PersönlichkeitsentwicklungWie sich Verhalten dauerhaft verändern lässt
Im Beratungs- und Trainingsumfeld gibt es eine unüberschaubare Anzahl von Ansätzen, Theorien und Interventionsmethoden. Es herrscht nahezu ein Glaubenskrieg, welcher Ansatz der wirksamere ist. Wissenschaftliche Belege gibt es wenige. Dafür verschreiben sich Trainer, Berater und Coachs umso leidenschaftlicher der einen oder anderen Schule.
Trainings behandeln entweder Fähigkeiten oder Verhalten
Die meisten Ansätze stellen einen bestimmten Aspekt menschlichen Verhaltens in den Fokus der Betrachtung und klammern den Rest aus. Das ist zwar das Grundprinzip und der Nutzen von Modellen, weil sie dadurch Komplexität reduzieren und schnelle Handlungsmöglichkeiten schaffen. Aber es ist somit nur eine von mehreren möglichen „Brillen“, die lediglich eine eingeschränkte Sicht und begrenzte Handlungsmöglichkeiten liefert. So behandeln Trainings häufig entweder das Fachwissen oder betonen die Verhaltensebene. Oder man bewegt sich in höheren Sphären der Sinn- und Identitätsfragen bis hin zu spirituellen Aspekten.
So kommt es, dass zum Beispiel die im Bereich Fachwissen geschulten Führungskräfte als „ausgebildete Doktoren der Führung“ agieren. Sie können akademisch argumentieren und Führungsstile definieren, diese jedoch nicht automatisch adäquat anwenden, geschweige denn ein konstruktives Gespräch führen. Führungskräfte, die ein Führungskräftetraining mit den Schwerpunkten Sinn und Identität besucht haben, sind hingegen äußert reflektiert und haben eingehend über ihre Rolle im Unternehmen und in der Welt nachgedacht. Es fehlt ihnen aber das Handwerkszeug, diese Ideen in die Tat umzusetzen. Beide polarisierenden Ansätze sind wenig sinnvoll im Hinblick auf die Teilnehmer und die Unternehmen.
Verhaltensänderungen dauerhaft bewirken
Wenn eine zielgerichtete Verhaltensänderung dauerhaft bewirkt werden soll, empfiehlt sich eine systematische Herangehensweise. Richten Sie den Blick auf den ganzen Menschen: Wissen, Motivationen, Emotionen sowie die Kompetenzen beziehungsweise das konkrete Verhalten. Handeln Sie bedarfs- und zielorientiert, das heißt, passen Sie nicht den Bedarf an Ihre Lieblingsmethoden an, sondern die Methoden an den tatsächlichen Bedarf. Um Veränderungen nachhaltig zu erreichen, haben Sie dann mehrere Modelle und Methoden zur Verfügung, kennen deren Nutzen und Grenzen und setzen sie bedarfsorientiert ein.
Eine systematische Herangehensweise an Veränderungsprozesse bei Menschen, aber auch Teams und Organisationen, stellt das „Modell der logischen Ebenen“ dar. Die von Robert Dilts, einem Autor, Trainer und Berater im Bereich des Neuro-Linguistischen Programmierens (NLP), beschriebenen Ebenen der Veränderung dienen der Klärung, auf welcher Ebene die Probleme oder Veränderungsbedarfe angesiedelt sind und wo und wie die Veränderungsarbeit effektiv ansetzen kann.
Die logischen Ebenen der Veränderung
Vision/Sinn (Wozu?)
- Was will ich erreichen?
- Was ist meine Aufgabe?
Identität (Wer?)
Wie verstehe ich meine Rolle (Rollenbild, Selbstbild)?
Überzeugungen (Warum?)
Was ist mir wichtig (Motivation, Werte, Einstellungen, Glaubenssätze)?
Fähigkeiten (Wie?)
Über welche Kompetenzen, Fertigkeiten oder Strategien verfüge ich?
Verhalten (Was?)
Was mache ich konkret (Aktion)?
