RestrukturierungSo meistern Sie den Turnaround
Um mögliche Krisensituation im Unternehmen zu erkennen und klar zu beschreiben, müssen Sie Analysedaten erheben. Je schneller diese Daten zur Verfügung stehen, desto besser. Wenn Sie davon ausgehen, dass ein Turnaround unausweichlich ist, geht es zunächst darum, die Situation zu stabilisieren und kurzfristig eine weitere Verschärfung der Lage zu vermeiden. Dazu ist es unabdingbar, die ausgewerteten Daten zu strukturieren und zu bewerten – nur so können Sie erkennen, wo der dringendste Handlungsbedarf besteht. Gleichzeitig verschaffen Sie sich einen Überblick und setzen erste notwendige Maßnahmen um.
Bestehende Probleme klassifizieren
Die auf Basis der Analyse gefundenen Probleme müssen zunächst klassifiziert und deren Einfluss auf das Unternehmen abgeschätzt werden. Zudem sollten Sie die Eintrittswahrscheinlichkeit unterschiedlicher Szenarien prognostizieren. Beantworten Sie sich folgende Fragen:
- Handelt es sich um ein Liquiditäts-, ein Kosten- oder ein kombiniertes Problem?
- Wie groß ist das Problem?
- Schätzen Sie den Best Case und Worst Case ab und halten Sie fest, wie Sie zu diesen Werten gelangt sind.
- Dokumentieren Sie die unterschiedlichen Annahmen.
- Welchen Status hat das Problem: Nimmt es zu, bleibt es stabil, wird es kleiner oder erledigt es sich von selbst?
Bei Mitarbeitern und Managern sickert spätestens jetzt die Information durch, dass Veränderungen anstehen. Die Gerüchteküche brodelt und Angst um Arbeitsplätze greift um sich. Diese Lage ist gefährlich, weil Sie zum einen schnell leistungsfähige Mitarbeiter verlieren können, zum anderen aus Angst um Arbeitsplätze von wichtigen Informationen abgeschnitten werden. Dem sollten Sie vorbeugen.
Mitarbeiter offen und umfassend informieren
Inkompetente Mitarbeiter erkennen die Probleme nicht, das Management informiert nicht, weil es mitverantwortlich ist, und Gruppen, die sich im Unternehmen eine Machtposition geschaffen haben, fürchten um den Verlust und vertuschen deshalb Probleme. Solche Situationen müssen Sie schnell durchbrechen mittels einer offenen und umfassenden Kommunikation. Informieren Sie also alle Mitarbeiter über die anstehende Restrukturierung. Erklären Sie, dass es nicht nur darum geht, Probleme zu finden, sondern vor allem darum, das Unternehmen wieder marktfähig zu machen und zu einer Wachstumsstrategie zurückzufinden.
Gute Erfahrungen macht man gemeinhin, wenn man Mitarbeiter zu Beteiligten am Restrukturierungsprozess macht. Alle sollten eingeladen werden, Probleme zu suchen und zu benennen. Den Überbringer schlechter Nachrichten dürfen Sie natürlich auf keinen Fall bestrafen – im Gegenteil. Klar ist: Wer Probleme benennt, muss sie auch argumentativ belegen können. Denn Gerüchte helfen nicht weiter. Wo sich Inkompetenz eingeschlichen hat, hilft – besonders auf den oberen Führungsebenen – nur hartes Durchgreifen. Die meisten Mitarbeiter werden verstehen, dass Sie sich von dem ein oder anderen trennen. Im besten Fall haben sie darauf schon lange gehofft.
