RessourcenmanagementWachstumsschwellen erfolgreich bewältigen
Unter Wachstumsschwellen werden meist sprungfixe Kosten für die Einstellung neuer Mitarbeiter oder die Anschaffung neuer Maschinen beziehungsweise Produktionskapazitäten verstanden. Mit dem Zeitbedarf für die Einführung neuer Maschinen, Prozesse und/oder Mitarbeiter im Rahmen einer Kapazitätserweiterung sinkt im Allgemeinen die Auslastung. Zudem ist nicht garantiert, dass die aktuelle oder prognostizierte Nachfrage weiter anhält.
Damit stellt sich die Frage, wie das Unternehmen die kulturellen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen für eine „atmende“ Organisation schafft, die sich Nachfragesteigerungen und -schwankungen gleichermaßen anpasst und auch das qualitative und quantitative Wachstum des Managements sicherstellt.
Erfolgsfaktoren für profitables Wachstum
Als wichtigste Gemeinsamkeiten erfolgreich und profitabel wachsender Unternehmen identifiziert die Roland-Berger-Studie „Zum Wachstum führen“:
- Ausgeprägte Vertrauenskultur: Sie wird mit der Förderung einer proaktiven Informationspolitik auch gelebt. Als weitere wachstumsförderliche Kulturelemente werden klare Entscheidungsstrukturen sowie Kundennähe beziehungsweise ein starkes Kundenverständnis genannt.
- Aktive Förderung von Eigeninitiative und Innovationen: Zentrale Bestandteile sind die Zusammenstellung von Teams mit den „richtigen“ Personen und die Schaffung einer dezentralen Organisation. Hier wird insbesondere eine kunden- und produktorientierte, regionale Divisionalisierung als Erfolgsfaktor hervorgehoben. Im Ergebnis sind Outperformer in wichtigen Themen schneller am Markt als der Durchschnitt.
- Setzen der „richtigen“ Ziele: Outperformer setzen der Studie zufolge ambitionierte, aber realistische Ziele; zudem sanktionieren sie das Nichterreichen der Ziele weniger hart. Erfolgreiches „Management by Objectives“ in profitabel wachsenden Unternehmen charakterisiert die Studie wie folgt:
Herausforderung Mitarbeiterrekrutierung und -führung
Wie gewinnt, motiviert und bindet man nun die „richtigen Mitarbeiter“ für eine wachstumsorientierte Organisation? Michael T. Hannan, Diane Burton und James N. Baron von der Graduate School of Business an der Stanford University haben Mitte der 1990er Jahre auf Basis der Befragung von 100 jungen, maximal zehn Jahre alten Firmen im Silicon Valley die folgende Typologie von Unternehmenskulturen in Wachstumsunternehmen entwickelt:
Danach gilt allgemein: Je ambitionierter die Ziele, desto höher die Anforderungen an Qualifikation und Potenzial der neuen Mitarbeiter. Je weniger stringent die Zielfixierung, desto höher die Anforderungen an den „kulturellen Fit“ der Mitarbeiter. Dies betrifft insbesondere wissensintensive Dienstleistungsbranchen.
Herausforderung dynamische Anpassung der Organisationsstrukturen
Unternehmen werden aus sehr unterschiedlichen Situationen heraus von Einzelpersonen oder Teams gegründet. Bei wachstumsstarken Unternehmen handelt es sich überdurchschnittlich häufig um solche, die von zwei oder drei Partnern gegründet oder kurze Zeit nach der Gründung um weitere Partner erweitert wurden. Diese teilen sich die Arbeit in der Regel nach Aufgabenbereichen, zum Beispiel Technik, Betriebswirtschaft, Marketing oder Human Resources, die sie zunächst selbst ausfüllen.
Abhängig von der Geschäftsentwicklung und der Einstellung neuer Mitarbeiter werden sich deren Aufgabenbereiche zunehmend überschneiden. In der ersten Phase der Unternehmensentwicklung mit einer Leitungsspanne von bis zu zirka fünf Mitarbeitern pro Gründer beziehungsweise Führungskraft ist „Agieren auf Zuruf“ in vielen Bereichen noch ein geeignetes Steuerungsinstrument, um auf Marktanforderungen flexibel reagieren zu können. Wächst das Unternehmen weiter, so müssen flexible und effiziente Strukturen das informelle Agieren ersetzen. Wie lässt sich das erreichen?
