RecruitingAgile Methoden beim Bewerberinterview
Agile Ansätze im Einstellungsprozess bieten Vorteile sowohl für das Unternehmen als auch für die Bewerber. Doch wie lassen sich agile Methoden im Recruitment-Prozess anwenden? Vier Prinzipien sollten dabei den Einstellungsprozess begleiten: So ist es beispielsweise notwendig, sich auf Augenhöhe zu begegnen, damit beide Seiten voneinander lernen können. Durch die Integration spielerischer Elemente können defensive Haltungen oder Zurückhaltung auf beiden Seiten reduziert werden, was Menschen authentischer agieren lässt. Wichtig ist zudem, dass Bewerber die Möglichkeit haben, die Menschen kennenzulernen, mit denen sie künftig täglich zusammenarbeiten werden.
1. Begegnung auf Augenhöhe
Ein Gespräch auf Augenhöhe ist nicht nur angenehm für die befragte Person, sondern hilft auch der Organisation, den zukünftigen Angestellten auf authentische Weise kennenzulernen. Es sollte vor allem darauf geachtet werden, dass ein Dialog entsteht. Dann fühlt sich der Interviewte nicht wie in einem Verhör. Hierbei können ausgewählte Tools zu einer interaktiveren Gesprächsführung verhelfen:
- Der Speed-Chat, oftmals als morgendliche Aktivität durchgeführt, ist ein Austausch zwischen den Teilnehmern am Bewerbungsprozess und dem gesamten Team, das eine freie Stelle hat.
- Lean Coffee ist eine strukturierte Vorgehensweise, bei der es keine Agenda vorab gibt. Es werden dabei keine Interviewfragen gestellt, sondern Mitarbeiter der Organisation unterhalten sich mit den Bewerbern über Themen, die sie gerade beschäftigen.
Durch diese Methoden kann herausgefunden werden, ob Gespräche erfolgreich geführt werden können und man voneinander lernen kann. Weitere Vorteile: Typische Bedenken des Kandidaten wie „Hier sollte ich besser mit Bedacht handeln und die erwartete Antwort auf die gestellte Frage geben“ werden vermieden. Außerdem findet ein gegenseitiger Austausch statt.
2. Spielerische Elemente einbauen
Auch spielerische Elemente während der Gespräche machen den Recruiting-Prozess agiler. Für Einstellungsveranstaltungen eignet sich etwa das Spiel „Empathy Toy“. Bei dem Spiel handelt es sich um ein kollaboratives Puzzelspiel mit Bauklötzen. Dadurch werden Zurückhaltung und Abwehrmechanismen auf beiden Seiten abgebaut und die Gesprächsteilnehmer können authentisch agieren.
3. Eine Gemeinschaft aufbauen
Zu Beginn der Veranstaltung sollte die Anzahl der freien Stellen bekanntgegeben werden. Auch wenn die Bewerber am Ende des Tages nicht eingestellt werden, waren sie trotzdem Teil des Prozesses und haben einen wichtigen Beitrag dazu geleistet. Es ist besonders wichtig, dass auch die abgewiesenen Teilnehmer das Unternehmen mit neuen positiven Erfahrungen verlassen.
4. Werte des Unternehmens transparent aufzeigen
Von Mitarbeitern im Team wird erwartet, dass sie Verantwortung übernehmen und Mut haben, Herausforderungen mit Spannung anzunehmen. Genau dieselben Eigenschaften sollten auch die Teilnehmer während einer Einstellungsveranstaltung mitbringen.
Zeigen die eingeladenen Personen eine Ablehnung oder Passivhaltung gegenüber den geforderten Formaten, ist es ein Zeichen für den Recruiter, dass die Person nicht mit ganzem Herzen bei der zukünftigen Arbeit im Unternehmen dabei wäre. Bereits beim Recruiting zeigt sich, ob ein potenzieller Mitarbeiter zu dem Unternehmen passt: Hierbei ist es wichtig Leute einzustellen, die von Beginn an von der Art und Weise überzeugt sind, wie das Unternehmen agiert. Denn diese Bewerber werden auch in Zukunft die Werte und Ziele des Unternehmens voll und ganz vertreten. Bei dem Wandel eines Unternehmens hin zu einer agilen Unternehmenskultur ist dies von besonders großer Bedeutung, um die Transformation langfristig und nachhaltig umzusetzen.
