PersonalabbauTrennungskultur pflegen statt einfach Mitarbeitern kündigen
Wenn Unternehmen wie die Deutsche Bank, Nokia oder BMW Rekordergebnisse bekannt geben und fast im selben Atemzug Personalabbau ankündigen, ist die Empörung groß. Die Gründe für solche Schritte geraten dabei leicht in den Hintergrund. Doch eine solche Unternehmenspolitik verdeutlicht nicht nur die Strategie dieser Konzerne. Sie steht auch für einen Paradigmenwechsel im Verhältnis zwischen Unternehmen und Mitarbeitern: Zeitlich unbefristete Arbeitsverhältnisse und lebenslange Verbundenheit werden immer seltener.
Christian Scholz, Professor und Personalwissenschaftler an der Universität Saarbrücken, bringt es auf den Punkt:
Mitarbeiter sind „Spieler ohne Stammplatzgarantie“.
Vorbei sind die Zeiten, in denen viele Angestellte ihr Leben lang bei einer einzigen Firma beschäftigt waren und Loyalität ein ungeschriebenes Gesetz war. Trennungen, Abreitgeberwechsel und berufliche Umorientierung von Mitarbeitern werden für viele gängiger Teil des Arbeitslebens.
Personalabbau – die Gründe sind vielseitig
Entlassungen und befristete Arbeitsverträge sind nicht immer auf unstillbare Gier der Geschäftsleitung zurückzuführen. Oft sind sie nötig, um dauerhaft erfolgreich und konkurrenzfähig zu bleiben – manchmal sogar, um den Konkurs abzuwenden.
Zum Teil sind Umstrukturierungen – vor allem personelle Einsparungen und Prozessoptimierung – für Unternehmen überlebensnotwendig. Sie stellen die letzte Möglichkeit dar, um immerhin einen Teil der Belegschaft vor der Arbeitslosigkeit und die Firma vor der Pleite zu bewahren. Ob Missmanagement oder einbrechende Märkte die Ursache dafür sind, darüber lässt sich streiten. Fakt ist: Viele Unternehmen erkennen Krisensignale zu spät – so dass ihnen am Ende nicht viel mehr übrigbleibt als die Kostenvollbremsung. Der amerikanische Autobauer General Motors etwa verzeichnete für das Geschäftsjahr 2007 einen Rekordverlust von 38,7 Milliarden US-Dollar. Und plant nun einen massiven Stellenabbau: Alleine durch Abfindung sollen 74.000 Mitarbeiter den Konzern verlassen.
Ein weiterer Grund für Personalabbau: Mergers & Acquisitions. Wenn Konzerne fusionieren, gibt es oft einen Überschuss an Mitarbeitern, deren Tätigkeiten sich überschneiden oder gar decken. Das betrifft sowohl Fabrikarbeiter als auch hochbezahlte Führungskräfte, beispielsweise Marketingmanager oder Vertriebsleiter. In diesen Fällen hat der Arbeitgeber kein Absatz- oder Bilanzproblem. Es geht vielmehr darum, dass durch die Fusion Stellen überbesetzt sind. Dann muss sich ein Unternehmen von den Mitarbeitern trennen, die zu der neuen Unternehmensstruktur und ihren Arbeitsanforderungen nicht so gut passen wie ihre internen Konkurrenten.
Eine strategische Neuorientierung kann ebenfalls einen Personallabbau nach sich ziehen. Wenn beispielsweise ein Unternehmen sein Produktprogramm verkleinert oder die Angebotspalette ändert, müssen die Mitarbeiter der betroffenen Sparten im schlimmsten Falle gehen. So droht Anfang 2008 vielen Mitarbeitern von Siemens Enterprise Communications die Entlassung, da Siemens seinen Telefonanlagenhersteller zu einem Hardware- und Solutionsanbieter umwandeln will.
Beispiel Triumph-Adler
Triumph-Adler, einst bekannt für Schreibmaschinen und Motorräder, trennte sich von 40 Tochterfirmen und schloss sogar die Schreibmaschinenproduktion. Tausende Mitarbeiter wurden entlassen. Doch die strategische Neuausrichtung vom Mischkonzern zurück zu seiner Kernkompetenz war die Rettung des verschuldeten Unternehmens. Mittlerweile ist Triumph-Adler ein sehr erfolgreicher Dienstleister: Es berät Kunden beim kostensparenden Drucken, Kopieren und elektronischen Archivieren und verkauft und verleast Produkte seines Partners Kyocera.
