PräsentierenLampenfieber muss nicht sein
Nach meiner Erfahrung verspüren ungefähr 97 Prozent der Menschen Angst und Nervosität vor Präsentationen. Das ist zunächst ein normaler Prozess. Da wir uns alleine einer großen Gruppe ausgesetzt wahrnehmen, empfindet das Unterbewusstsein das als potenzielle Gefahr. Die Reaktion darauf ist Ausschüttung von Adrenalin, das dafür sorgt, dass wir sofort zusätzliche Kraftreserven nutzen können. Eine Art Doping für die Arme und Beine für Angriff oder Flucht. Leider dopt es nicht die Gedanken – im Gegenteil, da ist gerade besonders wenig Konzentration, Kreativität und Gedächtnisleistung möglich. Nicht das Einzige, das uns in dieser Situation schlechter Wirken und Denken lässt.
Wenn Lampenfieber sichtbar wird
Das Adrenalin sorgt für Bewegungsdrang, der Hauptgrund für spielende Finger, unruhigen Stand oder andere sichtbare Zeichen von Nervosität. Auf keinen Fall sollten Sie nun einen Stift in die Hand nehmen. Das soll ja schon zur Beruhigung empfohlen worden sein. Doch was passiert dann? Sie werden mit diesem Stift spielen, womöglich Geräusche machen und ihn als verlängerten Oberlehrerfinger oder eine Art Waffe gegen Ihr Publikum einsetzen. Ein Stift ist die schlechteste Möglichkeit, sicher zu wirken. Die Lösung muss im Inneren ansetzen.
Wobei eine grundsätzliche Frage ist, ob Nervosität und Unsicherheit fürs Publikum sichtbar sein dürfen. Die salomonische Antwort: Das kommt darauf an. Wenn ein Praktikant oder junger Mitarbeiter präsentiert, erwartet keiner Perfektion und jeder wird mitfühlen können, wenn er oder sie nervös ist. 97 Prozent kennen dies schließlich aus eigener leidvoller Erfahrung. Wenn der Vorstand eines Dax-Unternehmens bei der Verkündung des Geschäftsergebnisses Anzeichen von Unsicherheit zeigt, beeinflusst dies womöglich den Unternehmenswert an der Börse. Irgendwo dazwischen liegt die Wahrheit in Ihrem Fall. Wie viel Unsicherheit dürfen Sie in Ihrer Position, womöglich als Repräsentant Ihres Unternehmens gegenüber dem Kunden, zeigen? Denn wer lässt sich von jemandem überzeugen, der selbst unsicher wirkt? In den meisten Fällen brauchen Sie also Methoden, die Sie sicher wirken lassen.
Wann haben Sie Lampenfieber?
Analysieren wir Lampenfieber danach, wann es entsteht, sind es vier Situationen. Kaum jemand – oder sogar niemand – hat Lampenfieber während seiner ganzen Präsentation. Diese vier Situationen sind:
- Lange vor der Präsentation, beispielsweise in dem Moment, in dem Sie erfahren, dass Sie präsentieren sollen. Dieses Lampenfieber lässt Sie nicht unsicher wirken, es zeigt sich ja lange bevor Sie vor Publikum stehen. Trotzdem ist es meines Erachtens das Gefährlichste. Denn dieses Lampenfieber führt dazu, jemand anderen vorzuschicken, der dann auch die Lorbeeren ernten wird. Insofern ist es karriereschädigend, denn nur wer präsentiert, zeigt seine Kompetenz. Wer es dagegen vermeidet, kann nicht zeigen, was er drauf hat.
- Kurz vor der Präsentation. Das ist oft sehr heftig, weil Sie noch Zeit haben, sich mit sich selbst und Ihren Gefühlen zu beschäftigen. Doch auch das wird niemand sehen, es ist also unangenehm, aber auch nicht schädlich.
- Die ersten Sekunden oder Minuten auf der Bühne. Die Zeitspanne ist bei jedem unterschiedlich, doch Tatsache ist, dass das Adrenalin und damit die Nervosität langsam nachlässt. Jetzt kommt es jedoch schon darauf an, denn gerade in den ersten Momenten bildet sich das Publikum eine Meinung über Sie. Wirken Sie nervös, kratzt das an Ihrer Kompetenz und Überzeugungskraft. Hier muss eine Lösung her.
