Versuche von Werkzeugen und/oder Material benötigt werden. Da sowohl neue Werkzeuge als auch geänderte Werkzeuge eingefahren werden müssen, ist dies sinnvollerweise nur auf den Originalmaschinen durchzuführen.
Ein hohes Qualitätsniveau sichert dem Unternehmen lange Produktlebenszyklen, die sich als strategischer Wettbewerbsvorteil ausbauen lassen. Zur Sicherstellung qualitativ hochwertiger Produkte fallen Fehlerverhütungskosten, Prüfkosten und Fehlerkosten an. Im Sinne einer präventiven Qualitätssicherung gilt es, potenzielle Fehlerquellen möglichst schon im Entwicklungs- bzw. Fertigungsbereich zu lokalisieren und entsprechende Präventivmaßnahmen einzuleiten.
Identifizierte Rationalisierungspotentiale durch Optimierung der Kosteneinflüsse setzt die Betrachtung von Prozesskosten voraus. Hierbei sind die gesamten Kosten entlang der Wertschöpfungskette von der Entwicklung bis zum ausgelieferten Produkt zum Kunden als Ansatzpunkt zu analysieren. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen hierbei die Verrichtungskosten, das heißt alle Kosten, die zur Erstellung der Wertschöpfungsleistung an den einzelnen Arbeitsplätzen anfallen.
Stärken und Schwächen des OEE
OEE-Management versteht sich als ganzheitlich und dauerhaft angelegte Optimierungsaufgabe. Es berücksichtigt alle direkten und indirekten Bereiche der Fertigung entlang der gesamten Prozesskette des Unternehmens. Der OEE ist eine einfache und nützliche Kennzahl zur Überwachung der Leistungsfähigkeit einzelner Anlagen und wenn möglich durch Aggregation der gesamten Fertigungseinheit. Die wahre Stärke des OEE besteht darin, dass sämtliche Anlagenverluste systematisch identifiziert, analysiert und in einem hierauf abgestimmten Aktionsplan korrigiert werden können. Die Analyse und Bewertung der Anlagenproduktivität durch Erhöhung der technischen Verfügbarkeit mithilfe der OEE-Kennzahl bietet die methodische Grundlage zur Implementierung weiterer produktionsrelevanter Konzepte im Sinne von Lean-Management. So ist es beispielsweise sinnvoll, das System der produktiven und autonomen Wartung (Total Productive Maintenance) mit dem OEE-Konzept zu verbinden, da TPM auf der Basis der gleichen Zielsetzung als Maßstab für entsprechende Aktivitäten auf die OEE-Kennzahl als Messinstrument zurückgreift.
In der praktischen Anwendung treten oftmals Probleme auf, die einen nachhaltigen Verbesserungsprozess behindern können. Besonders in der Anfangsphase ist der Schulungsaufwand der betreffenden Mitarbeiter in der Produktion sehr hoch. Der OEE ist als Kennzahl unbekannt und die manuelle Aufschreibung der Störgründe auf verteilten Excel-Blättern erfordert ein hohes Maß an Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit, damit der Datenbestand konsistent ist.
Mithilfe IT-gestützter BDE-Systeme lassen sich die erforderlichen Informationen direkt von der Maschine online in einer hierfür bereitgestellten Software verarbeiten. Dies spart Ressourcen sowohl für den Mitarbeiter an der Maschine, der sich jetzt vollständig auf den Produktionsprozess konzentrieren kann, als auch für den Controller. Er wird entlastet, da er weniger kostbare Zeit in die erforderliche Datenaufbereitung investiert, sondern mehr Zeitreserven für die viel wichtigere Analysefunktion zur Verfügung hat. Die gefahrenen Taktzeiten einer Maschine hängen im Wesentlichen vom Produktmix und von der Art der Produkte ab. So kann sich eine Steigerung des OEE auch dadurch interpretieren lassen, dass in einer Betrachtungsperiode vermehrt Produkte mit einer höheren produktspezifischen Geschwindigkeit gefertigt worden sind.
Die Interpretation der Analyseergebnisse sollte folglich immer im Zusammenhang mit einem Mitarbeiter aus der Produktion stattfinden. Der OEE ist in jedem Fall exakt zu berechnen, um Fehlinterpretationen vorzubeugen. Oftmals wird aus Vereinfachungsgründen auf eine produktspezifische bzw. linienspezifische Berechnung des OEE verzichtet. Mittelwerte sind ungenau und repräsentieren nicht die tatsächlich erreichte Kapazitätseffizienz.
