ProjektchaosRegeln brechen und Projekte retten

Wenn Projekte in unruhiges Fahrwasser geraten oder aus dem Ruder laufen, helfen starre Projektregeln mitunter nicht weiter. Projektleiter müssen dann auch Regeln brechen, um das Projekchaos in den Griff zu bekommen.

Kaum ein Projekt läuft so, wie es zu Beginn einmal geplant war. Im Projektverlauf gibt es immer irgendwelche Änderungen, die den ursprünglichen Plan über den Haufen werfen – oder zumindest eine Anpassung erforderlich machen. Mit dieser Unsicherheit und Dynamik müssen alle im Projekt Beteiligten zurechtkommen.

Manchmal aber gewinnen diese Faktoren derart die Oberhand, dass das gesamte Vorhaben aus dem Ruder läuft. Chaos wird zum Projektalltag. Für die Projekt-Manager heißt das Stress. Und obwohl nicht immer sie dafür die Verantwortung tragen, wird von ihnen dennoch erwartet, das aus dem Ruder gelaufene Projekt wieder in den Griff zu bekommen.

Probleme während des Projektverlaufs

Viele Projekte laufen aus dem Ruder, weil die Ziele nicht klar festgelegt werden. Der Auftraggeber und der Projektleiter stimmen sich nicht richtig ab, worum es im Projekt eigentlich gehen soll. Im weiteren Projektverlauf muss dann nachgebessert werden. Problematisch ist dabei vor allem:

  • Der Auftraggeber hat selbst keine klaren Vorstellungen über die Projektziele und die Messung des Projekterfolgs.
  • Die Abstimmung mit dem Projektleiter ist mangelhaft.
  • Der Projektleiter interpretiert die Zielvorgaben falsch und setzt andere Prioritäten.
  • Während des Projekts ändern sich die Zielvorgaben.
  • Andere Interessengruppen mischen sie sich ein und wollen die Ziele – durch Ausübung von Druck auf den Projektleiter – ebenfalls ändern.
  • Veränderungen im Umfeld des Projekts verhindern das Erreichen der ursprünglichen Ziele.

Ein weiterer wichtiger Problembereich: mangelnde Erfahrung. Bei Projekten wird immer Neuland betreten und niemand kann genau sagen, wie das Projektteam vorankommt, wo Stolperfallen liegen und wie man damit umgeht. Dieses fehlende Wissen zeigt sich in folgenden Konstellationen:

  • Unrealistische Zeitpläne
  • Projektleiter und Projektmitarbeiter schätzen den Arbeitsaufwand falsch ein
  • Budgets sind zu knapp kalkuliert
  • Komplexität des Projekts wird unterschätzt

Projektleiter unterschätzen oft den Abstimmungsbedarf

Nur wer schon viele Projekte gemanagt hat, weiß um diese Probleme und plant von vornherein die notwendigen Puffer ein. Von diesem Erfahrungswissen profitieren aber zu wenige, vor allem junge Kollegen. Sowohl als Auftraggeber als auch als Projektleiter wollen sie sich selbst beweisen – und tappen dann in diese typischen Projektfallen. Hinzu kommt: Nur wenige Unternehmen betreiben ein aktives Wissensmanagement rund um ihre Projekte. Schließlich achtet der Projektleiter zu wenig auf die Details. Die Feinplanung ist nicht sorgfältig genug, und die Mitarbeiter wissen nicht, wie sie eine Aufgabe lösen sollen. Die Gefahr: Alles muss noch einmal auf Anfang gesetzt werden.

Der Projektleiter unterschätzt häufig auch den Kommunikations- und Abstimmungsbedarf mit seinen Projektmitarbeitern, mit dem Auftraggeber und dem Lenkungskreis. Oft kommen sich auch mehrere Projekte in die Quere. Wenn die übergeordnete Managementebene dann kein Projektportfolio-Management beziehungsweise Multiprojekt-Management betreibt, streiten sich Projektleiter schnell um knappe Ressourcen und um den Arbeitseinsatz einzelner Mitarbeiter.

Werkzeuge für den Umgang mit Problemen im Projekt

Das Projektmanagement hält unterschiedliche Werkzeuge bereit, mit denen sich die Probleme der Unsicherheit, Veränderung und Dynamik bewältigen lassen. Sie gehören zum Standardrepertoire von Projektmanagern:

Meilensteine als Prüftermine

Hier werden Projektergebnisse vorgestellt, die Zielerreichung überprüft und weitere Entscheidungen getroffen.

Risiko-Management

Mögliche Risiken werden benannt und Vorgehensweisen beim Eintreten im Vorfeld geplant (Plan B).

Schrittweises Vorgehen

Alle Beteiligten stellen ihre Ergebnisse immer wieder vor, besprechen sie, vergleichen und führen notwendige Anpassungen durch.

Projektcontrolling

Dabei werden die Projektergebnisse (Qualität), Termineinhaltung, Zeitvorgaben und Kosten anhand von Kennzahlen überprüft. Bei Abweichungen werden die Planung angepasst und Maßnahmen ergriffen.

Doch nicht immer lassen sich auf diese Weise alle Probleme lösen. Im Projekt sind es meist mehrere Ereignisse, aufgrund derer Pläne über den Haufen geworfen werden. Beispiele: Ein Mitarbeiter erkrankt, ein Zulieferteil trifft nicht rechtzeitig ein oder eine Aufgabe für einen Mitarbeiter stellt sich als zu schwierig heraus. Solche Ereignisse oder Situationen können den Projektablauf erheblich stören. Hinzu kommen häufig Zeitdruck oder auch der Start anderer Projekte, für die wichtige Mitarbeiter abgezogen werden. All das kann ein Projekt schnell ins Chaos führen.

