Change ManagementSo funktioniert Agile Change Management

Agile Change Management strebt Verbesserungen „in kleinen Häppchen“ an und wird von den Betroffenen selbst initiiert und umgesetzt. Was unterscheidet das agile Vorgehen im Change Management vom klassischen Change Management und welchen Prinzipien folgt es?
Von Oliver Wüntsch

Was nützt Agile Change Management?

Die Methoden des Agile Change Managements helfen, komplexe Veränderungsvorhaben in Unternehmen zu planen und zu steuern.

Viele Unternehmen setzen auch in der digitalen Transformation auf Stabilisierung und verpassen die Chance, sich weiterzuentwickeln und den Bedürfnissen ihrer Märkte anzupassen. Agile Change Management geht mit der Veränderung und denkt Planungsunsicherheiten von Anfang an mit. Wie funktioniert Agile Change Management?

Agile Change Management versus klassisches Change Management

Klassisches Change Management plant Veränderungen detailliert und setzt diese planmäßig um. Der Nachteil: Das Unternehmen ist damit weniger flexibel, sich auf plötzliche Veränderungen – beispielsweise in den Kundenanforderungen – einzustellen. Zwar vollzieht sich Veränderung auch in klassischen Change-Ansätzen. Dabei wird jedoch versucht, die unruhige Change-Phase wieder auf einen stabilen, planbaren Zustand zurückzuführen.

Dem agilen Vorgehen dagegen ist nicht daran gelegen, Veränderungsprozesse schnellstmöglich zu überwinden. Stattdessen ist ein Zustand des ständigen Überprüfens, Ausprobierens und Anpassens ausdrücklich erwünscht. Ausgangspunkt der agilen Transformation ist der Versuch, sich kontinuierlich zu verbessern - und „in kleinen Häppchen“ Verbesserungen zu erreichen und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Wie Agile Change Management funktioniert

Agile Change Management zielt darauf ab, alle von der Veränderung betroffenen Personen in den Prozess zu integrieren. Im Idealfall führen sie die Veränderungen sogar selbst durch. Deshalb ist es beispielsweise wichtig, Räume für die Kommunikation zu schaffen.

Diese (idealerweise) offen gestalteten Räume bieten die Möglichkeit zum Austausch und für das Problemlösen – zwischen den Personen, die die Veränderungsexperimente entwickeln und durchführen, und dem Management, das sie dabei unterstützt. Das Ergebnis: Kommunikationsräume sorgen für schnellere und qualitativ bessere Ergebnisse.

Neben „weichen“ Faktoren wie der Raumgestaltung bedient sich Agile Change Management der Schlüsselprinzipien aus dem klassischen Change Management, wie zum Beispiel den acht Stufen der Veränderung nach Kotter. Hinzu kommen Lean-Startup-Methoden, die beim Planen und Steuern von Veränderungen auf kollaborative und feedback-orientierte Arbeitsweisen setzen.

Drei Prinzipien des Agile Change Management

Zu den agilen Prinzipien zählen die Selbstorganisation und Selbstverantwortung aller Beteiligten. Behandeln Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend und Sie werden in den meisten Fällen merken, dass das Commitment im Team steigt und sich alle der gemeinsamen Aufgabe verpflichtet fühlen. Weitere wichtige Werte, die sich in der agilen Arbeitsweise niederschlagen, sind Kollaboration und eine offene Feedback-Kultur.

1. Denken in Experimenten

Das Ziel ist es, Veränderungen in kleinen Schritten einzuführen. Setzen Sie zuerst Kreativität frei – indem Sie Ihr interdisziplinäres Veränderungsteam auffordern, wild über mögliche zukünftige Entwicklungen zu spekulieren. Wenn Sie das Experiment so vorbereiten, schaffen Sie Raum, um Maßnahmen zu planen und Ihr Backlog mit spannenden Ideen für Ihre gemeinsame Vision zu füllen. Erst dann folgen analog der Scrum-Methode erste Veränderungsexperimente.

