Rekrutierung von FührungskräftenBewerbung um eine Führungsposition gestaltet sich oftmals schwierig
Im Gegensatz zu allgemeinen Verlautbarungen stehen auf dem Markt ausreichend und gut qualifizierte Führungskräfte zur Verfügung. Oft sind es die Mitarbeiter der Personalabteilung, die einen reibungslosen Bewerbungsprozess verhindern können.
Als Ergebnis der Untersuchung "Personalrekrutierung von Führungskräften" lassen sich folgende verallgemeinerte Trends in der Personalrekrutierung von Führungskräften feststellen:
- Jeder zweite Bewerber wünscht sich ein professionelleres Vorgehen der Personalabteilungen.
- Jeder dritte Bewerber ist der Meinung, dass Mitarbeiter in Personalabteilungen nicht ausreichend qualifiziert sind.
- Jeder vierte Bewerber vermutet, dass Mitarbeiter in Personalbteilungen Bewerbungen von potenziellen Mitarbeitern, die höher als sie selbst oder höher als die potenziellen Teammitglieder qualifiziert sind, aussortieren.
- Selbst- und Fremdwahrnehmung der Unternehmen stimmen aus Sicht der Bewerber bei jedem dritten Unternehmen nicht überein.
- Nur jede achte Führungskraft über 35 Jahre fühlt sich durch Employer-Branding-Kamapagnen motiviert sich zu bewerben.
- Bei jedem zweiten Bewerber entsteht der Eindruck, dass die meisten Unternehmen kostengünstige Mitarbeiter wie beispielsweise Praktikanten oder Hochschulabsolventen und keine qualifizierten Führungskräfte suchen.
- Bei jedem vierten Bewerber entsteht der Eindruck, dass gute Qualifikation zu Absagen führen.
Die eingereichten Bewerbungen wurden
- trotz mehrerer Nachfragen nicht zurückgesendet,
- zerknickt, zerfleddert und derangiert bzw. fleckig zurückgeschickt,
- abgestempelt, sodass die Bewerbungen absolut unbrauchbar waren,
- in anderen (kostengünstigeren) Mappen zurückgesendet,
- nicht vollständig zurückgesendet, so fehlten beispielsweise Kopien oder Fotos,
- bei der Rücksendung nicht ausreichend frankiert, sodass der Empfänger anteilig für die Sendung zahlen musste,
- mit Notizen versehen zurückgesendet oder
- mit Unterlagen anderer Bewerber zurückgesendet.
Original-Töne
Im Folgenden sollen ein paar Aussagen, die vonseiten der untersuchten Unternehmen getätigt wurden, kommentarlos erwähnt werden.
- "Das kann ich nun echt nicht wissen."
- "Ja, ich weiß, ich hab ihm (dem Kollegen) schon xmal gesagt, dass er endlich die Anzeige rausnimmt. Den Job gibt’s ja seit einem halben Jahr oder so nicht mehr."
- "Ganz ehrlich? Nein, ich würde mich an Ihrer Stelle gleich woanders bewerben."
- "Moment, ich muss erst mal selber die Anzeige lesen. Wo haben Sie die her?"
- "Oh je, das steht da drin? Das war bestimmt der Neue, den wir jetzt haben."
- "Wenn Sie glauben, Sie hätten die Qualifikationen für die Stelle, wird man Sie schon einladen."
- "Am liebsten rekrutieren wir intern. Die kennen wir ja schon. Und auch wegen Chancengleichheit und so."
Wachstumsbereiche in der Personalrekrutierung
Anhand der untersuchten Dimensionen wird deutlich, dass in den meisten Unternehmen Wachstumspotenziale in mindestens einer Dimension vorhanden sind. Insgesamt lassen sich fünf große Schwächen feststellen, von denen auf drei näher eingegangen werden soll.
Wachstumsbereich I: Gezielte Ansprache und Motivation von Führungskräften
Die untersuchten Unternehmen versäumten es oft, Führungskräfte gezielt anzusprechen und zu motivieren. Einige Unternehmen haben für Führungskräfte spezielle Unterpunkte auf ihrer Homepage, die dem Bewerber suggerieren, dass das Unternehmen an ihm interessiert ist.
Das Interesse des Bewerbers wird geweckt, doch dann muss er feststellen, dass der Internetlink ihn zu dem allgemeinen Stellenportal führt und er sich sehr lange durch Stellenanzeigen für Auszubildenden und Hochschulabsolventen klicken muss, bis er eine für ihn interessante Stelle findet. Der Begriff "Führungsfunktion" wird in vielen Stellenanzeigen inflationär verwendet und bezieht sich auf ganz andere Positionen, als der Bewerber erwartet.