Projektleiter müssen flexibel auf Änderungen reagieren

Für alle Eventualitäten einen Plan B zu haben, dürfte in der Praxis schwierig umzusetzen sein. Hier muss abgewogen werden, welche Fälle eintreten können, wie hoch die Wahrscheinlichkeit des Eintretens ist und welche Folgen dies für das Projekt haben kann. Dies ist typisches Risiko-Management im Projekt.

Liegt jedoch kein Plan B vor, weil niemand mit dem Eintreten eines bestimmten Ereignisses oder Zustands rechnen konnte, kommt es auf die Flexibilität des Projektteams und auf die Kompetenz des Projektleiters an, Änderungen richtig zu erfassen und zu kommunizieren. Dafür wiederum braucht er ausreichend Puffer in Bezug auf die Ergebnismerkmale jedes Projekts:

  • Zeitplanung
  • Budget
  • Kostenrahmen
  • Ergebnisqualität

Auftraggeber dürfen diese Puffer nicht als Ressourcen im Projekt verstehen. Sie sind keine Verhandlungsmasse bei der Auftragsklärung, sondern wichtiger Bestandteil des Projekts, um die Ziele zu erreichen! Erfahrene Projektmanager wissen, wie viel Puffer sie in ihrem Projekt brauchen und planen diesen entsprechend ein.

Ist ein hohes Maß an Flexibilität gefragt, gewinnen bestimmte Instrumente des Projektmanagements eine neue Bedeutung. Das Balkendiagramm (Gantt-Chart) etwa ist im Falle eines chaotischen Projektverlaufs als Instrument für die Zeitplanung nur bedingt geeignet. Es zeigt lediglich, was in der letzten Woche passiert ist und welche Ergebnisse sich der Projektleiter für die laufende Woche wünscht.

Wann Regeln im Projekt gebrochen werden müssen

Die Berater und Experten für Projektmanagement, Stephan Hock und Anette Gerboth, weisen in ihrem Beitrag „Professionell reagieren in Ausnahmesituationen - Regeln für den Regelbruch“ in der Fachzeitschrift „Projektmagazin“ darauf hin, dass bei aus dem Ruder laufenden Projekten viele Regeln des Projektmanagements gebrochen werden müssen. Das starre Regelwerk mit klaren Kompetenzzuweisungen und Abläufen erweist sich dann als Fessel, die es abzustreifen gilt, wenn das Projekt insgesamt gefährdet ist oder ein wichtiges Unternehmensziel gerade deshalb nicht erreicht werden kann. Doch auch für den Regelbruch sind Regeln notwendig:

Zulässigkeit des Regelbruchs

Es muss geklärt werden, wann der Regelbruch zulässig ist. Das Management oder ein Aufsichtsgremium für das Projektportfolio stellt fest, wann ein Projekt nicht mehr mit den normalen Regeln bewältigt werden kann. Es erklärt den Ausnahmezustand und überträgt dem Projektleiter erweiterte Kompetenzen.

Art der zu brechenden Regeln

Es muss festgelegt werden, welche Regeln gebrochen werden können und welche nicht. Tabu sind gesetzliche Vorgaben und Compliance-Vorschriften. Wenn unbedingt nötig, können einzelne Regeln für die Qualitätssicherung (Tests) oder Freigabe für die nächsten Schritte gebrochen werden. Unproblematisch ist es, Regeln für die Durchführung, das Berichtswesen oder die Freigabe und Nutzung von Ressourcen zu brechen.

Entscheidung des Projektleiters

Der Projektleiter entscheidet, wann er welche Regeln brechen darf und kann auch dafür sorgen, dass das etablierte Regelsystem am Ende wieder gilt.

Einbindung des Managements

Das Management und der Lenkungsausschuss müssen Ausnahmeprojekte aktiv unterstützen. Sie müssen Ansprechpartner für Fragen sein, dem Projektleiter Entscheidungsmacht übertragen und entsprechend flexibel reagieren.

Oft passiert in Projekten aber das genaue Gegenteil: Wenn Zeitpläne Makulatur werden und das Budget schon völlig ausgeschöpft ist, dann verstärken die Überwachungsgremien – also Auftraggeber und Lenkungskreis – ihren formalen Druck auf das Projektteam. Sie achten noch stärker auf die Einhaltung aller formalen Regeln. Der Projektleiter wird in seinen Entscheidungsbefugnissen beschnitten, muss häufiger Bericht erstatten und sich ständig rechtfertigen. Die Folge: Die notwendige Flexibilität zur Problemlösung bleibt auf der Strecke.

Checkliste

So gehen Projektleiter bei chaotischem Projektverlauf vor

  • Überprüfen, ob die Projektvision und die Ziele noch gelten
  • Veränderungen und neue Anforderungen festhalten
  • Alle Projektbeteiligten (Lenkungskreis, Auftraggeber, Projektmitarbeiter, Stakeholder) ausführlich und regelmäßig über Veränderungen informieren
  • Sich auf neue Aufgaben, Zeitverzögerungen und Budgetüberschreitungen einstellen
  • Beobachtungen festhalten und den Ursachen nachgehen
  • Fortschritt des Projekts überwachen und eventuelle Planabweichungen erfassen
  • Plan sofort wieder anpassen
  • Voraussetzungen klären, damit das Projekt wieder „normal“ läuft
  • Projektmitarbeiter um zusätzliches Engagement bitten oder weitere Kräfte hinzuziehen

Dazu im Management-Handbuch

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