SpielzeugStrategie und Innovation bei Bobbycar und Co.

Die Wiege der deutschen Spielwarenbranche liegt in Franken und hat Berühmtheiten wie das BIG-Bobbycar hervorgebracht. Das Erfolgsrezept: Tradition, Innovation und Wachstum mit gezielten Firmenübernahmen.

Die Globalisierung blieb auch im Spielzeugland nicht stehen und hinterließ in Deutschland hauptsächlich Nischenproduzenten und eine Hand voll Weltmarken wie Playmobil oder Carrera, alle angesiedelt im Großraum Nürnberg-Fürth. In ganz Bayern produzieren nur noch rund 6.000 Menschen Spielwaren „Made in Germany“, in Deutschland sind es noch 12.000.

Doch die wenigen Verbliebenen behaupten sich wacker. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Spielwarenbranche zum Teil zweistellige Umsatzzuwächse im heimischen Markt und international - insbesondere in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Osteuropa. Und das einem leicht rückläufigen Marktvolumen zum Trotz. Laut dem Marktforschungsinstitut Eurotoys verkraftete der deutsche Spielwarenmarkt im vergangenen Jahr ein Minus von 1,8 Prozent. Mehr als die Hälfte des Umsatzes wird dabei in der Regel mit Neuheiten gemacht. Doch manche Produkte überstehen Jahrzehnte. So auch das Kinderfahrzeug Bobby des Fürther Unternehmens BIG, heute Teil der Simba-Dickie-Gruppe.

Über BIG und die Simba-Dickie-Gruppe

Michael Sieber gründete Simba Toy 1982 mit fünf Mitarbeitern. Heute arbeiten nach massiven Zukäufen weltweit 900 Angestellte in seinem Spiele-Imperium, 520 davon in Deutschland.

  • 1993 erweitert Sieber die Kernfirma Simba-Toys erstmals und erwirbt den Spielzeugauto-Hersteller Dickie.
  • 1997 kauft er den Holzspielzeughersteller Eichhorn,
  • 1999 Schuco und seine bekannten Blechspielautos,
  • 2001 den Gesellschaftsspielehersteller Noris,
  • 2004 Bobbycar-Hersteller BIG und
  • 2006 schließlich den Plüschtierproduzenten Nicotoy.

Siebers Simba-Dickie-Gruppe gehört nach eigenen Angaben zu den größten Fünf im deutschen Spielwarenmarkt. Der Umsatz der Firmengruppe lag 2006 bei rund 340 Millionen Euro, das Portfolio besteht aus mehr als 3.000 Artikeln. Unter die Marke BIG fallen davon etwa 400 verschiedene Artikel wie das Bobbycar. Täglich rollen 2.000 Bobbys und 3.000 weitere Kunsstoff-Fahrzeuge vom Band. Bis heute wurden mehr als 50 Millionen Stück verkauft, 16 Millionen waren rote Bobbycars.

Vom Hosenknopf zum Bobbycar

1923 gründeten die Gebrüder Höfler eine kleine Metallwarenfabrik für Sirenen, Blechspielautos und Hosenknöpfe. Als 1954 eine reine Blechspielproduktion daraus entstanden war, stieg der junge Diplom-Ingenieur Ernst Bettag als Geschäftsführer in die Höfler-Fabrik ein - ein Glücksfall. Im selben Jahr gelang ihm mit der Blechautoserie Racing-Car ein Bestseller. Später erkannte Bettag im richtigen Moment die Zeichen der Zeit und stieg schneller als die Konkurrenz auf Kunststoff um: So wurde aus der Firma Höfler die BIG-Spielwarenfabrik und aus dem Kleeblatt-Logo ein rot gehörnter, schwarzer Büffel. Für Bettag bedeutete das Markenzeichen Kraft und Unverwüstlichkeit.

Der überregionale Durchbruch gelingt BIG 1972. Auf der Nürnberger Spielwarenmesse fährt Bobby vor. Fortan schrubben Deutschlands Kinder mit ihm über die Fußböden der Wohnstuben und hauen auf die rote Quietschhupe. 16 Millionen verkaufte Bobbys machen es zum meistgekauften Kinderfahrzeug aller Zeiten. Der zweite wichtige Umsatzträger von BIG wird der 1985 präsentierte Kindertraktor John. Er ist der Erste mit realistisch funktionierender Ladeschaufel. Heute produziert BIG fast alles, was man sich an Kunststoffspielzeug vorstellen kann: Vom Hula-Hoop-Reifen bis zum Paddelbötchen.

Mit Investition und Improvisation die Krise gemeistert

Erfolgsverwöhnt wird BIG 1998 unversehens ausgebremst: Am 9. April vernichtet ein Brand innerhalb weniger Stunden das Hauptwerk in Fürth-Stadeln - die Produktion steht. Über Wochen müssen die Kunden aus Lagerbeständen beliefert werden.