Ein anderer Grund für strategische Veränderungen ist Effizienzdruck durch globalen Wettbewerb. BMW beispielsweise hat 2007 zwar Rekordgewinne eingefahren, aber dennoch massive Personaleinsparungen angekündigt. Begründet wird dies so: Die Konkurrenten Mercedes, Audi und Lexus arbeiten noch profitabler. Auf solch internationale Konkurrenz müssen viele Unternehmen frühzeitig reagieren – auch mit Kosteneinsparungen durch Personalabbau.
Ebenso können technologischer Wandel, Stillegung von Firmenstandorten sowie Outsourcing von Produktionsteilen oder Dienstleistungen Arbeitsplätze vernichten. Dass Maschinen oftmals schneller und ökonomischer arbeiten als Menschen, ist bekannt. Außerdem macht es Unternehmen oft effizienter, Produktionsstandorte stillzulegen oder gar ins Ausland zu verlagern, wo die Lohnkosten niedriger sind.
Beispiel Teutonia
So baute der Kinderwagenhersteller Teutonia, 2004 noch in den roten Zahlen, fast ein Drittel der Arbeitsplätze in Deutschland ab. 2007 hatte das Unternehmen erstmals mehr Mitarbeiter in Polen als in Deutschland. Außerdem lässt das Unternehmen kleinere Teile heute von einem Ingenieurbüro entwickeln. Das Ergebnis: Von 2004 bis 2007 hat Teutonia seinen Wert verhundertfacht – und wächst weiter.
In einigen Fällen lässt sich Personalabbau umgehen
Personalfreisetzung muss nicht immer bedeuten, dass die Betroffenen sich einen neuen Arbeitgeber suchen müssen oder arbeitslos werden. Manchmal bieten sich Alternativen in Form von interner Personalfreisetzung an. Hierbei müssen sich Angestellte zwar auf Veränderungen einstellen, diese finden jedoch innerhalb des ihnen vertrauten Unternehmens statt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der internen Personalfreisetzung:
- Qualitativ orientierte Maßnahmen: Hierbei besuchen die Mitarbeiter Fortbildungen oder machen Umschulungen. Dies ermöglicht ihnen, eine andere Tätigkeit innerhalb des Unternehmens auszuüben oder sich für höhere Stellungen weiter zu qualifizieren. Diese Option bietet sich vor allem an, wenn veränderte Arbeitsanforderungen und Umstrukturierungen den Personalüberschuss verursachen.
- Örtlich orientierte Maßnahmen wie Versetzung oder Änderungskündigung. Eine Versetzung kann auf einer Hierarchieebene, also horizontal erfolgen. Vertikale Versetzungen hingegen bedeuten einen hierarchischen Auf- oder Abstieg. Manchmal sind die neuen Arbeitsbedingungen so stark verändert, dass nur eine Änderungskündigung möglich ist. Der Arbeitgeber kündigt dann dem Angestellten, bietet ihm jedoch eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter anderen Bedingungen an.
- Zeitlich orientierte Maßnahmen: Besteht das Problem des Personalüberschusses nur für eine absehbare Zeit, bieten sich unbezahlter Urlaub, Abbau von Überstunden oder Gewährung von Sabbaticals an. Ansonsten kommen unter Umständen Kurzarbeit oder allgemeine oder individuelle Arbeitszeitverkürzung in Frage.
Faire Entlassungspolitik – nicht nur ein Zeichen des guten Willens
Es gibt Umstände, unter denen die Entlassung von Mitarbeitern für den Erfolg des Unternehmens unumgänglich ist. Dann jedoch ist das Wie der externen Personalfreisetzung von essenzieller Bedeutung. Wer Angestellte und Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen stellt, keine Begründungen nennt und sein Handeln wie eine eiskalte Kostensparmaßnahme erscheinen lässt, kann großen Schaden anrichten: Nicht nur den Gekündigten fehlt die Chance, die Kündigung zu verarbeiten und nach einer neuen Stelle zu suchen. Auch das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit kann beträchtlich lädiert werden.
Die größte Gefahr bei personellen Schnellschüssen allerdings besteht in dem Misstrauen der verbleibenden Angestellten. Wenn sie erfahren, dass unvermittelt Stellen gestrichen werden und die Betroffenen mit ihrer prekären Situation alleine gelassen werden, verlieren sie Vertrauen und Loyalität zu ihrem Arbeitgeber. Angst macht sich breit, dass ihnen dasselbe bevorsteht. Manche – vor allem geschätzte und hochqualifizierte - Mitarbeiter beginnen, sich nach Alternativen umzuschauen und ihrer Entlassung zuvorzukommen. Die Arbeitsmoral sinkt. Und dies hat Auswirkungen auf Effizienz und Erfolg des Unternehmens. Somit ist eine rücksichtslose Personalpolitik nicht nur ein Public Relations-Problem, sondern hat weitaus größere, strategische und wirtschaftliche Dimensionen.