Manager für richtige Informationen persönlich verantwortlich machen
Da die Qualität der Informationen, die Sie erhalten, wesentlich ist, sollten Sie alle Manager für vollständige und richtige Informationen persönlich verantwortlich machen. Wer hier blockt, sollte sich einen neuen Arbeitsplatz suchen. Gespräche mit Kunden, Lieferanten, Banken und Wirtschaftsprüfern runden das Bild ab, ebenso helfen Gespräche mit ehemaligen Mitarbeitern. Hier werden Sie ungeschminkte Wahrheiten erfahren, die Ihnen trotz allem im eigenen Betrieb vorenthalten werden. Dennoch werden Sie sicher nicht alle Probleme gleich zu Beginn finden. Die Herausforderung, die Problemzonen nach und nach zu entdecken und mit ihnen umzugehen, bleibt Ihnen in der Regel über einen wesentlichen Teil des Turnaround-Prozesses erhalten.
Manchmal dauert es Jahre, bis alle wesentlichen Themen auf dem Tisch liegen. Wichtig ist in den ersten Wochen lediglich, die Punkte mit den größten Hebeln zu erkennen und diese anzugehen. Alles andere kann später erfolgen, wenn Sie mit einem funktionierenden Management, motivierten Mitarbeitern und transparenten Strukturen arbeiten.
Vertrauen zu Stakeholdern wiederherstellen
Die wichtigste Führungsaufgabe ist es, das Vertrauen zu Kunden, Mitarbeitern, Lieferanten und Banken wieder herzustellen. Ein wesentlicher Teil dieser Aufgaben liegt bei Ihnen selbst. Dazu gehört, mit Banken über Kreditlinien zu verhandeln, um sich finanziell Luft zu verschaffen, Preiserhöhungen anzukündigen und durchzusetzen und bei Lieferanten Preissenkungen zu realisieren. Jetzt nehmen die Mitarbeiter Sie ernst und beginnen, an den Erfolg zu glauben.
An dieser Stelle folgt Ihr nächster Ansatzpunkt: Werden Sie Teil der Mannschaft. Lassen Sie Lösungen von den Mitarbeitern dokumentieren und umsetzen. Kleine und sichtbare Erfolge sind als Motivation sehr wichtig. Nur wenn Sie – möglichst von Mitarbeitern selbst erarbeitete – motivierende Erfolgserlebnisse schaffen, wird es sich Ihr Team zutrauen, auch den ganzen Turnaround zu schaffen.
In der Folge wird es weitere Probleme geben. Immer wieder werden neue Baustellen auftauchen, von denen Sie bisher nichts gewusst haben. Mitarbeiter werden Fehler machen und brauchen Zeit, um sich an Ihr neues System zu gewöhnen. Je ruhiger, klarer, zuversichtlicher und konsequenter Sie handeln, ohne hart zu kritisieren oder zu bestrafen, desto stärker wird sich die Loyalität zu Ihnen entwickeln. Dabei gilt: Die gesamten Ressourcen werden in dieser Phase für das kurzfristige Überleben des Unternehmens benötigt. Langfristige Strategien folgen später.
Bei Liquiditätsproblemen schnell und beherzt durchgreifen
In der Mehrheit der Fälle handelt es sich bei Turnaround-Situationen um Liquiditätsprobleme. Hier hilft nur beherztes und schnelles Durchgreifen:
- Alle Zahlungsvollmachten vorübergehend außer Kraft setzen und alle Bestellungen, Rechnungen, Gutschriften und weitere Ausgaben auf Ihren Schreibtisch umleiten.
- Blockieren Sie Bestellungen und Zahlungen und lassen Sie sich deren Notwendigkeit erklären.
- Überprüfen Sie alle Außenstände.
- Fordern Sie überfällige Zahlungen ein.
- Definieren Sie neue Richtlinien für normale Zahlungsziele und bilden Sie Rückstellungen für Zahlungen, deren Eintreffen unwahrscheinlich ist.
- Überprüfen Sie Warenlieferungen auf Termintreue und Qualität; hier haben Sie Verhandlungsspielraum.
- Vergleichen Sie eigene Preise mit marktüblichen Preisen und kappen Sie alte Seilschaften.
- Verschaffen Sie sich eine Übersicht über Verbindlichkeiten, Reklamationen, drohende Rechtsverfahren und latente Steueransprüche.
- Identifizieren Sie offensichtliche Überbestände und veraltetes Material.
