PersonalentwicklungWarum Zeit gefragt ist und kein Schnellschuss
Personalentwicklung (PE) kann alles Mögliche sein: von einer fachlichen Weiterbildung bis zur Führungskräfteentwicklung, vom Gabelstaplerschein über das Software-Training und den Team-Workshop bis zum Einzel-Coaching. Dementsprechend groß ist die Gefahr, sich in der Vielfalt zu verirren oder sich von irgendetwas so berauschen zu lassen, dass man es einfach mal nebenbei mitnimmt. Gerade der Druck in unsicheren Situationen oder Umbruchsituationen führt leicht zu solchen Schnellschüssen. Ob die Maßnahme aber wirklich eine Lösung für das eigene Anliegen ist, rückt dabei oft in den Hintergrund. Damit man nicht plötzlich feststellen muss, dass die PE-Maßnahme sinnlos war und Zeit und andere Ressourcen verschwendet wurden, sollte man sich vorher Zeit für einige Fragen nehmen.
Wann ist eine PE-Maßnahme sinnvoll? Wenn Aufwand und Ergebnis in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Das muss jedes Mal neu definiert und am besten möglichst genau beschrieben werden. Recht einfach ist das, wenn man etwa als Zulieferer Daten in einem bestimmten Format vom Hauptkunden erhält und dieser sich für eine neue Software entscheidet. Dann ist es wahrscheinlich sinnvoll, ebenfalls diese Software anzuschaffen und die betreffenden Personen darin fit zu machen. Die Situation wird also analysiert, Optionen durchkalkuliert und Schlüsse daraus gezogen. Die abgeleiteten Maßnahmen waren dann erfolgreich, wenn die Überlegungen aufgehen. Stichwort ROI. Für Verhaltenstrainings gilt das genauso, leider ist es da nur meist nicht ganz so eindeutig. Der Analyseprozess bleibt darum oft unvollkommen und unpräzise, was sich selbstverständlich auf das Ergebnis auswirkt.
Auf die Reihenfolge kommt es an
Wenn ein PE-Konzept Erfolg haben soll, müssen die Erfolgskriterien definiert werden. Darum braucht es eine eingehende Analyse der Ausgangssituation, die von einer Stunde bis mehrere Tage dauern kann. Jedenfalls braucht es Zeit. Auf dieser Grundlage kann überlegt werden, welche Ziele angesteuert werden sollen und was realistisch und angemessen erscheint. Erst dann sollte die Entscheidung fallen, welches Konzept am ehesten der Zielerreichung dient.
Dazu ein Beispiel: Eine Führungskraft kam ziemlich aufgebracht zu mir und forderte mich auf, für einen Mitarbeiter in der Produktion ein Rhetorik-Seminar zu organisieren. Auf meine Nachfrage stellte sich heraus, dass sich die Mitarbeitergespräche zwischen den beiden mühsam bis unerfreulich gestalteten. Ein Rhetorik-Seminar für den Mitarbeiter war allerdings nicht das Mittel der Wahl, das zu ändern. Ich habe das Problem deshalb mit beiden besprochen, gemeinsam mit ihnen weiter eingegrenzt und ein Ziel erarbeitet. Der Mitarbeiter nahm später an einem Kommunikationstraining teil und der Vorgesetzte war plötzlich sehr motiviert, am Programm zur Führungskräfteentwicklung teilzunehmen.
Die Definition der Lernziele braucht Zeit
Der erste Grund, warum PE Zeit braucht, ist die Analyse, durch die konkrete Lernziele definiert werden. Es kann vorkommen, dass die Lernziele nicht gleich den idealen Sollzustand beschreiben. Lernen dauert und Verhaltensänderungen dauern noch länger. Aber ein gutes Etappenziel beschreibt immer beobachtbares, und das heißt nachvollziehbares Verhalten. Kennen und können gehören nicht dazu, auch nicht etwas besser machen. Ein gewissenhafter Personalentwickler wird die Ziele daraufhin mit seinem Kunden besprechen.
Im genannten Beispiel könnte ein Ziel also lauten: Der Vorgesetzte setzt bei Konflikten das Modell A ein, um im Gespräch eine Eskalation zu vermeiden. Der erste Grund, sich für PE Zeit zu nehmen, lautet deshalb: analysieren, Ziele definieren und Maßnahmen entwickeln, damit letztere sinnvoll werden können.
Sinn und Zweck der PE-Maßnahme müssen einleuchten
Bei vielen PE-Maßnahmen sehen die Teilnehmer sehr schnell den Grund für ihre Teilnahme ein. Dann nämlich, wenn sie ihren Job dadurch überhaupt erst ausführen und die Erwartungen erfüllen können. Nehmen wir die neue Software von vorhin: Die Arbeit für diesen Kunden kann nur mit entsprechender Schulung getan werden. Können die Teilnehmer aber nicht den Zusammenhang verstehen oder den Sinn erkennen, werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Widerstand gehen. Das gilt für Sicherheitsschulungen genauso wie für die Entwicklung von Teams.
