PlanspieleWie Serious Games zu besseren Entscheidungen führen
Was gestern noch richtig war, ist heute schon falsch. Informationen sind widersprüchlich und die Welt ist komplex. Diese Erfahrung machen Führungskräfte jeden Tag. Wie lassen sich unter diesen Umständen gute Entscheidungen treffen?
Vor Entscheidungen muss diskutiert werden
Heute muss das Management dafür Sorge tragen, dass unterschiedlichste Betrachtungsweisen in die Unternehmensentscheidungen einfließen können. Der Kreis der Mitdiskutierenden muss erweitert werden. Dabei kommt es unweigerlich zu Diskussionen. So muss der Vertrieb allein auf Grund seiner Aufgabe und Funktion einen anderen Blick auf den Markt haben, als die Entwicklungsabteilung oder die Produktion. In der Entscheidungsfindung kommt es nunmehr darauf an, dass die Blickwinkel aller Beteiligten einbezogen, gewichtet und bewertet werden. Ein Ergebnis dieses Prozesses kann sein, dass man mehrere Szenarien parallel auf die Reise schickt. Dann kann man erkennen, was in der Realität funktioniert und mit der Organisation am besten zusammenpasst. Es geht nicht darum, einen Kompromiss zu finden, sondern eine angemessene und wirksame Lösung.
Das Management muss Diskussionen zulassen und steuern. Allerdings sind solche Diskurse oft nicht ergebnisoffen zu führen. Zum einen gibt es auf Grund der verschiedenen Sichtweisen unterschiedliche Bewertungen. Zum anderen werden aber in derartigen Veränderungsprozessen bestehende Strukturen und Machtpositionen neu verhandelt.
Trotzdem sind diese Diskussionen wichtig. Wie können sie initiiert werden, ohne von Beginn an in den Widersprüchen und Interessenskonflikten steckenzubleiben oder nur oberflächlich zu bleiben? Hier kommen die Planspiele oder Serious Games ins Spiel. Serious Games sind eine hochwirksame Methode, um solche Diskurse zu starten. Sie helfen dabei, dass blinde Flecken und Tabus, die in jeder Organisation vorhanden sind und neuem Denken oft im Wege stehen, vermieden und damit besprechbar werden.
Serious Games dienen nicht der Unterhaltung
Was versteht man nun unter Serious Games und warum sind sie so wirksam? Serious Games sind vollständige, in sich abgeschlossenen Spiele, die nicht der Unterhaltung dienen, sondern ein Lernziel haben. Sie benutzen Modelle der Realität, beispielsweise einen Prozess, eine Organisation, ein Ereignis oder eine unternehmerische Situation.
Ihr Nutzen liegt vor allem darin, dass sie durch das spielerische Element die Teilnehmer aktivieren und dazu motivieren, sich zu engagieren und zu diskutieren. Sie transportieren wertvolle und realitätsnahe Inhalte und fördern so die Veränderungen mit neuen Denk- und Verhaltensweisen. Dafür bieten sie eine sichere Umgebung, in der die Mitspieler bestimmte Handlungsweisen ausprobieren und die Auswirkungen ihrer Entscheidungen erfahren können.
Im Gegensatz zur Gamification, das bestimmte Inhalte zum Fokus hat, spannen Serious Games den Bogen deutlich weiter auf. Hier werden ganze Ursachen-Wirkungsketten und Szenarien verbunden, mit denen Organisationen konfrontiert sind. Das Denken, Bewerten und Entscheiden in komplexen Kontexten steht im Vordergrund.
Vor allem als brettbasierte Simulationen schaffen Serious Games eine vom Alltag unabhängige Realität. Sie zeichnen sich durch eine hohe Unmittelbarkeit aus: Zwischen den Teilnehmern entstehen intensive Diskussionen, während sie die Simulation durchlaufen, da zwar alle Regeln und Informationen offen liegen, aber gleichzeitig die Wechselwirkungen, die durch die Regeln erzeugt werden, nichtlinear sind und damit von den Entscheidungen der Teams abhängig. Somit sind, vergleichbar einem Gesellschaftsspiel, die Ergebnisse auch bei identischen Teilnehmern jedes Mal unterschiedlich.
Simulation von Lagerhaltung und Liquidität
Ein mittelständisches Unternehmen stellt die Lagerhaltung auf den Prüfstand, um die Liquiditätskennzahlen zu verbessern. Ziel ist es, dass Mitarbeiter und mittlere Führungskräfte ein gemeinsames Verständnis entwickeln, dass und wie sie bei ihren Entscheidungen Einfluss auf die Liquiditätskennzahlen haben.
Dazu wird in regelmäßigen Seminaren das Serious Game „Apples & Oranges“ von Celemi eingesetzt, in dem genau diese Zusammenhänge zwischen dem operativen Geschehen und den Finanzzahlen wie Cashflow und Working Capital deutlich werden. Ergänzend zur Simulation wird in Transferphasen das erspielte Wissen über diese Zusammenhänge anhand realer Gegebenheiten diskutiert. Damit wird ein unmittelbarer Bezug zwischen Simulation und echtem Unternehmen hergestellt.