Führen Sie einen zwei- bis vierwöchigen Sprint durch und halten Sie Daily-Stand-up-Meetings ab. Am Ende des Sprints gibt es ein Review oder eine Retrospektive. In dieser werten alle gemeinsam aus, ob sich die Annahmen für den erfolgreichen Wandel bewährt haben. Die in Experimenten gesammelten Erfahrungen sind eine fundierte Entscheidungsgrundlage dafür, ob die Neuerungen in die Breite transportiert werden sollen oder nicht.

2. Schnelles Feedback

Der Prozess des agilen Change Managements lebt von kurzen Feedbackschleifen. Damit das Veränderungsteam auf konkrete Problemstellungen eingehen und Ideen für Neuerungen testen kann, gilt es, regelmäßiges Feedback von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie von Stakeholdern einzuholen.

Dabei helfen in den agilen Prozess eingebettete Checkpoints, beispielsweise wöchentliche Lean-Coffee-Meetings, in denen offen über den Change gesprochen werden kann. Das Veränderungsteam tauscht sich in regelmäßigen Planungstreffen über die gewonnenen Erkenntnisse aus, identifiziert mögliche Hindernisse und bereitet die nächsten Veränderungsexperimente vor.

Im Auswertungstreffen am Ende des Sprints kommen Management und Veränderungsteam zusammen, um die durchgeführten Veränderungsexperimente zu besprechen. Hier beurteilt man gemeinsam die gewonnenen Erkenntnisse. Außerdem geht es darum, noch nicht erreichte Vorgaben für das nächste Planungstreffen zu identifizieren. In der Retrospektive bespricht das Team, was gut gelaufen ist und was künftig noch verbessert werden kann.

3. Kontinuierliches Lernen

Veränderung in Agile-Change-Prozessen ist keine einmalige, abzuschließende Aktion, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Während herkömmliche Methoden wie Kaizen oder KVP (kontinuierlicher Verbesserungsprozess) Bestehendes immer weiter optimieren wollen, geht echtes Lean Change Management weiter. Ihm geht es um das radikal Neue.

Im Lean-Change-Zyklus sind experimentelles und agiles Lernen bereits angelegt. Kern jedes Sprints ist der Wissensaustausch. Dabei geben die Teammitglieder nicht nur untereinander Wissen weiter, sondern sie beteiligen alle Stakeholder und betroffenen Personen. Das Resultat ist eine kontinuierlich lernende Organisation.

Doch wie kann die praktische Umsetzung aussehen? Das Lernen in Sprints sieht einen Wechsel von Arbeits- und Lernphasen vor. Dabei wird Erreichtes immer wieder reflektiert und gegebenenfalls an neue Anforderungen angepasst. Alle Teammitglieder arbeiten selbstorganisiert. Gleichzeitig gibt es ausreichend Freiräume für soziales Lernen im Team, zum Beispiel in den Reviews am Ende der Sprints.

Wie Agile Change Management abläuft

Der folgende idealtypische Ablauf orientiert sich an der agilen Methode Scrum:

Lift-off-Meeting

  1. Veränderungsidee oder Problem anbringen
  2. Raum für Spekulationen, Vermutungen, Annahmen schaffen
  3. Einsichten, zum Beispiel auf Hypothesen-Karten, formulieren
  4. Maßnahmen für Veränderungsexperimente entwickeln, testen und auswählen

Veränderungsexperimente durchführen

  1. Ausgewählte Maßnahmen in Aufgabenpakete zerlegen
  2. Kriterien für die Erfolgsmessung definieren
  3. Aufgaben mit Austausch in Daily-Stand-up-Meetings umsetzen
  4. Auswerten und Erfolgskontrolle: Haben wir das Ziel erreicht?

Retrospektive

  1. Bei Erfolg, wenn die Ziele erreicht wurden: Vorgehen reflektieren und Erfolg feiern; Überlegungen, wie die Erfolge in die Breite transportiert werden können
  2. Bei Misserfolg: Vorgehen reflektieren; neue Erkenntnisse und Verbesserungsmöglichkeiten festhalten; neuen Durchlauf starten

Erfolgsfaktoren für Agile Change Management

Die folgenden Tipps unterstützen die agile Transformation mithilfe agiler Methoden:

1. Die richtige Kommunikation

Wichtig ist es, die anstehende Transformation zu Beginn an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu kommunizieren. Dabei hilft es, zu klären:

  • Wie wird die entwickelte Change Story am besten transportiert?
  • Welches Medium eignet sich für das Vermitteln der Botschaft?

