ProduktentwicklungKunden online integrieren
„Made in Germany“ gilt weltweit als Gütesiegel für die Entwicklung technisch ausgereifter Produkte. Nicht selten werden dabei neue Produktideen in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung konzipiert und den späteren Nutzern erst beim Launch präsentiert. Je weiter sich der Produktentwicklungsprozess (PEP) von der Idee hin zur Markteinführung bewegt, desto drastischer wirken sich Fehlinvestitionen aus.
Kundenintegration führt häufig zu disruptiven Innovationen
Unternehmen können also Zeit und Geld sparen, wenn sie Endnutzer am Entwickeln neuer Produkte beteiligen, um so Flops frühzeitig zu verhindern. Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Vor allem in frühen Phasen des PEP, dem sogenannten „Fuzzy Front End of Innovation“, kann die Kundenintegration häufig zu disruptiven Innovationen führen – jene Innovationen, die den bestehenden Markt revolutionieren. Diese Idee ist nicht neu, jedoch wird das Internet als Medium zur Kundenintegration bislang nur von wenigen Firmen genutzt.
Disruptive Innovation
Eine disruptive Innovation ist ein Prozess, der in einer kleinen, unscheinbaren Nische einer Branche beginnt. Auf der Grundlage einer neuen Technologie oder eines neuartigen Geschäftsmodells werden Produkte oder Dienstleistungen entwickelt, die zunächst nur einen kleinen Teil von Kunden ansprechen. Dann gewinnt dieses Angebot an Fahrt, wird zu einem dominierenden Marktfaktor und verdrängt am Ende viele etablierte Unternehmen und ihre Produkte.
Im Folgenden werden fünf Möglichkeiten zur Kundenintegration, die das Internet bietet, vorgestellt und ihre jeweiligen Einsatzmöglichkeiten erläutert. Der Grad der Kundeneinbindung wächst dabei mit jeder Methode – von reiner Beobachtung über punktuelle Befragungen hin zu einem kontinuierlichen Dialog. Abschließend werden Ansatzpunkte aufgezeigt, die Unternehmen bei der Auswahl der passenden Methode heranziehen können.
Die fünf Methoden lassen sich im klassischen PEP in unterschiedlichen Phasen verorten. Der PEP stellt den gesamten Prozess dar, den es bedarf, um ein neues Produkt auf den Markt zu bringen – von der Ideengenerierung hin zu Launch und Vermarktung. Er besteht im Wesentlichen aus fünf Phasen: Discover, Define, Design, Develop und Deliver. In den ersten beiden Phasen werden neue Ideen gesammelt, bewertet und die potenzialreichsten als Produktkonzepte weitergereicht. Häufig werden diese beiden Phasen auch als „Fuzzy Front End“ (schwammiger erster Teil) zusammengefasst, da sie weniger greifbar sind und sich nicht so präzise wie andere Prozesse im Unternehmen steuern lassen. Gute Ideen lassen sich nicht auf Knopfdruck generieren, daher ist gerade in dieser Phase die Kundenintegration besonders wichtig. In den weiteren Phasen werden Prototypen designt, entwickelt und getestet, bis sie dann letztlich am Markt eingeführt werden.
Kundenintegration über Netnographie
Die Netnographie ist eine Recherche-Methode, bei der Blogs, Webseiten, und Online-Foren observiert werden. Mithilfe dieser Technik können Unternehmen explizit formulierte sowie implizit vorhandene Bedürfnisse, Erfahrungen und Einstellungen von Verwendern eines bestimmten Produktes beziehungsweise einer Produktkategorie untersuchen. Dadurch kann das Unternehmen frühzeitig Trends aufdecken, die essenziell bei der Konzeption neuer Produktideen sind.
Dabei ist es wichtig, im Vorhinein die richtigen Online-Quellen zu identifizieren und zu selektieren. Während der Beobachtung können spezialisierte Software-Programme die Datenerhebung und -interpretation vereinfachen.
Kundenintegration über Crowdsourcing
Beim Crowdsourcing handelt es sich um virtuelle Plattformen, auf denen Teilnehmer ihre Ideen zu spezifischen Problemstellungen teilen können. Unternehmen können öffentliche Crowdsourcing-Plattformen nutzen, um dort ihre Innovationsaufgaben zu posten und somit der Öffentlichkeit zugängig zu machen. Nutzer dieser Plattformen können dann wiederum ihre Ideen einreichen. Nachdem das Unternehmen die vorgestellten Ideen bewertet hat, erwartet die beste Einsendung beziehungsweise die besten Einsendungen eine vorher festgelegte, zumeist monetäre Entlohnung.
