ProjektmanagementWelches Reifegradmodell eignet sich für Sie?

Mit Reifegradmodellen bewerten Unternehmen ihre Fähigkeit, Projekte erfolgreich umzusetzen. Welches Reifegradmodell eignet sich für wen? Der Autor stellt sechs verschiedene Reifegradmodelle vor und erläutert die Unterschiede.
Von Prof. Dr. Jörg Friedrich

Was sind Reifegradmodelle?

Mit Reifegradmodellen (engl. Maturity Models) können Unternehmen messen, wie gut sie Projekte durchführen. Dabei wird vor allem geprüft, wie gut Projekte zu den Zielen und Strategien des Unternehmens passen und die Zielerreichung und Strategieumsetzung unterstützen.

Die einzelnen Modelle sind auf unterschiedliche Anwendungsbereiche im Unternehmen, auf spezielle Arten von Projekten oder auf bestimmte Branchen ausgerichtet.

CMMI – an Best Practices orientieren

Das Prozessoptimierungsmodell Capability Maturity Model Integration (CMMI) baut auf Best Practices aus den Bereichen Softwareentwicklung, System Engineering und integrierte Produktentwicklung auf. Es wurde vom Software Engineering Institute in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Unternehmen entwickelt. Ursprünglich aus den USA hat sich die Zertifizierung nach CMMI inzwischen international verbreitet.

Konkret werden beim Prozessoptimierungsmodell CMMI im Rahmen eines Audits die Stärken und Schwächen der Produktentwicklung im Unternehmen analysiert und Optimierungsansätze identifiziert. Der Fokus liegt dementsprechend darauf, den Prozess der Produktentwicklung zu verbessern. CMMI ist zudem eine Auszeichnung für das Unternehmen, die in der Praxis anerkannt wird.  

Das Modell unterscheidet fünf Phasen:

  1. Initial
  2. geführt
  3. definiert
  4. quantitativ geführt
  5. Prozessoptimierung

Im Audit werden unterschiedliche Prozesse bewertet. Dabei liegt der Fokus zunächst auf dem Projekt, verlagert sich dann auf die Organisation und auf die Metrik und liegt letztlich auf kontinuierlicher Verbesserung.

SPICE – Normen als Basis

Einen Schwerpunkt auf die Softwareentwicklung legt das Modell Software Process Improvement and Capability Determination (SPICE), auch bekannt als ISO Norm 15504. Der internationale Standard zur Bewertung von Unternehmensprozessen in der Softwareentwicklung besteht aktuell aus zehn Teilen, wovon die ersten sechs die Norm darstellen und die folgenden vier Ergänzungen beinhalten.

Nach SPICE sind Prozess-Assessments zweidimensional und betrachten einerseits die zu berücksichtigenden Prozesse und andererseits den Befähigungsgrad.

Im ersten Schritt werden die zu untersuchenden Prozesse gekennzeichnet und ausgewählt. Im zweiten Schritt wird die jeweilige Fähigkeit zum Ausführen eines Prozesses bestimmt und bewertet. Ähnlich wie das CMMI kennt SPICE sechs Reifegrade:

  • (0) unvollständig
  • (1) durchgeführt
  • (2) gesteuert
  • (3) etabliert
  • (4) vorhersagbar
  • (5) optimierend

Im Rahmen des Assessments führen Experten die beiden Dimensionen Prozess und Befähigungsgrad zusammen. Dazu nehmen sie für jeden untersuchten Prozess Bewertungen vor, aus denen sich der Reifegrad des jeweiligen Prozesses ergibt. So entsteht über sämtliche Abläufe ein Stärken-Schwächen-Profil, das dem Unternehmen seine Optimierungspotenziale aufzeigt.

Automotive SPICE – Fokus auf eine Branche

In Deutschland hat sich in der Automobilindustrie inzwischen Automotive SPICE als Qualitätsstandard für das Projektmanagement etabliert. Hiermit gelingt die Bewertung der Leistungsfähigkeit der Entwicklungsprozesse von Steuergerätelieferanten in der Automobilindustrie. Zu diesem Zweck wurde Automotive SPICE ab 2001 durch die AUTOSIG entwickelt.