- Legen Sie den zusätzlichen Abschreibungsbedarf fest.
- Reduzieren Sie die Lagerkapazitäten; doch Vorsicht: Häufig werden Schnelldreher bei der Senkung der Bestände unter die minimale Reichweite gefahren, ohne Prozesse umzustellen. Das führt dann zu Lieferproblemen.
Verstecke Kosten optimieren
Sie verfügen jetzt über eine realistische Zwischenbilanz, haben alle unnötigen Ausgaben gestoppt und erste Kosteneinsparungen initiiert. Auf dem Programm steht nun die Optimierung versteckter Kosten:
- Skonti
Sonderrabatte und Verkaufsaktionen
Kurzfristige Vertragsänderungen
Transportkosten, nicht durch Kunden bezahlt werden
Nicht geplante Lagerabschreibungen
Reklamationen und Gutschriften
Kapitalkosten bei langen Zahlungsfristen
Garantiezahlungen
Volumendiscounts
Eigene Qualitätsprobleme, die von Ihren Kunden nicht akzeptiert werden
Einflüsse von Fremdwährungen
Sonderboni für den Vertrieb
Im nächsten Schritt müssen die Margen überprüft werden: Produkte mit zu tiefer Marge, Kunden mit zu tiefer Marge, Produkte und Kunden, die die größten Mehrkosten verursachen. So wissen Sie, womit Ihr Unternehmen Geld verdient, Geld wechselt oder Geld verliert. Auch die finanziellen Belastungen durch Kredite sollten Sie im Blick haben und mit Eigentümern und Kapitalgebern über eine verbesserte Finanzstruktur verhandeln. Des Weiteren hilft Ihnen die Überprüfung Ihrer Versicherungen, um mittelfristig Kosten zu reduzieren.
Grundlagen für einen effizienteren Vertrieb schaffen
Die folgenden Schritte hängen sehr von der Struktur des Unternehmens ab. Kosten zu reduzieren ist beim Thema Turnaround nur die eine Seite der Medaille, Geld zu verdienen die andere. Es geht folglich um den Vertrieb. Dazu ist es wichtig, die Grundlagen des Geschäfts und dann auch des Vertriebs zu verstehen:
- Was und wie wird entwickelt, beschafft und produziert?
Sind Sie Kostenführer (effiziente Produktion, günstige Lohnkosten)?
Sind Sie Qualitätsführer?
Ist dem Kunden das bewusst? Ist er bereit, den Mehrpreis zu zahlen? Wie steht es um Service, Kundendienst, Lieferfristen?
Wie steht es um Innovationszyklen im Vergleich zu den Mitbewerbern?
Welche Vertriebskanäle werden bisher bedient?
Welche Kanäle sind effizient beziehungsweise ineffizient?
Sind Ihre Kunden zufrieden?
Wer ist unzufrieden und warum?
Warum sind Kunden abgewandert?
Gibt es weitere Märkte, die Sie adressieren können?
Damit haben Sie die Grundlagen für einen effizienteren Vertrieb geschaffen. Nun gilt es noch, Lagerhaltung und Produktion selbst in den Blick zu nehmen und gegebenenfalls zu optimieren. Auch dies ist ein umfassender Prozess, in dem viele Faktoren eine Rolle spielen. Dazu gehört, dass Sie einen präzisen Eindruck haben von Durchlaufzeiten, gebundenem Kapital, benötigter Fläche, kritischen Prozessen, kritischen Anlagen und ihrem Effizienzgrad sowie der Arbeitseffizienz des Personals.
Ist das geklärt, folgt die Überprüfung der Personalsituation. Auch Verträge und Verpflichtungen, Gehaltsstrukturen, Sonderregelungen, Firmenwagen, Weiterbildung, Versicherungen und Sozialleistungen oder Ausfallzeiten gehören auf den Prüfstand, um auch hier die Effizienz zu steigern und Kosten zu optimieren, damit Ihr Unternehmen den Turnaround schafft.