Kathleen Eisenhardt und Shona Brown beschreiben mit dem Konzept des „Patching“ eine Organisationsform, in der sich hochspezialisierte, autonome Geschäftseinheiten immer wieder neu am Markt und innerhalb des Gesamtunternehmens ausrichten können. Eine Idee, die inzwischen auch vermehrt von Großunternehmen im Rahmen der Konzentration auf Kerngeschäftsfelder und der Ausgliederung von Geschäftsbereichen – so genannten carve-outs – verfolgt wird. Damit wird nicht nur eine höhere Agilität am Markt erreicht. Durch stärker projektbezogene Zusammenarbeit von Unternehmensteilen, die neben internen auch externe Kunden bedienen, steigen auch die Kundenorientierung sowie die Beweglichkeit von Belegschaften und die Akzeptanz variabler Zusammenarbeit – auch über Unternehmensgrenzen hinweg.
So gewinnen mit zunehmender Unternehmensgröße informelle Strukturen und „individueller Wissensaustausch“ auf (Projekt-)Mitarbeiterebene an Bedeutung. Dies führt zu einer ersten Annäherung an den „Ideal-Mitarbeiter“, der sich als selbst gesteuertes Individuum mit Kollegen neue Projekte ausdenkt und Innovationen auf den Weg bringt; der team-, abteilungs- und unternehmensübergreifend in immer wieder neuen Teams und Netzwerken temporär an gemeinsamen Projekten und Aufgaben arbeitet.
Die meisten der von Eisenhardt und Brown Befragten hielten persönliche Kontakte im weiteren beruflichen Umfeld sowie die Einbindung in entsprechende Sozial- beziehungsweise Experten-Netzwerke für wichtig. Dabei schien es sich jedoch nur in wenigen Fällen um bewusstes Beziehungsmanagement zu handeln. Wie lassen sich jedoch Netzwerke beschreiben, die diese vernetzte Zusammenarbeit systematisch fordern und fördern? Neben Projektteams und Arbeitsgruppen unterscheiden Etienne C. Wenger und William M. Snyder die folgenden Typen:
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Es geht darum, Organisationsmodelle zu entwickeln und umzusetzen, die die notwendige Verlässlichkeit und Standardisierung für Effizienzsteigerung und Prozesssicherheit gewährleisten, ohne dabei die Flexibilität und Reaktionsfähigkeit der Beschäftigten beziehungsweise des Unternehmens einzuschränken. Idealerweise unterstützen die Strukturen die Suche nach und das eigenverantwortliche Handeln in Teams und Netzwerken. Das Wissen darum, wo Wissen und Kompetenzen zur Bewältigung zukünftiger Aufgaben innerhalb und außerhalb des Unternehmens zu finden sind, macht Wachstumsschwellen leichter beherrschbar.
Wachstumsunternehmen bewerten und finanzieren
Nach den Fragen, wie Wachstum ermöglicht und gemanagt werden kann, stellt sich für Entscheider die Frage: Wie finanziert man es? Zwar gibt es neben dem klassischen Bankkredit inzwischen eine Fülle an modernen Finanzmitteln. Die Kunst besteht jedoch darin, aus der Vielfalt der Instrumente die richtigen auszuwählen. Zunächst ist darauf zu achten, in welchem Bereich Wachstum erzielt werden soll. Während sich für Unternehmen, die umsatzseitig stark wachsen und viel Ware kaufen müssen, die Optimierung des Forderungsmanagements – etwa über Factoring – anbietet, sollten Firmen, die in neue Maschinen und Anlagen investieren, eher über Leasing nachdenken.
Schwieriger gestaltet sich die Beantwortung der Finanzierungsfrage bei forschungsintensiven Unternehmen, die zunächst ihre Entwicklungskosten vorfinanzieren müssen, ohne dafür entsprechende „tangible assets“ in Form von Maschinen und Anlagen bieten zu können. Bei solchen „Wetten auf die Zukunft“ und den Erfolg der Forschung sind Risikokapitalgeber gefragt. Doch nach welchen Kriterien wählen diese ihre Beteiligungen aus? Das heißt: Welche Kriterien müssen junge Wachstumsunternehmen erfüllen, um diese Kapitalgeber zu überzeugen?
Michael Stros und Jürg Hari empfehlen für die Bewertung von Wachstumsunternehmen in Anlehnung an die Balanced Scorecard eine Methode, die sich nicht allein auf monetäre Größen stützt, sondern die folgenden Dimensionen bei der so genannten „STOCK“-Bewertung berücksichtigt:
1. Strategie
Bewertungsmaßstab aus Investorensicht sind hier Innovationsfähigkeit, Zeitpunkt der Markteinführung, Größe des Marktanteils, Diversifizierungsgrad sowie Absatz und Beschaffungssituation. Aus Unternehmenssicht sollte zudem auf die Darstellung von Umsetzbarkeit, Plausibilität, Einzigartigkeit, Vollständigkeit sowie Logik und Kohärenz des Marketing- und Kommunikations-Mix geachtet werden.