Zu dieser Vereinigung gehören die deutschen Automobilhersteller Audi, BMW, Daimler, Porsche und Volkswagen, sowie einige internationale Automobilhersteller, unter anderem Fiat, Ford, Jaguar, Land Rover und Volvo.

P-CMM – Menschen im Blick behalten

Ähnlich wie CMMI umfasst auch das People Capability Maturity Model (P-CMM) fünf Reifegrade. Das Modell konzentriert sich allerdings besonders darauf, den Umgang mit Menschen zu messen und zu optimieren. Das konzeptionelle Modell umfasst daher die drei HR-orientierten Disziplinen Personalmanagement, Wissensmanagement und Organisationsentwicklung.

Das Carnegie Mellon Software Engineering Institut hat P-CMM entwickelt und sieht modernste Arbeitsabläufe bei den Mitarbeitern als Basis zur Verbesserung von Projekten. Dazu werden bestehende Prozesse beurteilt und die Fähigkeiten der Mitarbeiter gefördert. So können Unternehmen mit diesem Modell ihre Teams darauf ausrichten, Business-Strategien aktiv zu unterstützen und die Unternehmensziele voranzutreiben.

OPM3 – Standards nutzen

Das Organizational Project Management Maturity Model (OPM3) blickt über den Tellerrand hinaus und betrachtet neben dem Projektmanagement auch die Bereiche Programm- und Portfoliomanagement. Dabei geht das Modell von einer zentralen Annahme aus: Verfügt ein Unternehmen über sehr gute Fähigkeiten in allen drei Disziplinen, gelingt die Umsetzung der betrieblichen Strategie besonders erfolgreich. Der branchen- und standortunabhängige Standard lässt sich grundsätzlich auf spezifische Anforderungen anpassen und gilt daher für sämtliche Organisationen.

Neben den drei Gebieten Projekt-, Programm- und Portfoliomanagement (PPP) umfasst OPM3 die fünf Prozessgruppen:

  1. Initiate
  2. Plan
  3. Execute
  4. Control
  5. Close (IPECC)

Außerdem gehören dazu je vier Reifegrade Standardize, Measure, Control und Improve (SMCI). Auf der Basis von etwa 600 Best Practices und zahlreichen definierten Fähigkeiten hat so jedes Unternehmen die Möglichkeit, seinen individuellen Reifegrad zu bestimmen und auszubauen.

EFQM-Modell – der europäische Ansatz

Das European Foundation for Quality Management-Modell (EFQM-Modell) hilft Unternehmen, die eigenen Stärken und Verbesserungsoptionen systematisch zu analysieren, zu dokumentieren und zu bewerten. Dabei greifen drei Komponenten ineinander: Die Grundkonzepte der Excellence, das Kriterienmodell und die RADAR-Logik.

Die Grundkonzepte der Excellence bestehen aus acht Prinzipien, auf denen nachhaltige Excellence von Unternehmen basiert. Die RADAR-Logik bildet den Maßstab für Organisationen, die nachhaltige Excellence anstreben. Darüber hinaus dient sie als dynamischer Bewertungsrahmen, der die Leistungen eines Betriebs strukturiert hinterfragt.

Das Kriterienmodell skizziert zusammenfassend die Struktur, mit der die acht Grundprinzipien und die RADAR-Logik in der Praxis umgesetzt werden.

Mit diesen Bestandteilen bietet das EFQM-Modell nicht nur eine Bewertungsmöglichkeit im Projektmanagement. Es gibt Organisationen außerdem einen Bezugsrahmen, innerhalb dessen sie ihre eigene Reife überprüfen und weiterentwickeln können – auch in Bezug auf Führungskompetenzen, Arbeitspraktiken und Innovationen.

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