Stellenabbau: Planung, Ankündigung und Umsetzung
Ein Unternehmen, das planvoll, offen und sozial verträglich mit dem Thema Personalfreisetzung umgeht, sichert sich das Ansehen von Mitarbeitern, Partnern und Öffentlichkeit.
Wird Personalabbau im Rahmen der Unternehmensstrategie nötig, so sollte man die Entscheidung erst nach eingehender Prüfung aller alternativen Möglichkeiten fällen. Die Entlassungen sollten genau geplant und die Ziele der Maßnahme festgelegt werden. Dabei muss klar sein, wie die Auswahl der freizustellenden Personen ablaufen wird. Es bedarf zudem eines Plans, wie Schlüsselpersonen, verbleibende Führungskräfte und Mitarbeiter sowie vor allem die zu Entlassenden unterstützt werden können.
Ebenso wichtig: ein Aktionsplan zum Umgang mit externen Gruppen. Denn die Personalpolitik eines Unternehmens ist nicht nur für direkt Betroffene relevant. Sie betrifft auch Lieferanten, Aktionäre, Medien, Politik, Kunden und die Standortbevölkerung.
Entscheidende Bedeutung hat schließlich die Ankündigung der personellen Maßnahmen. Sowohl der Belegschaft als auch der Öffentlichkeit ist der Stellenabbau als Teil der strategischen Erneuerung zu erklären. Alle Gruppen sollten die Gründe und das zukünftige Konzept nachvollziehen können. Die Kommunikation sollte jedoch nicht nur in eine Richtung verlaufen. Besonders mit den Angestellten sollte ein offener, ehrlicher Dialog stattfinden. Dadurch zeigt sich die Unternehmensführung interessiert an der Meinung der Mitarbeiter, kann Fragen klären und unbegründete Ängste abbauen. Diese Transparenz und Fairness schätzen die Betroffenen wie die verbleibenden Arbeitnehmer gleichermaßen. Sie fühlen sich respektiert, informiert, können die Gründe für die Maßnahmen besser nachvollziehen und sind auf die neue Situation vorbereitet.
Es müssen nicht immer Massenentlassungen sein
Im nächsten Schritt gilt es, die Personen zu identifizieren, die das Unternehmen verlassen müssen. Wer dabei die Mitarbeiterstruktur und Vertragsbedingungen beachtet, kann personalfreundlicher und sozial verträglicher vorgehen, als einfach rigoros Stellen zu streichen. Personal lässt sich abbauen durch
- natürliche Fluktuation, das heißt Einstellungsstopp,
- Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge,
- vorzeitige Pensionierung oder
- Kündigung.
Natürliche Fluktuation lässt sich als Teil des Abbauprozesses nutzen. Wenn keine oder nur noch wenige neue Mitarbeiter eingestellt werden, nimmt die Beschäftigtenzahl mit der Zeit ab, indem Angestellte in Pension gehen, kündigen oder arbeitsunfähig werden. Allerdings lässt sich die Mitarbeiterzahl mit dieser Maßnahme nur recht langsam verringern.
Eine weitere Möglichkeit ist es, befristete Arbeitsverträge oder Personalleasingangebote nicht zu verlängern. Hat ein Unternehmen Belegschaft mit hohem Durchschnittsalter, bieten sich auch vorzeitige Pensionierungen an. So verjüngt sich in manchen Fällen zusätzlich zur Kostensenkung die Altersstruktur des Personals.
Kündigungen sozial gestalten
Ist die Entlassung von Mitarbeitern aus personalstrategischen Gründen gar nicht vermeidbar, kann diese dennoch auf verschiedene Weisen geschehen.
