RestrukturierungsbedarfAuch in Japan sind Restrukturierungen notwendig
Trotz der unaufhaltsamen Globalisierung hat sich die japanische Wirtschaft einige landestypische Besonderheiten bewahrt: etwa die lebenslange Beschäftigung der Kernbelegschaft oder die langfristige Bindung an Lieferanten. Ausländische Firmen haben im Zuge von Übernahmen oder Zusammenschlüssen mit den japanischen Tochterfirmen auch die dortigen Strukturen und Traditionen übernommen.
Gerade in Zeiten einer heftigen globalen Rezession steigt jedoch auch in Japan die Notwendigkeit, zu restrukturieren. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer in Japan (DIHKJ) und Roland Berger Strategy Consultants haben Topmanager von rund 100 deutschen Unternehmen in Japan zu ihren Erfahrungen mit Restrukturierungsprogrammen in Japan befragt.
Das Ergebnis überrascht: Die meisten Unternehmen haben in Japan bereits restrukturiert – fast ausschließlich mit Erfolg. Mehr noch: Die Mehrheit glaubt, dabei in Japan deutlich größere Freiheiten zu haben als einheimische Firmen. Und: Die "japanischen Besonderheiten" müssen nicht hinderlich sein, sondern können bei Restrukturierung sogar helfen – nötig ist dafür Fingerspitzengefühl, aber keine übertriebene Selbstbeschränkung.
"Bei ausländischen Unternehmen gilt die Durchsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen in Japan als sehr schwierig",
sagt Marcus Schürmann, Studienautor und stellvertretender Geschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Japan (DIHKJ). Andererseits gaben in der Studie aber zwei Drittel der befragten deutschen Firmen an, in den letzten zehn Jahren restrukturiert zu haben – 98 Prozent davon sagten, sie hätten ihre Ziele voll oder mehrheitlich erreicht.
Lebenslange Jobgarantie – ein schwindendes Privileg
In der aktuellen Studie nannten die Teilnehmer die Hindernisse bei Entlassungen durch das Arbeitsrecht als größtes externes Problem für Restrukturierungen. Um ihrer Kernbelegschaft weiterhin Vorteile wie eine Jobgarantie bieten zu können, bauen japanische Unternehmen Personalkosten über eine Vielzahl anderer Maßnahmen ab: Sie reduzieren Überstunden, Boni und Neueinstellungen, versetzen Mitarbeiter zu anderen Unternehmen oder innerhalb des Unternehmens und ersetzen Stammarbeitnehmer durch flexible Randbelegschaften.
Ungeahnte Freiheiten für ausländische Firmen
In Japan hat die Bereitschaft deutlich zugenommen, in der Praxis einheimische Besonderheiten aufzugeben. Besonders viel Verständnis wird dafür ausländischen Firmen entgegengebracht.
„Die Angestellten akzeptieren nicht-japanische Maßnahmen eher von ausländischen Managern“,
sagt Schürmann. Fast zwei Drittel der Studienteilnehmer gaben an, bei Restrukturierungen mehr Freiheit zu haben als einheimische Unternehmen. Nur 17 Prozent glauben, stärkeren Beschränkungen unterworfen zu sein als ihre japanischen Wettbewerber.
Auf ausländische Unternehmen lauern aber auch typische Gefahren. Oft wertet die deutsche Seite das Fehlen offener Konflikte als Einverständnis der japanischen Mitarbeiter und erwartet eine reibungslose Umsetzung. Häufig werden Maßnahmen dann aber verschleppt, Missverständnisse vorgeschoben oder Veränderungen ausgesessen. Besonders wichtig für den Erfolg ist daher eine konsequente Kontrolle aller Maßnahmen.
Restrukturieren mit Fingerspitzengefühl
"Restrukturieren in Japan ist nicht schwieriger als in Deutschland oder Europa – im Gegenteil",
sagt Dr. Dirk Vaubel, Co-Autor und Partner bei Roland Berger Strategy Consultants in Tokio. Etwa 25 Prozent der Befragten gaben sogar an, es sei leichter als in Deutschland, weitere 30 Prozent sagten, es sei leichter gewesen als zuvor gedacht. Wichtig ist dabei das Fingerspitzengefühl. Damit lassen sich Japan-typische Handlungsmuster sogar kreativ für Restrukturierungen nutzen. Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren ist die Kommunikation:
„Werden etwa notwendige Entlassungen der Belegschaft als 'Frühpensionierungen' erklärt, stoßen sie auf deutlich weniger Widerstand und beide Seiten wahren ihr Gesicht."
Ernsthafte Bekenntnisse zum Standort helfen, dauerhaft Vertrauen aufzubauen. Das kann soweit gehen, dass Mitarbeiter und Gewerkschaften Rationalisierungsziele im Rahmen von Joint-Venture-Verhandlungen mit eigenen Ideen unterstützen – wenn das Unternehmen sich prinzipiell dauerhaft zum japanischen Standort und den dortigen Mitarbeitern bekennt. Vaubel sagt:
"Das Prinzip der Solidargemeinschaft gilt dann auch im Verhältnis zur neuen Muttergesellschaft."
Zur Studie
Die gemeinsame Studie von der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Japan (DIHKJ) und Roland Berger zu Restrukturierung in Japan können Sie hier kostenlos herunterladen:
[po; Quelle: Deutsche Industrie- und Handelskammer in Japan; Bild: ©kisny - Fotolia.com]