RezessionsgewinnerEinzelhändler können Rezession zur Stärkung ihrer Marktposition nutzen

Die sinkende Konsumbereitschaft stellt den Handel derzeit auf eine harte Probe. Eine aktuelle Analyse von OC&C Strategy Consultants zeigt jedoch: Die wirtschaftliche Krise birgt für viele Händler auch Chancen. Während einige Sektoren und bestimmte Unternehmensformen Gefahr laufen, den Boden unter den Füßen zu verlieren, können andere sogar gestärkt aus der Rezession hervorgehen.

Dies ist das Ergebnis der aktuellen Analyse „Stürmische Zeiten – Nutzung der Schlechtwetterfront zur Stärkung der Marktposition“ von Branchen-Experten der international tätigen Strategieberatung OC&C Strategy Consultants. Obwohl die deutsche Handelslandschaft den wohl schwierigsten Wirtschaftsbedingungen seit zehn Jahren gegenübersteht und die Rezession den Handel destabilisiert, können solide Unternehmen ihre Marktposition jetzt sogar festigen. Schwächere Handelsketten und kleine Fachhändler reagieren dagegen empfindlicher und geraten unter Druck.

„In wirtschaftlich schwierigen Zeiten achten die Verbraucher mehr auf ihr Geld, konzentrieren sich auf Produkte des Grundbedarfs und kaufen clever“,

kommentieren Kerstin Lehmann und Christian Ziegfeld, die für die Studie verantwortlichen Partner bei OC&C, die Ergebnisse. Zugleich warnen die Berater vor Preisaktionismus:

„Unternehmen, die im Abschwung ausschließlich auf Tiefpreise setzen, gefährden ihre Positionierung im Markt. Ein nachhaltiges und verlässliches Leistungsversprechen ist gerade in schwierigen Zeiten oft die strategisch bessere Wahl.“

Unterhaltungselektronik, Bekleidung und Möbel brechen am stärksten ein

Die Analyse von OC&C basiert einerseits auf der Entwicklung der Konsumausgaben und andererseits auf der Leistung der Handelsunternehmen gemessen an Finanzkennzahlen während und seit der letzten Wirtschaftskrise zu Beginn dieses Jahrzehnts andererseits. Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere die Branchen Unterhaltungselektronik, Möbel und Bekleidung in Abschwungphasen überproportional stark zurückgehen.

Während des vergangenen Abschwungs verzeichneten diese Sektoren starke Einbrüche zwischen 6,1 bis 8,1 Prozent während alle untersuchten Branchen durchschnittlich nur 3,5 Prozent verloren. Sektoren wie der Lebensmitteleinzelhandel, Bücher/ Zeitschriften oder Do-It-Yourself (DIY) haben die damalige Wirtschaftskrise dagegen deutlich besser verkraftet.

Die jeweiligen Branchenbesonderheiten treten noch klarer zutage, wenn die Entwicklung um mittel- und längerfristige Trends bereinigt wird. Um dies zu verdeutlichen, wurde im Rahmen der Studie die relative Entwicklung einzelner Branchen im Vergleich von schwachen und starken Jahren analysiert.

Während sich der Gesamtmarkt im Krisenjahr um 5,8 Prozent schlechter entwickelte als in einem guten Jahr, gingen die Ausgaben in den sehr zyklischen Branchen, wie bei Möbeln und Unterhaltungselektronik, sogar um 9,6 bzw. 11,7 Prozent zurück.

Branchen wie der Lebensmitteleinzelhandel und Bücher/ Zeitschriften waren dagegen stabiler und verzeichneten mit 3,5 bzw. 2,9 Prozent einen nur unterproportionalen Rückgang.

Der DIY-Sektor reagiert sogar antizyklisch, das heißt, er ist in wirtschaftlich schwachen Jahren oft vergleichsweise stärker als in guten Jahren. Das Umsatzwachstum in Krisenzeiten erklärt sich durch einen typischen antizyklischen Verhaltensreflex auf Konsumentenseite. Dass die DIY-Branche ausgerechnet während einer gesamtwirtschaftlichen Flaute aufblüht, hängt vor allem mit zwei Gründen zusammen:

  1. kalkulieren die Verbraucher in diesen Phasen sehr hart und versuchen, weniger Geld für Handwerksdienstleistungen auszugeben und einen größeren Teil anstehender Arbeiten selbst (DIY) auszuführen.
  2. geben Verbraucher während eines anhaltenden Konjunkturrückgangs weniger Geld für Urlaub, Fernreisen und Wochenendtrips aus, sodass das eigene Heim eine deutlich höhere Aufmerksamkeit erfährt.

Allgemein sind jedoch Investitions- und Gebrauchsgüter von Abschwungphasen deutlich stärker betroffen als Konsumgüter des täglichen Bedarfs.

Die Gewinner in den einzelnen Branchen

Im Bekleidungssektor gehören vor allem vertikale Anbieter wie Zara, H&M, Esprit, S.Oliver oder Street One zu den Gewinnern, da sie über ihr Geschäftsmodell in der Lage sind, ein überlegenes Wertversprechen zu liefern. Im Vergleich mit nicht-vertikalen Handelsformen sind die Kollektionen dieser Anbieter deutlich besser auf Konsumentenbedürfnisse ausgerichtet. Zudem machen sie neueste Trends schneller verfügbar und dies nicht nur zu günstigeren Preisen, sondern auch in einer Qualität, die der jeweiligen Preislage angemessen ist.

