Situativer FührungsstilFühren nach dem Leistungsvermögen der Mitarbeiter

Beim situativen Führen passen Führungskräfte ihren Führungsstil an die Fähigkeiten und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter an.

Den idealen Führungsstil gibt es nicht, lautet eine zentrale Botschaft des US-amerikanischen Verhaltensforschers und Unternehmers Paul Hersey. Hersey gilt als Erfinder des situativen Führens. Danach sind Führungskräfte umso erfolgreicher, je flexibler sie im Betriebsalltag reagieren. Mal müssen sie loben, mal korrigieren, mal müssen sie bei der Aufgabenerfüllung unterstützen, ein anderes Mal sich bewusst zurücknehmen.

Führungskräfte versinken oft im Tagesgeschäft

Im betrieblichen Alltag reduziert sich Führung oft auf Anweisungen und Feedback. Führungskräfte fühlen sich oft überfordert mit den vielen Aufgaben, die auf ihren Schultern lasten. Deshalb kümmern sie sich hauptsächlich um die Tagesarbeit. Doch damit beginnt ein Teufelskreislauf. Wenn Führungskräfte ihre Mitarbeiter nicht fördern und entwickeln, können sie ihnen auch nicht sukzessive mehr und komplexere Aufgaben übertragen. Beschäftigte, die zu wenig Unterstützung und Förderung seitens ihrer Vorgesetzten erfahren, knabbern an deren Zeitbudget, weil sie permanent rückfragen müssen oder weil Nacharbeiten nötig sind. Zudem werden die Abläufe verzögert, weil die Mitarbeiter nicht selbstständig arbeiten und entscheiden können – ihnen fehlt das nötige Wissen. So steigt die Belastung der Führungskräfte weiter an.

Stufen der Selbständigkeit von Mitarbeitern

In der Entwicklung von Mitarbeitern lassen sich, abhängig von deren Kompetenz und Leistungsbereitschaft, vier Stufen der Selbstständigkeit (Performance Readiness) unterscheiden:

Selbstständigkeitsgrad R1

Wenn Mitarbeiter mit einer neuen Aufgabe konfrontiert werden, sind sie weder fähig noch bereit, diese zu lösen. Ihnen fehlen sowohl das nötige Können als auch die erforderliche Motivation, die Aufgabe anzugehen.

Selbstständigkeitsgrad R2

Mitarbeiter sind zwar bereit, die neue Aufgabe anzugehen, ihnen fehlt aber die erforderliche Kompetenz.

Selbstständigkeitsgrad R3

Mitarbeiter verfügen zwar über das nötige Können, um die neue Aufgabe anzugehen, ihnen fehlt aber – etwa aufgrund von Unsicherheit – die nötige Motivation.

Selbstständigkeitsgrad R4

Mitarbeiter verfügen nicht nur über das nötige Können zur selbstständigen Erfüllung der Aufgabe, sie sind auch motiviert.

Vier Führungsstile für Führungskräfte

Abhängig vom jeweiligen Entwicklungsstand und Selbstständigkeitsgrad müssen Führungskräfte ein divergierendes Verhalten zeigen. Dabei sollten sie aber beachten, dass jede der vier Stufen der Selbstständigkeit sich stets auf nur eine Aufgabe bezieht. Da sich bei jedem Mitarbeiter Fachkompetenz und Leistungsbereitschaft von Aufgabe zu Aufgabe unterscheiden, müssen Vorgesetzte auch ein unterschiedliches Führungsverhalten zeigen.

Beim Führungsverhalten lassen sich zwei Grundkategorien unterscheiden: Aufgabenorientiertes und beziehungsorientiertes Verhalten. Beim aufgabenorientierten Verhalten geht es darum, wann und wie etwas getan werden muss. Führungskräfte geben Feedback über das Ergebnis. Ziel ist die Kompetenzentwicklung. Das beziehungsorientierte Verhalten zielt auf Eigeninitiative und die Einstellung zu einer Aufgabe ab. Beispiele: loben, zuhören, ermutigen. Entscheidend ist, dass der Mitarbeiter in das Lösen des Problems einbezogen wird.

Aus den beiden Grundkategorien lassen sich, abhängig von deren Ausprägung und Kombination, vier Führungsstile ableiten:

Anweisen

Dieser Führungsstil zeichnet sich durch ein stark dirigierendes und wenig unterstützendes Verhalten aus. Vorgesetzte geben detaillierte Anweisungen, wie eine Aufgabe zu erfüllen ist und überwachen das Vorgehen und die Leistung.

Überzeugen

Dieser Führungsstil ist stark dirigierend und unterstützend. Vorgesetzte erläutern Entscheidungen, erfragen und loben Vorschläge und geben Anleitungen. Mitarbeiter sollen Ideen fürs Vorgehen einbringen. Entscheidungen treffen aber weiterhin die Vorgesetzten.

Partizipieren

Kennzeichen dieses Führungsstils ist ein stark unterstützendes und wenig direktives Verhalten. Es geht primär um ein Stärken oder Bewahren des Engagements der Mitarbeiter. Vorgesetzte hören zu und ermutigen zu eigenverantwortlichen Entscheidungen und Problemlösungen.

Delegieren

Bei diesem Führungsstil wird nur wenig dirigiert und unterstützt. Mitarbeiter sollen eigenständig handeln. Vorgesetzte sorgen für die nötigen Ressourcen. Sie bestimmen weiterhin, welche Ergebnisse gewünscht sind und stellen die Zielklarheit sicher. Außerdem beobachten sie die Leistung.

Den richtigen Führungsstil praktizieren

Kennen Führungskräfte diese vier Führungsstile und den Grad der Selbständigkeit ihrer Mitarbeiter, können sie entscheiden, welches Führungsverhalten bei einer Aufgabe angemessen ist. Ist die Aufgabe neu und die Kompetenz des Mitarbeiters noch niedrig (Selbständigkeitsgrad R1), ist der Führungsstil des Anweisens der richtige.

Bei Mitarbeitern, die mit hoher Bereitschaft aber geringem Können an eine neue Aufgabe herangehen (Selbständigkeitsgrad R2), gilt es zunächst die Motivation zu erhalten. Zudem ist Erklären und Trainieren angesagt.

Haben Mitarbeiter hingegen schon gute Fähigkeiten entwickelt, scheuen sich aber diese anzuwenden (Selbständigkeitsgrad R3), ist mentale Unterstützung erforderlich. Die Führungskräfte beteiligen sie am Entscheidungsprozess, überlassen ihnen aber die Umsetzung.

Zeichnen sich Mitarbeiter wiederum durch eine bereits große Routine aus und stimmt ihre Leistungsbereitschaft (Selbständigkeitsgrad R4), können Führungskräft die Aufgabe delegieren.

Fazit

Durch flexibles Führungsverhalten werden die Kompetenz und das Leistungsvermögen der Mitarbeiter sukzessive ausgebaut. Für Führungskräfte bedeutet das: Sie müssen seltener als „Feuerwehr“ eingreifen und haben mehr Zeit für ihre Kernaufgaben. Sie erhalten ein Vielfaches der von ihnen in die Entwicklung der Mitarbeiter investierten Zeit zurück. Am Ende steigen auch Produktivität und Zufriedenheit der Beschäftigten insgesamt.

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