- In Momenten während der Präsentation, in denen etwas Unvorhergesehenes passiert: Sie haben einen Texthänger, eine unangenehme Frage wird gestellt, die Technik versagt oder dergleichen. Das kann natürlich auch mehrmals während der Präsentation auftreten. Auch hierfür brauchen Sie eine Lösung, denn die souveräne Reaktion auf derartige Situationen beeindruckt nicht nur das Publikum, es erzeugt auch ein nachhaltig positives Image von Ihnen.
Atmung ist ein Schlüssel bei Nervosität
Es gibt tatsächlich eine Menge Möglichkeiten, Lampenfieber in Griff zu bekommen. Einige davon haben zurecht mit Atmung zu tun. Denn sobald wir nervös sind, verändert sich meistens die Atmung: Wir atmen nur noch im oberen Brustbereich, oft sehr flach und kurz. Die Folge ist Sauerstoffmangel, der die Anspannung und Nervosität auch noch unterstützt und Luftmangel, der auch noch das Sprechen negativ beeinflusst.
Deshalb ist eine gute, tiefe Atmung aus dem Bauchraum sehr wichtig. Wenn Sie es schaffen, bewusst die Atmung wieder nach unten zu bekommen, senkt dies tatsächlich den Stresspegel. Meine Empfehlung lautet deshalb: stellen Sie sich zu Beginn Ihrer Präsentation vors Publikum und atmen Sie erst einige Male tief. Diese Zeit nehmen Sie sich einfach. Ein weiterer Vorteil, diese Sekunden zu warten, ist ohnehin, dass das Publikum die Zeit hat, ruhig zu werden, sich auf Sie einzustellen. Und die Spannung für Ihre ersten Worte steigt obendrein. Wenn Sie Atemtechniken aus Yoga, autogenem Training, Tai Chi etc. kennen, dann nutzen Sie diese.
Sie definieren die Definition
Eine ganz andere Methode verwenden viele Schauspieler. Dazu beobachten Sie sich bitte selbst: Was genau nehmen Sie in diesen Momenten wahr? Spüren Sie bitte in Ihren Körper und erinnern Sie sich an alles, was Sie da wahrnehmen können. Mal ist es ein Grummeln im Magen, eine trockene Kehle, Schweiß am Rücken und den Händen, Zittern, Tunnelblick, Druck im Brustbereich usw.
Was genau ist es bei Ihnen? Denn das fühlt sich nicht bei jedem gleich an. Jeder hat andere Symptome. Wenn Sie das genau ergründet haben, dann fragen Sie sich, wie Sie darauf kommen, dass dies Lampenfieber sei und warum das alles so schlimm ist. Denn: Wer gibt denn diesen Symptomen die Bedeutung, die sie haben? Ganz klar Sie selbst! Also ist es doch Ihre eigene Freiheit, diesen Symptomen oder dem Lampenfieber selbst eine andere Bedeutung zu geben. Viele Schauspieler sagen beispielsweise: „Gut dass ich Lampenfieber habe, das sorgt dafür, dass ich leistungsstark und gut bin.“ Ist doch eine viel bessere Definition, als zu sagen: „Ich kann nicht gut präsentieren, ich habe zu viel Lampenfieber.“
Die Bedeutung der Symptome zu ändern liegt an Ihnen. Es klappt vielleicht nicht immer gleich beim ersten Mal. Bleiben Sie hartnäckig dran! Was soll Ihre Definition sein? „Ach, ich habe feuchte Hände? Gut, dann trockne ich sie halt ab!“ „Dieser Druck im Brustbereich ist wieder da! Danke, Körper, dass Du mich ans richtige Atmen erinnerst!“ Oder: „Ach sieh an, meine Knie zittern wieder mal. Woher das nur immer kommt?“ Sie müssen Symptomen keine Bedeutung beimessen, oder Sie geben ihnen eine positive. Es steht Ihnen frei. Und im Laufe der Zeit werden Sie damit gut leben können.
Es gibt weit mehr als ein Dutzend anderer Methoden, um Lampenfieber auf ein erträgliches Maß zu reduzieren oder besser damit umzugehen. Denn jeder Mensch ist anders und jeder braucht eine andere Methode. Doch was Sie nicht konsequent probiert haben, von dem können Sie auch nicht wissen, ob es Ihnen hilft. Manchmal ist auch eine tiefere Coaching-Arbeit nötig, denn bei besonders starker Bühnenangst kann auch eine mentale Prägung vorliegen, der nicht mehr mit normalen Lampenfieber-Techniken beizukommen ist. Was immer der richtige Weg für Sie ist: Lampenfiber muss nicht sein!