Personalmanagement in China
China gehört zu den sogenannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China). Diese Länder verbindet vor allem ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum. Zum Vergleich: Europa kommt auf ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von zwei Prozent, während die BRIC-Staaten Zuwachsraten der Wirtschaftsleistung von fünf bis zehn Prozent verzeichnen. Diese Emerging Markets bieten viele Chancen, bergen aber zugleich auch Risiken.
Chancen | Risiken |
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Überdurchschnittliche Gewinne | Politische (In-)Stabilität |
Hohes Wirtschaftswachstum | Oft noch unzureichend ausgebaute lokale Infrastruktur |
Noch keine Sättigung der Märkte mit hochwertigen Konsumgütern | Schwieriger Zugang zu Ressourcen |
Hoher Anteil an jungen Menschen in der Bevölkerung | Staatliche Auflagen |
Damit ausländische Investoren diese Potenziale nutzen können, bedarf es vor allem „Guanxi“, auf Chinesich heißt das Beziehungen. In China ist der Aufbau einer wirtschaftlichen Kooperation ein Akt, der sehr viel Feingefühl und Vertrauen erfordert. Es geht nicht allein darum, ein vertragliches Gerüst zu kreieren, sondern eine ehrliche und menschliche Beziehung aufzubauen.
HR Management in China: So gut wie noch nicht vorhanden
Obwohl der Begriff Human Ressource Management in Verbindung mit China sogar in den OECD Reviews of Innovation Policy (2008) verwendet wird, ist er in diesem Zusammenhang eigentlich paradox. Die Mehrzahl der Mitarbeiter wurde noch bis vor kurzem durch persönliche oder familiäre Kontakte rekrutiert – unabhängig von der fachlichen Qualifikation. Diese Praxis hat mit Personalauswahl wenig zu tun. Auch heute noch werden manche Mitarbeiter auf diese Weise gewonnen. Ein anderes Extrem ist die Auswahl von Akademikern: Es werden die besten Absolventen der besten Universitäten ausgewählt – ohne sie zuvor in einem Vorstellungsgespräch kennen gelernt zu haben. Von Management im Sinne einer strategisch ausgerichteten Unternehmensführung konnte im Bereich der Personalpolitik also bis dato nicht gesprochen werden.
Ein drastischer Wandel vollzog sich jedoch, als die Wirtschaft weiter wuchs und sich die Produktionsgesellschaft zunehmend zu einer Wissens- und Technologiegesellschaft entwickelte. In Technologieunternehmen werden höhere Anforderungen an die Mitarbeiter gestellt, als in Produktionsunternehmen. Zwar gab es in China die ersten „Personalauswahlverfahren“ bereits vor über 2.000 Jahren beim Militär, doch diese Praxis hat sich in der Wirtschaft zu keiner erfolgreichen Tradition entwickelt. Personalauswahlinstrumente, wie sie im Westen üblich sind, haben sich, trotz korrekter Übersetzung, als wenig valide erwiesen.
Das chinesische Bildungssystem existiert vor einem sehr stringenten politischen Hintergrund. Es geht darum, grundlegende Gesetze und Regeln zu lernen und zu befolgen. Dinge zu hinterfragen ist kein erklärtes Lernziel – im Gegenteil. Die Folge: Ein Mangel an Problemlösekompetenz und unabhängigem Denken bei den Absolventen. Im internationalen Wettbewerb ist es jedoch von zentraler Bedeutung, neue Wege zu gehen. Besonders für internationale Unternehmen ist es schwierig Kandidaten zu finden, die sich mit der westlichen Unternehmenskultur identifizieren können. Während in China die Kommunikation oft einer Einbahnstraße gleicht – vom Vorgesetzten zum Mitarbeiter – ,wird im Westen eher Wert auf einen Austausch zwischen den Hierarchieebenen gelegt.
Geringe Loyalität zu ausländischen Unternehmen
Gerade ausländische Unternehmen, die sich in China etablieren wollen, kämpfen hart um die wenigen Talente. Oftmals fehlt es den Berufserfahrenen an Englischkenntnissen. Doch diejenigen, die Englischkenntnisse besitzen, haben keine ausreichende Berufserfahrung, um eine Position im mittleren Management einzunehmen. Bei ihnen entsteht dann der Eindruck, sie seien zwar gut genug für die mittleren Managementpositionen, ein weiterer Aufstieg auf der Karriereleiter durch eine „Glasdecke“ (glass ceiling effect) bleibt ihnen aber versperrt. Dies führt dazu, dass die Talente ausländische Firmen oft als Sprungbrett benutzen, um in die oberen Etagen von beliebten chinesischen Unternehmen aufzusteigen.
Dabei spielen moralische Bedenken oft keine große Rolle, denn Chinesen kennen ihren Marktwert und die Beziehung zu den internationalen Arbeitgebern ist oft nicht sehr eng. Es kommt sogar vor, dass eingestellte Kandidaten an ihrem ersten Arbeitstag gar nicht erscheinen – und auch nicht an den darauffolgenden. Die Gründe für das Verlassen eines Unternehmens sind in der folgenden Abbildung aufgeführt.