Es geht nicht direkt um die eigene Firma
Diskutiert wird nicht über das eigene Unternehmen, sondern über etwas, das so ähnlich ist. Durch diesen anderen Blick werden bestehende Muster durchbrochen. Tabus können in dem Kontext der Simulation leichter angesprochen werden als im realen Leben.
Simulationen nehmen nicht die ganze Komplexität in den Blick, sondern vereinfachen an bestimmten, für den Einsatzkontext weniger relevanten Stellen. Beispielsweise kann von speziellen Details der Personalentwicklung abgesehen werden, wenn die Diskussion über strategische Fragen und Entscheidungen über die Marktpositionierung und die Entwicklung des Angebotsportfolios im Fokus steht. In einer anderen Simulation mag es genau anders sein, so dass hier vor allem Themen wie Kompetenzaufbau, Herausbildung von Know-how, der Einsatz der passenden Menschen zu Aufgaben im Mittelpunkt steht. Dennoch sind die Simulationen so gestaltet, dass sie anspruchsvolle und der Realität sehr ähnliche Dilemmata und Entscheidungssituationen provozieren.
Da es in diesem spielerischen Kontext nicht um die eigene Organisation oder Position geht, sind die mikropolitischen Muster und Machtspiele der Mitarbeiter ausgesetzt oder zumindest abgeschwächt. Damit werden in den Diskussionen leichter unterschiedliche Perspektiven auf die anstehenden Entscheidungen deutlich.
Experimente sind möglich und erwünscht
Die Simulation und die in ihr angelegte Dynamik erlauben es auch, dass man etwas ausprobieren kann. Beispielsweise eine Strategie, die vielleicht im echten Unternehmen als Tabu gilt. Die Gefahr des Tabubruchs, wie auch des Scheiterns, ist im geschützten Kontext der Simulation minimiert beziehungsweise sogar erwünscht. Damit ergibt sich die Möglichkeit, einfach etwas auszuprobieren und sich darüber auszutauschen, unter welchen Prämissen eine – ansonsten in der Realität undenkbare – Strategie umsetzbar wäre.
Ein weiterer Vorteil ist, dass die Simulationen ermöglichen, bereits im Vorfeld verschiedene Rahmenbedingungen an die Anliegen des Unternehmens anzupassen. Es gibt viele Möglichkeiten, wie die Spielregeln mit den Fragestellungen der Firma verheiratet werden können.
Den größten Hebel für neue Erkenntnisse und neue Perspektiven stellen die notwendigen Debriefings und Transferphasen dar. Diese können auf sehr unterschiedliche Art und Weise gestaltet werden, wie beispielsweise über Case-Studies oder Break-Out Gruppen. Sie sind es letztlich, die den größten Nutzen für die Übertragung von Überlegungen und Erfahrungen aus dem Kontext der Simulation auf die reale Organisation bieten.
Die Vermittlung von Wissen wird vereinfacht
Serious Games sind so wirkungsvoll, weil sie sehr gut definierte Objekte mit einfachen Regeln aus der Realität von Unternehmen nutzen und abbilden. Dabei werden die Inhalte und Regeln schrittweise eingeführt. Somit können sich die Teilnehmer auf die notwendigen und wichtigen Informationen konzentrieren, um ihre Entscheidungen im Team zu treffen. Sie erleben die Konsequenzen dieser Entscheidungen und ihres Handelns unmittelbar. So können bei komplexen Simulationen in 1 bis 2 Tagen bis zu 7 bis 10 Geschäftsjahre im direkten Wettbewerb zu weiteren Teams gespielt werden.
Für die Teilnehmer bedeutet dies:
- Sie treffen Geschäftsentscheidungen und setzen Prioritäten mit begrenzten Ressourcen
- Sie erhalten sofortiges Feedback zu den Konsequenzen und Auswirkungen ihrer Aktionen
- Sie erfassen eine komplexe Realität Schritt für Schritt; Komplexität wird im Laufe der Zeit gesteigert
- Sie diskutieren und lernen mit anderen aus ihrem Unternehmen
- Sie ermöglichen eine gemeinsame Sprache, die zu einem stärkeren gemeinsamen Verständnis führt
Die Wettbewerbselemente sorgen zusätzlich für Energie und Engagement und steigern die Motivation.
Serious Games sind kein Allheilmittel
Um die Vorteile von Simulationen zu nutzen, ist es wichtig, dass sie nicht als Instrument angesehen werden, das automatisch Problemlösungen erzeugt. Auch sind Serious Games, die den Fokus auf das Erfahren und Lernen von Zusammenhängen legen, kein Allheilmittel.
Die Wirkung und den größten Nutzen erzielt man immer dann, wenn man im Vorfeld über die Zielsetzung diskutiert und die Transferelemente festlegt. Richtig angewandt erlauben es Serious Games, in einem geschützten Raum zu experimentieren und die daraus gewonnenen Erkenntnisse auf das aktuelle Unternehmen zu übertragen. Durch das spielerische Element gelingt dieser Wissenstransfer besonders nachhaltig.