Wachstumsbereich II: Schnelle Unternehmensreaktionen
Die Reaktion vonseiten des Unternehmens wird als Gradmesser für das Interesse an dem Bewerber gesehen. Reagiert ein Unternehmen erst nach mehreren Wochen auf den Eingang der Bewerbung, geht der Bewerber davon aus, dass an seiner Person kein Interesse besteht.
Qualifizierte und wechselwillige Führungskräfte verfügen nicht über die Zeit, monatelang auf eine Unternehmensreaktion zu warten. Dauert der Bewerbungsprozess zu lange, ziehen sie ihre Bewerbung zurück oder haben bereits einen Vertrag bei einem anderen Unternehmen unterschrieben.
Das Fremdbild der Unternehmen wird durch verzögerte Reaktionen in Mitleidenschaft gezogen und die Glaubwürdigkeit des Unternehmens, alles daran zu setzen, dass Top-Führungskräfte gefunden werden, zerstört.
Zu einer zu langen Reaktionszeit der Unternehmen zählt auch der Fakt, dass die Stellenanzeigen im Internet nicht regelmäßig gepflegt werden und Stellen ausgeschrieben sind, die es schon lange nicht mehr gibt.
Ebenfalls negativ wirkt es, wenn der Bewerber seinen Unterlagen hinterher telefonieren muss oder erst nach mehreren Wochen nach Rücksendung der Unterlagen eine Einladung zum Gespräch erfolgt. Oft entstand bei den Bewerbern der Eindruck, dass sie bereits durch das Raster gefallen waren und als sich sonst niemand auf die Stellen beworben hatte, sie doch noch eingeladen wurden. In dieser Zeit hätten sie jedoch theoretisch als auch faktisch längst bei einer anderen Firma den Vertrag unterschrieben.
Wachstumsbereich III: Professionelle Kommunikation
Bei den Bewerbern wird vonseiten des Unternehmens Wert auf soft skills und eine Top-Ausbildung gelegt. Der Lebenslauf muss lückenlos sein und der Bewerber selbstverständlich überdurchschnittlich motiviert und qualifiziert sein. Für die besten Unternehmen nur die besten Mitarbeiter. Dieses Bild kann von den Unternehmen jedoch nur solange aufrecht erhalten werden, bis der Bewerber das erste Mal in Kontakt mit dem Unternehmen tritt.
Ansprechpartner nuscheln am Telefon bereits bei der Begrüßung ihren Namen und können keine Auskünfte geben. Rückrufe erfolgen äußerst zeitverzögert, wenn überhaupt. Berufsbilder sind den Mitarbeitern der Personalabteilung unbekannt. Bei der überdurchschnittlich qualifizierten Führungskraft entsteht schnell der Eindruck, dass er in dem potenziellen neuen Unternehmen der einzige Topqualifizierte ist und er fragt sich bereits nach einem telefonischen Kontakt, ob er dort überhaupt arbeiten möchte.
Qualifizierte Führungskräfte präferieren schnell reagierende Unternehmen, weichen auf gut positionierte mittelständische Unternehmen aus oder wechseln ins Ausland. Die vermeintliche Knappheit an Führungskräften ist also häufig hausgemacht.
Aktuelle Untersuchungen zeigen auch, dass Geschäftsführer und Vorstände ihren Personalern mittelmäßige bis schlechte Noten geben. Für Personaler gibt es daher – wenn sie eine Daseinsberechtigung als HR-Business-Partner gewinnen möchten – noch einiges zu tun.
Informationen zur Untersuchung
Die Untersuchung "Personalrekrutierung von Führungskräften" wurde erstmalig vom 1.11.2006 bis 30.11.2007 in den Branchen Consulting, Banken/Finanzdienstleister, Automobil, Handel, Pharma/Chemie vom Institut für Gegenwartsforschung initiiert und durchgeführt. Aufgrund der teilweise ernüchternden Ergebnisse wurde entschieden, die Untersuchung über mehrere Jahre auch in anderen Branchen durchgehend weiterzuführen.
Fragen der Untersuchung sind unter anderem: "Schaffen es Personalverantwortliche, Führungskräfte für ihr Unternehmen anzusprechen? Zu begeistern? Und im Bewerbungsprozess überhaupt zu identifizieren? Stimmen die Vorstellungen der Bewerber und Rekrutierer überein?“
Insgesamt verschickten inzwischen mehr als 80 Führungskräfte rund 1000 Bewerbungen an knapp 120 Unternehmen und bewerteten anschließend die unterschiedlichen Prozessstufen ihrer Bewerbungsaktivitäten. Die Prozessstufen sind Präsentation des Unternehmens, Übersenden der Bewerbungsunterlagen, Reaktion des Unternehmens sowie Einladung zum Gespräch. Kommt es zu einem Gespräch, wird auch dieses protokolliert und ausgewertet.
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