Den Teilnehmern sollte deshalb auch frühzeitig mitgeteilt werden – am besten durch eine freundliche und motivierende E-Mail – dass es sich um eine Gruppenveranstaltung handelt. Darüber hinaus wird auch der Tagesablauf transparent kommuniziert:
- Die Veranstaltung kann beispielsweise in zwei Blöcke aufgeteilt werden: Am Vormittag werden vor allem Gespräche mit Teammitgliedern und am Nachmittag mit dem Recruitment-Team geführt.
- Allerdings wird schon nach dem Vormittagsgespräch entschieden, ob der Teilnehmer überhaupt noch bis zum Nachmittag bleiben darf. Eine Besonderheit ist, dass er auch selbst entscheiden kann, ob er bis zum Nachmittag bleiben möchte oder den Bewerbungsprozess abbricht.
Wie reagieren die Bewerber?
Die oben beschriebenen Methoden sind für manche Bewerber neu. Unbekanntes erzeugt mitunter Angst und Ablehnung. Doch je länger der Tag dauert, desto weniger Hemmungen haben die Bewerber. Das Aufeinandertreffen und Kennenlernen von Gleichgesinnten eliminiert hierbei eine große Unbekannte: Wer sind die anderen Leute, die sich auch für die Stelle interessieren? Bei den meisten Interviews erscheint der Bewerber, gibt sein Bestes, aber all die anderen Dinge drum herum sind unbekannt – insbesondere auch, wer die anderen Kandidaten sind. Wenn alle zusammen vor Ort sind, wird diese Unbekannte geklärt.
Ein Kandidat fasst seine Erfahrungen zu dieser Art des Einstellungsprozesses so zusammen: Er habe den ganzen Tag mit anderen Leuten verbracht, die die gleiche Position anstreben. Durch den Austausch hätte er sehen können, welch großartige Leute sich auch beworben hatten, weshalb er nicht einmal wütend wäre, wenn ein anderer die Stelle bekommen würde.
Was können Unternehmen konkret anwenden?
Im Allgemeinen lassen sich agile Recruitingkonzepte im Unternehmen leicht implementieren. Wenn ein traditionelleres Marketing-Team eine neue Person einstellen will, könnten die oben beschriebenen Abläufe auch getauscht werden. Morgens kann sich der Bewerber mit dem Marketing-Team auf einen Lean Coffee treffen, um dann am Nachmittag mit jedem, mit dem er abteilungsübergreifend interagieren wird, einen Speed Chat abzuhalten. Wichtig ist, dass die Menschen die Möglichkeit haben, die Mitarbeiter kennenzulernen, mit denen sie später zusammenarbeiten würden. Dieser Aspekt kann in nahezu jedem Unternehmen umgesetzt werden.
Eine weitere Schlüsselmaßnahme für einen erfolgreichen Rekrutierungsprozess ist die Überlegung, welche Kompetenzen bei den Kandidaten bereits vorhanden sein müssen und welche noch vermittelt werden können. Bei der Suche nach neuen Mitarbeitern legen die Führungskräfte ihren HR-Teams oft eine Liste mit allen geforderten Fähigkeiten vor. Diese Methode ist sowohl ineffektiv als auch veraltet, da fast kein Kandidat die Einstellungsanforderungen hundertprozentig erfüllen wird. Die Festlegung, welches Wissen im Unternehmen weitergegeben werden kann, hilft dabei, den Auswahlprozess zu beschleunigen und zu erleichtern. Zudem ermöglicht es den Teams, sich darauf zu konzentrieren, Kandidaten mit der richtigen Einstellung zu finden, die schnell zur Kultur und zum Team beitragen, auch wenn sie die erforderlichen Fähigkeiten erst durch ein Schulungsprogramm erlernen müssen.
Fazit
Unternehmen sind zunehmend bestrebt, sich weiterzuentwickeln, um sich an die Veränderungen der Märkte anzupassen, die Effizienz zu verbessern und ein Umfeld zu schaffen, in dem sich die Mitarbeiter gestärkt fühlen. Die Förderung einer agilen, effizienten und flexiblen Kultur beginnt beim Personal – und hier bereits beim Einstellungsprozess und der Auswahl der passenden Mitarbeiter selbst. Dies stellt gerade für Personalfachleute ein sehr spannendes Aufgabengebiet dar, da sie sich in der einzigartigen Position befinden, dem Unternehmen durch das Anwenden eines modernen, agilen Recruitingsystems zu helfen: Von der Einstellung der richtigen Kandidaten, über die Bereitstellung kontinuierlicher und relevanter Schulungen bis hin zur Evaluation des Erfolgs.