Im Bereich der Unterhaltungselektronik haben Media Markt (durchschnittliches Wachstum zwischen 2002 und 2006: 4,4 Prozent) und Saturn ihre Stellung als unangefochtene „Category Killer“ gestärkt und systematisch ausgebaut.

Der Umsatz von Expert ging im gleichen Zeitraum um durchschnittlich 0,6 Prozent zurück. Auch andere Wettbewerber hatten der Kombination aus Preisangeboten, Auswahl und Preis-Leitungsverhältnis des Marktführers nichts entgegenzusetzen.   

Bei den Drogerien haben insbesondere Rossmann mit 19,1 Prozent und dm mit 10,2 Prozent in den Jahren zwischen 2002 und 2007 ein rasantes Wachstum hingelegt. Schlecker hinkt mit seinem deutlich stärker auf das Thema „Preis“ fokussierten Geschäftsmodell und einem Wachstum von nur 1,4 Prozent schon klar hinterher. Die Stärke von Rossmann zeigt sich auch bei der Quadratmeterproduktivität, welche mit gut 4.600 Euro fast doppelt so hoch liegt wie bei Schlecker.

Im Lebensmitteleinzelhandel haben vor allem die großen Selbstbedienungswarenhäuser Marktanteile in zahlreichen Non-Food-Bereichen verloren. Dies liegt an einem oft unattraktiveren Produkt- und Preisangebot. Zudem ist das Einkaufserlebnis für die Kunden in sehr vielen Häusern nicht eben verlockend. Die Warenhäuser und Verbrauchermärkte verlieren gerade in Kategorien, in denen sie in punkto Auswahl und Aktualität mit vertikalen Konzepten und „Category Killern“ nicht gleichziehen können – etwa bei

  • Bekleidung,
  • Schuhen,
  • Unterhaltungselektronik,
  • Spielzeug
  • oder Heimwerkerbedarf.

„Unsere Studie zeigt, dass während einer Wirtschaftsflaute insbesondere Handelsunternehmen, gewinnen, die ein solides und klar definiertes Leistungsversprechen anbieten, schnell auf Markttrends reagieren können und über die nötigen finanziellen Ressourcen verfügen, um auch in einer Krise in das Filialnetz, den Markenauftritt oder die Professionalisierung des Geschäftssystems investieren zu können. Insofern ist auch wenig überraschend, dass insbesondere Branchenführer von stagnierender oder rückläufiger Konjunktur profitieren“,

fasst Christian Ziegfeld einige der wichtigsten Erfolgsfaktoren zusammen.

Wie der Handel vom Abschwung profitieren kann

Aus einer Wirtschaftskrise gehen vor allem Unternehmen gestärkt hervor, die in stürmischen Zeiten konsequent und für den Verbraucher verlässlich an ihrem Leistungsversprechen festhalten. Zu den Gewinnern zählen auch jene Unternehmen, die das Wachstum in ihrem Kerngeschäft forcieren und in die Expansion vorantreiben.

Im Textilhandel legten insbesondere die vertikalen Anbieter in den vergangenen Jahren ein sehr zügiges Expansionstempo vor. Die Vertikalen wachsen nicht nur schnell, sondern gleichmäßig und dies sowohl in starken wie auch in schwierigen Jahren.

Zu den Verlierern zählen im Gegensatz dazu Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell nicht rechtzeitig an neue Marktanforderungen und Wettbewerber angepasst haben (zum Beispiel durch Vertikalisierung). Vor allem Händler, deren Leistungsversprechen ohnehin wenig differenziert ist und die dieses durch aktionistische Überbetonung von Einstiegs- und Niedrigpreislagen weiter untergraben, müssen Einbrüche befürchten. Dies gilt vor allem, wenn die betreffenden Anbieter mit den marktbeherrschenden „Category Killern“ (Media Markt etc.) konkurrieren.

Kleinere Preise – Weniger Kunden?

Die Ergebnisse der aktuellen Studie widerlegen die weitverbreitete Vorstellung, eine Positionierung im Niedrigpreissegment garantiere auch in Phasen einer wirtschaftlichen Flaute gute Erträge.

Der DIY-Anbieter Hornbach beispielsweise hat sich mit einem klaren und sehr konsequent gelebten Leistungsversprechen als Preis-Leistungsanbieter von Qualitätsprodukten überproportional entwickelt. Mit einem Wachstum von durchschnittlich 6,6 Prozent von 2000 bis 2006 liegt Hornbach weit vor seinem für „Preis“ stehenden Wettbewerber Praktiker, der im gleichen Zeitraum mit nur durchschnittlich 0,8 Prozent wuchs. Der starke Fokus von Praktiker auf das Thema Preis resultierte hierbei nicht nur in einem schwächeren Umsatzwachstum, sondern hat über die rückläufige „Sogwirkung“ seiner „20 Prozent auf alles“-Aktionen auch nachhaltig negativen Einfluss auf die EBIT-Marge gehabt. Kerstin Lehmann schließt mit einem Rat an die Handelsunternehmen:

„Unsere Analyse macht deutlich, dass aktionistische Preisaktionen, ungesteuertes Trading-down sowie eine zentrale Fokussierung auf das Thema Preis die Händler nachhaltig beschädigen können. Dies sind die wesentlichen Erkenntnisse aus dem letzten Abschwung in den Jahren 2001 und 2002. Die Verantwortlichen in den Unternehmen sollten diese Fakten in der aktuellen Krise unbedingt berücksichtigen.“

[po; Quelle: OC&C Strategy Consultants; Bild: Fotolia.com]

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