Neben der Ideengeneration für ein neues Produkt, können Unternehmen die Plattform für unterschiedlichste Fragestellungen nutzen – von kreativen Lösungen für ein technisches Problem, über neue Anwendungsmöglichkeiten für ein bestehendes Produkt bis hin zu kreativen Marketingkampagnen.
Kundenintegration über Suggestion Box
Ähnlich wie beim Crowdsourcing handelt es sich bei der Suggestion Box um eine virtuelle Methode, bei der Konsumenten ihre Ideen zu diversen Themen beisteuern können. Anders als beim Crowdsourcing befinden sich die Suggestion Boxes aber in der Regel auf der eigenen Firmen-Webseite. Sie sind entweder allgemeiner Natur und regen dazu an, jegliche Art von Empfehlung beizutragen, oder sie befassen sich mit einem bestimmten Thema.
Weiterhin unterscheiden sie sich in der Dauer der Nutzung: So können sie als dauerhaftes Werkzeug oder auch nur für temporäre Aktionen genutzt werden. Zudem lässt sich die Suggestion Box interaktiv gestalten und damit Kunden die Möglichkeit geben, andere Ideen zu bewerten. Das erhöht nicht nur die Kundenbindung, sondern erleichtert es dem Unternehmen auch, die erfolgversprechendsten Ideen zu erkennen.
Kundenintegration über Customer Advisory Panel
Beim Customer Advisory Panel handelt es sich um eine virtuelle „Brand Community“, die das Unternehmen nutzen kann, um auf systematische Weise während des gesamten Entwicklungsprozesses eines neuen Produktes Feedback zu erhalten. Die grundlegende Idee hierbei: Das Unternehmen richtet den Marketingprozess nicht mehr unilateral auf den Kunden, sondern gestaltet diesen mit ihm gemeinsam. So wird der Kunde nicht nur in die Tätigkeit des Unternehmens involviert, sondern erhält auch ein Mitspracherecht an ausgewählten Punkten des PEP. Das Unternehmen kann die Teilnehmer des Panels regelmäßig zu Online-Umfragen einladen und ihnen wichtige Entscheidungen überlassen – vom neuen Produktkonzept über Design Features bis hin zu viralen Marketingkampagnen.
Kundenintegration über Online Community
Online Communities sind Plattformen, die Nutzer mit gemeinsamen Interessen zusammenbringen. Sie bestehen zumeist aus redaktionellen und nutzer-generierten Beiträgen und zeichnen sich durch einen hohen Grad an Interaktivität aus. Den Unternehmen bieten Online Communities viele Anwendungsmöglichkeiten: Sie können beispielsweise bestehende Communities im Sinne der Netnographie nutzen und nach neuen Produktideen durchforsten. Unternehmen können auch einen Schritt weiter gehen und eine eigene Community erschaffen. Das erlaubt ihnen nicht nur den generierten Content zu bestimmen, sondern schafft auch einen Ausgangspunkt für weitere Methoden zur Kundenintegration.
Eine eigene Online Community kann dem Unternehmen durch das hohe Maß an Kundenintegration und -bindung einen entscheidenden Innovationsvorsprung vor der Konkurrenz bieten. Allerdings nur, wenn die Community über zahlreiche aktive Nutzer verfügt – und das lässt sich nur schwer beeinflussen.
Fazit
Neben den vorgestellten Methoden gibt es viele weitere Möglichkeiten, online und offline. Jedes Unternehmen hat unterschiedliche Ressourcen und Bedürfnisse sowie eine eigene Kultur. Um sich für die richtige Methode zu entscheiden, empfiehlt es sich daher in drei Schritten vorzugehen:
- Ziele der Kundenintegration klar definieren
- Kunden kontinuierlich entlang des gesamten PEP oder selektiv an ausgewählten Stellen integrieren
- Überprüfung der Methoden mit Hinblick auf ihren Unternehmens-Fit nach finanziellen und kulturellen Gesichtspunkten