Beispielrechnung:
Welche Ergebniswirkung erzielt eine OEE Veränderung?
Für die Arbeit in der täglichen Fabrikpraxis ist die OEE-Kennzahl als Leistungstreiber (KPI) eine sinnvolle Messgröße, um auf operativer Ebene den gesamten Produktionsbereich zu optimieren und die richtige Entscheidung zu treffen. Für das Management und insbesondere für die Geschäftsleitung sind solche KPI`s zur Steuerung des Unternehmens eher ungeeignet, wenn sie keinen monetären Bezug zum Unternehmensergebnis haben. Traditionell liegt der Betrachtungsfokus des Managements mehr auf Kostengrößen als auf Leistungsgrößen. Da sich positive Effekte in der Produktionsleistung nur mittelbar auf die Ergebniswirkung des Unternehmens nachweisen lassen, werden diese oft vernachlässigt, und liegen somit außerhalb des Sichtfeldes der Geschäftsführung. Es ist also zwingend erforderlich, dass ein OEE-Konzept auch in den Entscheidungs- und Führungsprozessen des Managements fest verankert wird. Nicht genutzte Kapazitätsreserven belasten das Unternehmensergebnis, aber die entscheidende Frage ist, in welchem Ausmaß?
Die Kosten der nicht produktiv genutzten Kapazitäten werden als Leerkosten bezeichnet. Für diesen Anteil nicht genutzter Ressourcen gibt es keine Fixkostendeckung. In der betrieblichen Praxis hat sich aufgrund der einfacheren Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Maschinen und Fertigungslinien die Bewertung über entgangene Stückdeckungsbeiträge bewährt. Zunächst wird über die nicht genutzte Taktzeit die entgangene Produktionsmenge auf der entsprechenden Maschine ermittelt. Diese Produktionsmenge lässt sich dann anschließend mit einem durchschnittlichen Stückdeckungsbeitrag des jeweiligen Produktes multiplizieren. In Aufschwungphasen und Zeiten voller Auftragsbücher sind die Leerkosten in der Regel in den Führungsetagen kein Diskussionsthema. Oftmals werden über längere Zeiträume aufgrund versteckter Kapazitätsreserven unnötige Kapazitäten aufgebaut, die dann in Phasen schwacher Auslastung die Unternehmensergebnisse erheblich belasten.
Fazit
Selbst in einem reibungslos ablaufenden Produktionsprozess lassen sich Ressourcenkiller in der Regel nicht vollständig eliminieren. Zentrale Aufgabe eines umfassenden Produktionscontrollings ist es folglich, Ressourcen vernichtende Faktoren zu identifizieren und deren Auftrittswahrscheinlichkeit zu minimieren. Hierzu bedarf es transparenter Unternehmensstrukturen, die auf der Basis effizienter und kurzer Prozessketten geschaffen werden und veränderungswillige Mitarbeiter, die sich ständig hinterfragen, um eingefahrene Strukturen und Abläufe laufend zu optimieren. Vor diesem Hintergrund wird der Produktivität in der Fabrik eine zentrale Bedeutung beigemessen. Diejenigen Unternehmen, die durch eine konsequente Analyse Verschwendungspotenziale in den Wertschöpfungsprozessen identifizieren und gleichzeitig geeignete Maßnahmen zur Regulierung daraus ableiten, werden sich zukünftig am Markt durchsetzen.
Literatur
- Brauckmann, O.: Die Wirtschaftlichkeit der neuen Fabrik: Performance Management in der Praxis, Seminarskript 2002
- Heuser, M.: Variantenmanagement in Produktionsnetzwerken, in: CONTROLLING 15. Jahrgang 11/2003, S. 623 – 630
- Kessing, O.: Anlageneffektivität managen: OEE als Kernstück nachhaltiger Verbesserungen, Präsentationsunterlagen INSTA 05/2007
- Laqua, I./ Pehl, T.: Was sagt OEE? - Kapazitätserweiterung ohne Investition, in: CIMAktuell, Mai 2003
- Jöbstl, O.: Verbesserung der OEE als Maßnahme zur Kostensenkung, Handbuch zum ÖVIA Kongress 2004
Der vollständige Beitrag ist im Controller Magazin Mai/Juni 2008 erschienen. (Nachdruck aus dem Controller Magazin Mai/Juni 2008 - mit freundlicher Genehmigung der Redaktion des Verlags für ControllingWissen).
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