Viele Unternehmen entlassen Personal und zahlen den Betroffenen eine Abfindung. Damit ist zwar finanzielle Not vorerst abgewendet. Doch mit der Suche einer neuen Anstellung und dem Bewerbungsprozess bleiben die Entlassenen allein. Gerade ältere und qualifizierte Mitarbeiter tun sich mit der Suche nach einem Arbeitsplatz schwerer, als ihnen selbst und ihrem Unternehmen bewusst ist. Denn wer bisher in seinem Job erfolgreich war, vielleicht sogar Personalverantwortung hatte und viele Jahre in der selben Firma beschäftigt war, kennt sich auf dem Arbeitsmarkt nicht aus. Diese Hürde zu meistern, ist für viele nur schwer möglich – wenn sie nicht unterstützt werden. Daher sollten Arbeitgeber einen Teil der Abfindungssumme in Fördermaßnahmen und Personalentwicklung, also in die Zukunft der Gekündigten investieren. Diese Integration von Personalabbau und Personalentwicklung verbessert die Chancen der zu Entlassenden auf Wiederbeschäftigung. Es gibt unterschiedliche Arten solcher Maßnahmen:
- Bildung: Fortbildungen, die direkt auf die Auffrischung, Erneuerung oder Aktualisierung beruflicher Kenntnisse abzielt, aber auch Bewerbertrainings oder Kurse zur Existenzgründung;
- Arbeitsstrukturierung: Arbeitsformen wie Job Rotation oder Gruppenarbeit fördern Schlüsselkompetenzen, die Mitarbeitern auch in anderen Tätigkeiten oder Unternehmen zugutekommen;
- Überbetriebliche Karriereplanung: Es hilft Angestellten sehr, wenn das entlassende Unternehmen Jobbörsen erstellt, nach freien Stellen in anderen Firmen recherchiert, die nicht extern ausgeschrieben werden, und diese bekannt gibt.
Zunehmend beliebt, um zu entlassenden Mitarbeitern den Weg in eine neue Beschäftigung zu erleichtern, ist Outplacement: Ursprünglich war Outplacement vor allem eine für Führungskräfte konzipierte Beratungsleistung, die ihren Arbeitsplatz verloren hatten. Mittlerweile wird das Konzept jedoch auch für die Beratung anderer Mitarbeiter genutzt. Gruppenplacement eignet sich für Beschäftigungsgruppen aller Hierarchieebenen. Dabei sollte die Runde jedoch eine Teilnehmerzahl von mehr als zehn bis zwölf nicht überschreiten. Der Vorteil von Outplacement ist, dass das Konzept umfassende und praktische Hilfe bietet und genau auf die Situation der Betroffenen abgestimmt werden kann. Die Ziele sind:
- die Kündigung emotional zu verarbeiten,
- sich auf die neue Situation einzulassen,
- die beruflichen Qualifikationen und persönlichen Stärken der Betroffenen festzustellen,
- einen Überblick über Jobmöglichkeiten und die Arbeitsmarktsituation zu geben,
- Bewerbungsunterlagen zu erstellen oder Teilnehmer dabei zu unterstützen,
- Teilnehmer auf Vorstellungs- und Kontaktgespräche vorzubereiten,
- Eine neue Arbeitsstelle für den Betroffenen oder möglichst viele Mitglieder der Outplacementgruppe zu finden.
Welche Angebote ein Unternehmen für seine zu kündigenden Mitarbeiter auch bereitstellt, es ist immer sehr wichtig, dass dies zu einem möglichst frühen Zeitpunkt geschieht. Je mehr Zeit einem Mitarbeiter vor der Entlassung bleibt, sich weiterzubilden, nach Stellen umzusehen und zu bewerben, desto weniger Druck hat er. Darüber hinaus hat ein Bewerber, der sich aus einer Anstellung heraus um einen Arbeitsplatz bewirbt, bedeutend bessere Chancen als ein Arbeitsuchender.
Mit diesen Maßnahmen einer sozial verträglichen Art der Kündigung soll nicht nur den Betroffenen geholfen werden. Sie ist ein Signal an verbleibende Mitarbeiter, Kunden und Öffentlichkeit. Es wird sicher auch wieder Zeiten geben, in denen neue Mitarbeiter gebraucht werden. BMW, Siemens und andere kostenbewusste Unternehmen, die erst kürzlich Personaleinsparungen angekündigt haben, suchen gleichzeitig qualifizierte Mitarbeiter. In dieser Situation ist der Ruf eines fairen und verantwortungsvollen Arbeitgebers von großem Nutzen.
Checkliste
In der folgenden Arbeitsvorlage finden Premium-Mitglieder wichtige Hinweise zum planvollen und fairen Personalabbau.
Quelle und weitere Informationen:
Jürgen Berthel und Fred G. Becker. Personal-Management: Grundzüge für Konzeptionen betrieblicher Personalarbeit. Schäffer-Poeschel 2007.
F. Trauth und T. Nadig. Personalabbau strategiekonform planen und umsetzen. In: Artur Wollert und Peter Knauth (Hrsg.). Human Resource Management: Neue Formen betrieblicher Arbeitsorganisation und Mitarbeiterführung. Symposion Publishing 2006.
Personalwirtschaft: Magazin für Human Resources. 02/2008.
Reiner Hellweg und Heike Lamerdorf. Traue keinem Berater unter 35. In: Personalwirtschaft: Magazin für Human Resources. 07/2005.
[mg; Bild: Fotolia]