2. Technologie
Entscheidend für die Beurteilung durch den Kapitalgeber ist hier der Schutz vor Nachahmung mittels Patentrecht, das Markenschutzrecht, das Designrecht und das Urheberrecht (Anzahl und Restlaufzeit der Patente, Anzahl und Diversifikation der Produkte).
3. Organisation
Neben der vorhandenen Managementkompetenz geht es hier vor allem um die adäquate Anpassung der Struktur an die jeweilige Unternehmensphase:
- Strategisches Management: Ist das Management geeignet, eine erfolgreiche Unternehmensstrategie zu entwickeln und für deren Umsetzung zu sorgen?
- Operationelles Management: Wie sind die Kenntnisse des Managements in Bezug auf die betriebswirtschaftlichen Disziplinen?
- Organisationsstruktur: Garantiert die Organisationsstruktur einen reibungslosen Ablauf bei der Leistungserstellung? Ist das Unternehmen für die Bewältigung zunehmender Nachfrage gewappnet?
- Mitarbeiter: Wie ist es um Zufriedenheit und Qualifikation der Mitarbeiter bestellt? Dass heißt, wie werden Know-how-Träger gebunden?
- Infrastruktur: Sind die Bauten, Räumlichkeiten und die Gestaltung der Arbeitsplätze adäquat?
4. Cash
Wie auch bei der Bewertung von etablierten Unternehmen kommt nun die Analyse mittels so genannter „Market Multiples“ zum Einsatz, die den Unternehmenswert in Relation zu einem branchenüblichen Vielfachen des Jahresumsatzes setzen. Eine weitere interessante Kennzahl für Wachstumsunternehmen ist der Cashflow-Return-On-Investment (CFROI), bei der der Cashflow durch das Gesamtkapital dividiert wird.
5. Kooperationen
Besteht ein Netzwerk aus Kooperationspartnern, Lieferanten und Kunden, das vom Ausfall einzelner Akteure unabhängig macht und einen breiteren Zugang zu Geld, Technologie und Vertriebskanälen sichert?
Die STOCK-Bewertung wird durch die Ermittlung des Unternehmenswerts mittels dynamischer Kapitalwertmethoden komplettiert. Wichtig aus Investorensicht ist darüber hinaus die Bewertung von Chancen und Risiken sowie langfristigen Entwicklungen. Neben der attraktiven Darstellung von aktueller Unternehmenssituation und geplanter Wachstumsstrategie sollten Unternehmen auch prüfen, wie sie die Kapitalkosten für die Finanzierung reduzieren können. Ansatzpunkte dafür sind beispielsweise:
Optimierung des Cashflow: Lassen sich Zahlungsströme verbessern und so Liquiditätspotenziale heben?
Überprüfung des Finanzierungsbedarfs: Welche Summe lässt sich aus dem Eigenkapital finanzieren? Wie sehen die bisherige Finanzierungsstruktur und Bilanzkennzahlen des Unternehmens aus? Welcher Spielraum ergibt sich für die Wachstumsfinanzierung durch ein verändertes Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital (Verschuldungsfähigkeit)?
Auswahl von Produkten und Investoren: Nach der Wahl der zu kombinierenden Finanzierungsinstrumente sind mitunter intransparente Produkte und Konditionen zu vergleichen. Dabei sollte auch geklärt werden, welche Investoren hinter den Produkten stehen, da sich das Unternehmen möglicherweise für lange Zeit an diese bindet. Hier kann es sinnvoll sein, die Historie der bisherigen Investments eines Kapitalgebers zu prüfen und gegebenenfalls auch Gespräche mit den betreffenden Unternehmen zu führen.
Fazit
Unternehmenswachstum ist das Ergebnis erfolgreichen Agierens am Markt. Damit das Unternehmen aber nicht vom Markterfolg „überrollt“ wird, muss es auch intern die notwendigen Voraussetzungen schaffen, um die steigende Nachfrage der Kunden in der gewohnten Qualität bewältigen zu können. Wichtige Handlungsfelder sind in diesem Zusammenhang:
- Zielorientierung mittels Management by Objectives
- Aufbau einer Vertrauenskultur und die Rekrutierung der dazu „passenden“ Mitarbeiter
- Schaffung der Voraussetzungen für eine dezentrale, marktnah agierende, flexible und dynamisch anpassbare Organisationsstruktur
- Finanzierung beziehungsweise richtige Darstellung der Wachstumsstrategie für Investoren
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