Grundsätzlich gibt es zwei Gruppen potenziell geeigneter Kandidaten:
- gut ausgebildete Absolventen mit Auslandserfahrung
- ehemalige Mitarbeiter von Staatsbetrieben
Bei der ersten Gruppe ist die Kompatibilität mit der westlichen Unternehmenskultur höher. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch einen teilweisen Verlust des Verständnisses für die urchinesischen Werte. Unter Umständen treten so Konflikte mit anderen chinesischen Kollegen auf. Die zweite Gruppe bringt zwar Berufserfahrung und Know-how der lokalen Strukturen mit, ist jedoch geprägt durch Verantwortungsscheu und mangelnde Eigeninitiative – wohlgemerkt nach westlichen Maßstäben.
Personalbindung: Westliche Unternehmen müssen individuelle Anreize bieten
Aufgrund der hohen Wechselbereitschaft sollte Loyalität ein zentrales Kriterium in der Auswahl sein. Wenn Unternehmen dies vernachlässigen, laufen sie Gefahr, viel Geld in die Suche nach Talenten zu investieren, ohne sie am Ende an sich binden zu können. Doch Loyalität ist keine reine Charaktereigenschaft, sondern eine Wechselwirkung zwischen Person und Umwelt beziehungsweise Unternehmen. Daher ist es wichtig, den Kandidaten persönlich kennenzulernen und auch die Mitarbeiter der Abteilung einzubinden, die später mit dem Kandidaten zusammenarbeiten werden. Finanzielle Anreize allein reichen nicht aus – die Inflation der Gehälter für den gefragten Führungsnachwuchs ist enorm. In China gibt es immer jemanden, der mehr bezahlt. Wichtig sind vielmehr Anreize, die der Bewerber nur bei einem bestimmten Unternehmen finden kann, beispielsweise unternehmensspezifische Weiterbildungen und Beteiligungen am Unternehmenserfolg.
Ein weiteres Problem, das speziell bei der Personalauswahl in China vorkommt, sind falsche Angaben in Bewerbungsunterlagen. In der Vergangenheit war es nicht üblich, für Führungspositionen einen Personalauswahlprozess in Gang zu setzen. Stattdessen wurden die Kandidaten durch den Staat auf die verfügbaren Stellen aufgeteilt. Mit der Folge, dass die Bewerber gar nicht an das Auffliegen ihres Schwindels denken. Firmen sollten also sorgfältig die Referenzen des Kandidaten prüfen und – aufgrund des Mangels an geeigneten Kandidaten vor allem im mittleren Management – ein proaktives und strategisches Personalmanagement betreiben. Die Präsenz an den Hochschulen ist hierbei von zentraler Bedeutung. Gleichwohl stehen die Unternehmen dabei in enger Konkurrenz mit dem chinesischen Staat, der sich vorbehält, die größten Talente in die eigenen Dienste zu stellen.
Wurde ein geeigneter Kandidat gefunden, empfiehlt es sich, diesen in einer Probezeit im Auge behalten. Stellt sich heraus, dass er doch nicht ins Unternehmen passt, kann eine Trennung unausweichlich sein. Passt der Mitarbeiter hingegen zum Unternehmen, sollten ihm auch Möglichkeiten einer professionellen Personalentwicklung und klare Karrierepfade aufgezeigt werden, um ein mögliches Abwandern zu verhindern. Zu den Weiterbildungsmaßnahmen sollte vor allem auch ein interkulturelles Training gehören, denn die Führungstechniken von West und Ost unterscheiden sich deutlich. Im Westen gilt der Ausbilder eher als Partner, in China wird er als Modell gesehen!
Westen: Ausbilder als Partner | China: Ausbilder als Modell |
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regt an, provoziert, fordert heraus | doziert, macht vor, ist ideal, schützt |
stellt Schülern fragen | stellt sich rhetorische Fragen |
bündelt, reduziert, gebraucht Prinzipien | führt und malt aus, gebraucht Beispiele |
Wichtig ist es daher, die Trainingsmethoden an den Stil des chinesischen Ausbilders anzupassen. Dabei sollten vor allem viele Beispiele und Wiederholungen genutzt werden, bevor das dahinterliegende Prinzip erläutert wird. Zu theoretische und abstrakte Erklärungen behindern das Verständnis. Eine Besonderheit ist die Stellung des Ausbilders als Ideal. Das heißt: Der Ausbilder weiß auf alles eine Antwort. Deshalb sollte auch der Eindruck absoluter Kompetenz vermittelt werden, nur so bleibt das Vertrauen erhalten. Für Chinesen ist es auch unüblich, während der Veranstaltung Fragen zu stellen, denn sie wollen sich vor Anderen keine Blöße geben. Bedeutend sind daher viele Teepausen, in denen in kleiner Runde Fragen geklärt werden können. Der richtige Austausch findet oft erst während dieser Pausen statt.
China ist als aufstrebende Wirtschaftsmacht nicht nur für den Export von Konsumgütern interessant, sondern auch als Standort für international agierende Unternehmen. Möchten sich Unternehmen dort etablieren, gilt es vor allem einen Gutteil eigener Ansichten, Werte und Prinzipien zu revidieren und flexibel zu reagieren. Chinas kultureller Hintergrund ist im Vergleich zu dem der westlichen Welt ein anderer und stellt sich in vielen Dingen konträr dar. Scheitern werden die Firmen, die versuchen, ihre bisherigen Werte und Prinzipien auch in China einfach fortzuführen. Erfolge lassen sich nur mit gegenseitigem Respekt und Vertrauen sowie einer großen Portion Geduld erzielen.