ProjektmanagementWas Projekte in China herausfordernd macht
China hat auch in den nächsten Jahrzehnten immer noch genügend Marktentwicklungspotenzial. Also gehen Unternehmen mit Produktion und ihrem Vertrieb zunehmend dorthin, um lukrative Projekte umzusetzen. Dafür brauchen sie geeignete Projektleiter. Für nicht-chinesische Projektleiter ist es eine große Herausforderung, mit einem internationalen Team in China zu arbeiten und erfolgreich zu sein. Gründe:
- Projektleiter müssen das Projektziel mit begrenztem Budget zu einem vorgegebenen Termin erreichen.
- Projektleiter verantworten in einer Art „Sandwich-Position“ einerseits die Zielerreichung gegenüber ihrem Auftraggeber, andererseits steuern sie ein – oft global verteiltes – Team internationaler Zusammensetzung ohne direkte Personalverantwortung.
- Projektleiter müssen mit chinesischen Lieferanten, Kunden und Behörden verhandeln.
Wer Projekte hierzulande mit großem Erfolg abgewickelt hat, muss in China nicht unbedingt wieder genauso erfolgreich sein. Die zielstrebige, geradlinige, sachorientierte und überwiegend kollegiale Arbeitsweise, die wir kennen, trifft in China auf ein schrittweises, umschweifiges, beziehungsorientiertes und an Hierarchie gebundenes Vorgehen. Wer darauf nicht ausreichend vorbereitet ist und damit nicht umgehen kann, wird mit Missverständnissen und Konflikten konfrontiert, die für den Projekterfolg äußerst kritisch sein können.
Erfolgsrezept Kulturmanagement
Für den Projekterfolg in China sind drei Faktoren unentbehrlich: Professionalität, Beziehungen und Vertrauen sowie ein kulturelles Verständnis für die Andersartigkeit. Diese drei Faktoren müssen schon bei der Projektplanung einbezogen werden, sonst ergeben sich unweigerlich Abweichungen und Konflikte bei der späteren Durchführung.
Durch eine globale Herangehensweise lassen sich diese Schwierigkeiten vermeiden. Globales Projektmanagement besteht nämlich zum einen aus den üblichen Standards und Werkzeugen, zum anderen aus den besonderen Instrumenten des Kulturmanagements:
- Globale Teamführung
- Beziehungsmanagement
- Kommunikation und Verständigung
- Landesspezifische Arbeitsmethoden
In chinesischen Teams gibt es informelle Teamsprecher
Bei der internen Rollenverteilung spielen in chinesischen Teams nicht nur die fachliche Kompetenz eine Rolle, sondern auch die Betriebszugehörigkeit, das Alter und eine eventuell bestehende Freundschaftsbeziehung. Wenn diese Parameter nicht beachtet werden, kann das zu unterschwelligen Spannungen und zu Ineffizienz führen. Es spielt zum Beispiel eine Rolle, in welcher Reihenfolge bestimmte Teammitglieder wichtige Informationen erhalten.
Außerdem gibt es in chinesischen Teams informelle Teamsprecher, die ein Sub-Team hinter sich haben. Wird das nicht berücksichtigt, leiden die Kooperationsbereitschaft und die Ergebnisse.
Zu Beginn des Projekts Beziehungen aufbauen
Bevor die fachliche Arbeit beginnen kann, muss zunächst eine gute Beziehung unter den Teammitgliedern und mit dem Projektleiter hergestellt werden, die Vertrauen aufbaut. Das passiert, wenn jeder etwas über sich preisgibt. Erfahrungsgemäß kann das gefördert werden, indem sich alle am Projekt Beteiigten in einem Workshop auf spielerische Art und Weise kennenlernen. Es geht um den Aufbau eines Wir-Gefühls.
Auch im laufenden Projekt sollte stets Zeit für Smalltalk oder einen persönlichen Austausch bleiben. Chinesen lassen sich leicht motivieren, wenn die zwischenmenschlichen Kontakte gepflegt werden. Daraus entstehen Loyalität und Zuverlässigkeit.
Gute Beziehungen sind aber auch zu allen anderen wichtigen internen und externen chinesischen Prozesspartnern nötig. Dafür muss entsprechend Gelegenheit geschaffen und entsprechend Zeit einkalkuliert werden. Ein global agierender Projektleiter braucht eine interkulturelle systemische Grundhaltung. Damit verbunden sind:
- Wertschätzung der Bedürfnisse, Gefühle, Interessen und Werte der chinesischen Geschäfts- beziehungsweise Prozesspartner und ihrer Kultur.