Es muss für jedes Training einerseits der Zweck klar sein (wozu dient das?), andererseits aber auch der Sinn dahinter (wohin führt das?), und am besten auch der Zusammenhang in einem größeren Kontext. Nehmen wir als Beispiel wieder die Softwareschulung. Der Zweck ist einfach: Die Teilnehmer sollen die Software erlernen und anwenden können. Der Sinn dahinter ist, den Kunden weiterhin beliefern zu können. Der größere Zusammenhang könnte sein, dass das Unternehmen sich zum Ziel gesetzt hat, die reibungsfreiesten Getriebe für E-Automobile zu bauen. Mit dieser Software kann es die Toleranzen bei der Produktion deutlich verbessern.
Adressaten zu Beteiligten machen braucht Zeit
Jedes „Ja, abe r…“ von Teilnehmern einer PE-Maßnahme sollte ernst genommen werden. Die Ursache dafür ist oft ein mangelnder Informationsfluss. Ein Geheimnis von Motivation ist, Sinn und Zusammenhang zu verstehen und für sich als relevant zu erkennen. PE-Adressaten müssen demnach zu Beteiligten gemacht werden. Adressaten sind dabei sowohl die Teilnehmer als auch die Vorgesetzten und letztlich die PE-Verantwortlichen und die Organisation selbst. Strategie, Ziele, Personen und Maßnahmen müssen zusammenpassen, damit PE-Maßnahmen Erfolg haben können. Umgekehrt heißt das: Schulungen nach dem Gießkannenprinzip oder verordnete Seminare sind schlechte Voraussetzungen für Erfolg.
Sicherlich sollen die durchgeführten Maßnahmen möglichst langfristige Effekte erzielen. Damit werden bestimmte Strategien verfolgt, wie beispielsweise die Ausrichtung des Unternehmens anpassen, Veränderungen durch den demographischen Wandel berücksichtigen oder auf sich entwickelnde Marktanforderungen reagieren. Es gilt, die Gestaltung dieser langfristigen Prozesse schon im Vorfeld der PE-Maßnahme zu planen und dabei in Qualität zu investieren.
Erfolgskontrolle bei Verhaltenstrainings? Oft Fehlanzeige
Wir kennen das aus der Schule: Man lernt Vokabeln, schreibt einen Test, und würde der Lehrer nicht darauf achten, dass danach die Vokabeln immer wieder in verschiedenen Aufgaben vorkommen und er ihre Anwendung kontrolliert, würde man sie vermutlich schnell wieder vergessen. Bei Seminaren und Trainings wird am Ende oft ein Fragebogen verteilt, auf dem man Kreuzchen eintragen kann. Selten gibt es auch Raum für etwas Freitext. Wenn die Rückmeldungen positiv sind, freuen sich Trainer und PE-Abteilung. Ich nenne diese Bögen „Happiness Sheets“. Oft kommt danach nämlich nichts mehr, das den Erfolg der Maßnahme überprüft.
Im Grunde handelt es sich bei den „Happiness Sheets“ lediglich um Momentaufnahmen des Gemütszustandes nach dem Training, immerhin. Was aber wirklich gelernt wurde, lässt sich erst am veränderten Verhalten erkennen. Oder wäre es zufriedenstellend, wenn die Mitarbeiter nach dem oben erwähnten Software-Training weiterhin das alte Programm einsetzen und sich die Arbeitsqualität nicht ändert? Die klassische Erfolgskontrolle nutzt noch weitere drei Stufen. Zum Einen ist das der Wissenstest, den man auch mit Online-Learning gestalten kann. Zweitens geht es um die Überprüfung der Umsetzung im Job. Hier wird meist die Führungskraft eingebunden, was schon im Vorfeld klar sein muss. Sie muss informiert sein und sich darauf einstellen können. Ohne die Unterstützung durch die Führungskraft bleibt eine PE-Maßnahme ein zahnloser Tiger.
Schließlich geht es um den schon angesprochenen ROI. Bei Verhaltenstrainings ist dafür oft eine Art Übersetzung nötig, um quantifizierbare Größen zu erhalten, die dann quasi gemessen werden können. Beispiel: Anstatt zu erwarten, dass sich Konfliktpartner besser streiten, könnte man überprüfen, ob bis zum Zeitpunkt X die Gespräche zwischen den beiden zu konstruktiven Zielen führen und Fragen nach Versetzung oder weiteren Seminaren nicht mehr auftreten.
Erfolgskontrolle braucht Zeit
Diese Überlegungen und Planungen der Evaluation brauchen Zeit, aber sie können PE-Maßnahmen nachhaltiger und damit sinnvoll machen. Als dritten Grund für mehr Zeit bei der PE-Gestaltung empfehle ich, den PE-Anbieter nach dessen Ideen für die Erfolgskontrolle zu fragen und mit ihm ein Konzept dafür zu vereinbaren.
Meiner Überzeugung nach hängen Sinn oder Unsinn von PE-Maßnahmen stark davon ab, wie gut sie vorbereitet werden und wie viel Zeit dafür aufgewendet wird. Mit einer guten Analyse und beobachtbaren Etappenzielen lässt sich schon viel erreichen. Wer die Teilnehmer mit ins sprichwörtliche Boot holt und sie begleitet, kann die Sinnhaftigkeit von PE-Maßnahmen deutlich steigern und gewährleistet, dass die Teilnehmer auch da ankommen, wo sie hin sollen.