Umgebung (Wo? Wann?)
In welchem Kontext (Raum, Zeit, Reaktion)?
Diese logischen Ebenen sind hierarchisch gegliedert und beeinflussen sich wechselseitig: Höher angeordnete Ebenen ermöglichen und organisieren die darunter liegenden. Veränderungen auf einer höheren Ebene haben somit Veränderungen auf darunter liegenden zur Folge. Eine Änderung auf einer der unteren Ebene kann, muss aber nicht die darüber liegenden Ebenen beeinflussen.
Welche Verhaltensweisen ein Mensch zeigen kann, hängt somit von seinen Fähigkeiten ab. Die Entwicklung von Fähigkeiten hängt ab von der Motivation der Person, die von deren Motiven, Werten und Überzeugungen gespeist wird. Die Motivation ist abhängig von den Vorstellungen einer Person über sich selbst – ihrer Identität: Was glauben wir, wer wir sind? Was glauben wir, wie uns andere sehen? Eng verbunden damit ist die Ebene, die über das Individuum hinausgeht: Was wollen wir bewirken? Wozu fühlen wir uns zugehörig? Wonach streben wir?
Entwicklung von Fähigkeiten fördert das eigene Selbstbild
Ein Werkzeugkoffer an Führungskompetenzen macht eine Person also noch nicht zur Führungskraft. In der Regel wird jedoch die Entwicklung von Fähigkeiten irgendwann Veränderungen der Selbstüberzeugungen und des Selbstbildes im Bereich dieser Kompetenzen nach sich ziehen. So wird ein Schüler, der über einen längeren Zeitraum gute Noten schreibt, vermutlich auch irgendwann glauben, er sei ein guter Schüler.
Manche Menschen entwickeln dieses positive Selbstbild bereits nach der ersten befriedigenden Note, manche nach einem halben Jahr mit guten und sehr guten Leistungen und manche glauben es selbst nach einem Einser-Abitur noch nicht. In letzterem Fall ist wahrscheinlich das Selbstbild mit der generalisierten Vorstellung „Ich bin nicht gut“ so übermächtig, dass es immun gegenüber jeder guten Note, jedem Lob und später jeder Beförderung ist.
In Trainings auch an Rollenbildern und Einstellungen arbeiten
Bezogen auf die Frage „Was soll trainiert werden?“ lässt sich zusammenfassend feststellen, dass es für die erfolgreiche Entwicklung von Mitarbeitern und Führungskräften hilfreich ist, alle logischen Ebenen zu beachten, zumal sie sich gegenseitig unterstützen, aber auch behindern können. Durch die Verankerung auf mehreren Ebenen erreichen Sie Nachhaltigkeit, die Veränderung wird tiefer und vernetzter angelegt, sodass zugleich der Transfer der Trainingsinhalte in den Alltag gesichert wird.
Wie Sie Ihren Fokus der Veränderung ausrichten, wird davon abhängen, wo die Probleme oder Veränderungsziele angesiedelt sind und mit welchen Interventionsformen Sie arbeiten. In Trainings wird der Schwerpunkt in der Regel überwiegend auf der Ebene des Verhaltens und der Fähigkeiten und damit auf dem Trainieren von Kompetenzen liegen. Dennoch ist es ebenfalls wichtig, an Rollenbildern, Haltungen und Einstellungen zu arbeiten, um neue Verhaltensweisen zu ermöglichen.
In Coachings liegt der Schwerpunkt zumeist auf Überzeugungen und Rollenvorstellungen. Dennoch sollte auch hier darauf geachtet werden, dass der Coachee Anregungen für die Umsetzung auf der Verhaltensebene erhält. In umfangreichen Entwicklungsprogrammen, etwa von Führungskräften, kann es sinnvoll sein, Trainingseinheiten mit Praxis- und Coaching-Einheiten zu verbinden, denn so verankern Sie die Entwicklungsimpulse auf verschiedenen Ebenen und erleichtern hierdurch den Transfer in den beruflichen Alltag.