- Interesse und Neugierde, was man von ihnen lernen kann.
Klare Regeln aufstellen und bekanntgeben
Zu Projektbeginn empfiehlt es sich, klare Regeln für das Miteinander bekanntzugeben. Darin sollten Erwartungen an die Arbeitsweise und Arbeitsdisziplin enthalten sein, wie zum Beispiel Besprechungsabläufe, Informationsweitergabe, Termintreue und Qualität. Jedem Teammitglied sollten die Regeln schriftlich vorliegen. Möglich ist das zum Beispiel als Protokoll des Kick-off-Meetings.
Komplexe Sachverhalte werden am besten in kleinen, einfachen Einheiten erklärt. Durch Nachfragen kann sichergestellt werden, ob alles richtig verstanden wurde. Wenn durch den Projektleiter kollegiale Unterstützung besonders auch in kleinen Dingen angeboten wird, ist für chinesische Teammitglieder die Schwelle geringer, um ihm Zielabweichungen im Projekt zu melden statt diese auszusitzen.
Schwelende Konflikte frühzeitig erkennen
Ein Projektleiter in China benötigt Empathie und muss aufkommende Konflikte früh erkennen. Dann ist er in der Lage, in dem Bewusstsein der kulturellen Hintergründe durch feinfühlige Kommunikation die Weichen richtig zu stellen und Spannungen abzubauen. Schwelende Konflikte im Projekt würden zu Verzögerungen führen und den Erfolg gefährden.
Im Konfliktfall empfiehlt sich die „gewaltfreie Kommunikation“ nach Marshall Rosenberg. Sie ist eine passende Möglichkeit, unterschiedliche Wahrnehmungen von Situationen zum Ausdruck zu bringen und einen deutlichen Appell an den chinesischen Konfliktpartner auszusprechen, ohne ihn dabei zu brüskieren. Dies geschieht argumentativ in vier Schritten:
- Was wird als problematisch empfunden?
- Welches Befinden ist damit verbunden?
- Welches ist das gemeinsame Bedürfnis?
- Was wird daher vom Konfliktpartner erwartet?
Chinesen tauschen Informationen oft informell aus
Chinesen arbeiten eher spontan und ungleichmäßig. Deshalb sollte eine regelmäßige Abstimmung zum aktuellen Arbeitsstand durchgeführt werden. Manche Chinesen arbeiten auch eher schnell als qualitativ gründlich. Insofern ist es wichtig, das gewünschte Qualitätsverständnis genau abzusprechen. Auch die Dokumentation ist in China weniger üblich. Ist diese aber für eine bestimmte Aufgabe erforderlich, sollte anhand von erfolgreichen Beispielen Überzeugungsarbeit geleistet werden, damit der Nutzen erkannt und akzeptiert wird.
Neben der offiziellen Berichterstattung gibt es in chinesischen Unternehmen auch eine informelle. Diese Form des Informationsaustauschs hat einen sehr hohen Stellenwert. So kann durch eine Vorabverständigung der Gesprächsverlauf eines offiziellen Meetings reibungsloser gestaltet werden. Wenn parallel zu einer offiziellen Besprechung zum Beispiel bei einem Kaffee Vier-Augen-Gespräche geführt werden, können die dabei gewonnen Informationen zum Erfolg der Besprechung beitragen. Da einflussreiche Chinesen oft im Hintergrund bleiben, müssen alle Indizien zur Einschätzung der individuellen Entscheidungskompetenz genutzt werden: Wer führt das Gespräch? Mit wem halten Chinesen Blickkontakt? Wem erstatten sie außerdem Bericht?
Die persönliche Stellung ist auch bei der Vermittlung von Informationen wichtig. Wer zuerst in bestimmte Sachverhalte eingeweiht wird, der genießt in China besondere Wertschätzung. Ein E-Mail-Verteiler kann viel über die Bedeutung des inhaltlichen Sachverhalts aussagen. Im Problemfall werden nicht nur der Vorgesetzte, sondern auch alle betroffenen Abteilungen informiert. Der E-Mail-Verteiler bedeutet in diesem Falle „Alarm“.
Fazit
Projektleiter ohne Erfahrung in China benötigen für ihre Aufgabe eine intensive Vorbereitung auf die interkulturellen Besonderheiten. Nur dann sind sie in der Lage, souverän zu handeln, erfolgreich zu sein und schließlich Zufriedenheit zu erlangen.