Unter Umständen reicht es nicht aus, dass die Führungskräfte die Neuigkeit im nächsten Team-Meeting verkünden. Es gilt, einen eindeutigen Startschuss zu setzen, der besonders motivierend wirkt.

Form nimmt ein solcher Startschuss beispielsweise in einem Town-Hall-Meeting an. Auch hier zählt Kreativität. So kann das Event als Videobotschaft des Vorstands, als gemeinsame digitale oder analoge Konferenz oder als Roadshow des Managements unter Einbezug aller Standorte stattfinden. In jedem Fall sollte das Event unterstreichen, wie nötig eine Verbesserung ist und dass das Management mögliche Rückschläge als Lerngelegenheiten begrüßt.

2. Absprachen und Zusammenarbeit

Neben der Kommunikation ins gesamte Unternehmen sind die Absprache und Zusammenarbeit in den beteiligten Projektteams wichtig. Für einen guten Überblick und Spaß an der Arbeit sorgen agile Planungstools, die auf visuelle Planung und transparente Projektsteuerung setzen.

Ein Beispiel ist die Projektsteuerung mit Kanban. Die Spalten auf dem Kanban-Board stellen die einzelnen Prozessphasen dar. Wenn eine Aufgabe in den Workflow aufgenommen wird, erhält sie eine eigene Karte und durchläuft dann alle Spalten des Boards. Der Status der Aufgaben wird durch die Kategorien „Angefordert“, „In Bearbeitung“ und „Erledigt“ angezeigt. Natürlich können Sie so viele Kategorien erstellen, wie Sie für die Visualisierung Ihres Workflows benötigen.

3. Bottom-Up-Down-Ansatz

Zur agilen Transformation gehört auch die Neuverteilung von Führungsaufgaben. Zwar ist Führung weiterhin wichtig, viele Aufgaben können aber die Teams übernehmen. In der Praxis hat sich hier ein Bottom-Up-Down-Ansatz bewährt.

In der ersten frühen Phase, in der im Unternehmen nur wenige Erfahrungen vorliegen, geht es darum, zu lernen und das Wissen zu erweitern. In dieser Zeit findet viel Bottom-up-Lernen statt, am Beispiel konkreter Anwendungsfälle wird ausprobiert und getestet. Das Management nimmt dabei eine unterstützende Rolle ein, hält den Teams den Rücken frei und steht für Fragen und bei Unsicherheiten zur Verfügung.

Sind die Veränderungsexperimente erfolgreich, wird der bisherige Bottom-up-Ansatz mit Top-Down-Elementen ergänzt. Es obliegt nun dem Management, die nächsten Schritte richtig zu priorisieren und die in der vorherigen Phase gewonnenen Erkenntnisse zielgerichtet für weitere Veränderungen zu nutzen.

4. Raum für Austausch und Fehler

Damit das Thema Agilität im Unternehmen präsent bleibt, lohnt es sich, in Events zu investieren. Entsprechende Formate verbreiten und unterstützen damit außerdem eine offene Fehlerkultur.

Ein gutes Beispiel sind sogenannte Fuck-up-Nights, in denen Menschen, die etwas bewegen wollten, von ihren Misserfolgen berichten. An den Abenden geht es um Erfahrungen und Fehler und darum, was man aus ihnen lernen kann. Außerdem reflektiert man gemeinsam den Umgang mit Fehlern.

Die im Rahmen solcher Events praktizierte Fehlerkultur verändert die Einstellung Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wer darauf vertrauen kann, dass Fehler nicht bestraft werden, probiert Dinge aus und traut sich, ungewöhnliche Ideen mit anderen zu teilen.

Dazu im Management-Handbuch

Ähnliche Artikel

Excel-Tipps

Zurück zum Artikel