Doch BIG macht aus der Not eine Tugend und improvisiert. Innerhalb weniger Wochen entsteht im Zweigwerk in Burghaslach eine alternative Produktion mit brandneuen Maschinen und Montagestraßen. Das Logistikzentrum wird zur Montagehalle für die John-Traktoren umfunktioniert und bereits ein halbes Jahr später ist die Kernproduktpalette wieder zu 80 Prozent lieferbar. In Fürth-Stadeln entsteht bald darauf ein neues Werk auf der grünen Wiese. Das bisherige Investitionsvolumen von rund 30 Millionen rechnete sich schnell. Moderne Logistik, vollautomatische Fertigungssteuerung, Palettenbestückung mit Robotern sowie ein Hochregal-Lager, das mit einer Kapazität für 250.000 Kinderfahrzeugen als überdimensioniert galt – all das macht die Spielzeugfabrik zu einer der modernsten Europas.

Integration in die Simba-Dickie-Gruppe

Nach dem Tod des BIG-Gründers Ernst Bettag im Jahr 2003 kam es zu zähen Verkaufsverhandlungen. Im April 2004 übernahm dann die Simba-Dickie-Gruppe die BIG-Spielwarenfabrik. Zunächst fürchteten die Mitarbeiter, die Produktion würde ins Ausland verlagert. Doch der neue BIG-Chef, Heinrich Sieber investierte (nicht verwandt mit Simba-Dickie-Gründer Michael Siebe). Seinen angekündigten Maßnahmen- und Investitionsplan erfüllte er nach Firmenangaben vollständig und unterschritt die Zeitpläne zum Teil sogar. Die BIG-Verwaltung zog einen Monat früher als geplant in die nur einen Kilometer entfernte Verwaltung von Simba-Dickie um. Endgültig erleichtert waren die Mitarbeiter als Heinrich Sieber im Januar 2005 verkündete:

"Das Bobbycar wird weiterhin in Deutschland produziert, alle Arbeitsplätze wurden erhalten. Wir können hier mit Taten den Beweis antreten, dass wir zu keinem Zeitpunkt die völlig abwegige Verlagerung der Produktion nach Hong Kong geplant hatten. Dies wurde oft von anderen Seiten behauptet und gezielt an die Presse weitergeleitet. [...]"

Nach dem Kauf seien in die BIG-Spielzeugfabrik in Gleißenberg im Steigerwald wie angekündigt rund vier Millionen Euro investiert worden. Weitere 2,2 Millionen Euro investierte Sieber in die Entwicklung von Neuheiten. Denn die Produktinnovationen machen rund 50 Prozent des Umsatzes aus und Michael Siebers weiß aus Erfahrung :

"[...] nur eine innovative und massive Neuheitenoffensive [kann] nachhaltiges Wachstum im Spielwarenmarkt erzeugen. Mit diesem Vorgehen haben wir den Umsatz der 1999 übernommenen Firma Schuco mittlerweile um das 2,5-fache gesteigert und den Umsatz des 2001 übernommenen Spielverlages Noris verdoppelt.“

Bobby fortan mit neuem und alten Design

Die Neuheitenoffensive traf sogar das Ur-Bobbycar. Im Frühjahr 2005 wurde erstmals seit 1972 die Karosserieform modernisiert. Das „New Bobbycar“ ist stromlinienförmig und dem Automobildesign des 21. Jahrhunderts nachempfunden. Die alte Karosserie wird aber weiterproduziert, weil der Nostalgiefaktor die Kinder von 1972 selbst heute dem Kult-Gefährt die Treue halten lässt. Die heute Erwachsenen rasen mit 70 Stundenkilometern auf umgebauten Bobby-Seifenkisten den Hang hinunter. Für die halsbrecherischen Rennen gibt es einen offiziellen Bobbycar-Club, zu den Wettbewerben kommen Zwei- bis Fünftausend Zuschauer, Krombacher, Statravel, Continental und Redbull treten als Sponsoren auf. Seit kurzem gibt es gar motorisierte Bobbycar-Rennen.

Synergien bringen Bobby auf den Weltmarkt

Simba-Dickie produziert in eigenen Betrieben in Deutschland, Tschechien und in Partnerproduktion in Bulgarien und China. Die internationale Ausrichtung begann schon 1985 mit einem Büro in Hongkong. 2006 machte die Firma 60 Prozent ihres Gesamtumsatzes im Ausland, inzwischen sogar in Australien und Dubai. BIG profitiert davon. Bisher lag die Exportquote von BIG und seinen Bobbycars bei 20 Prozent, doch wie der neue Chef Michael Sieber gegenüber dem Bayerischen Rundfunk erklärte, soll sich das ändern:

"Wir profitieren von der Finanzstärke von Simba-Dickie ebenso wie von der internationalen Ausrichtung. 30 bis 40 Prozent [Exportanteil] sollten zu realisieren sein. Die Chinesen sind scharf auf westliche Markenprodukte. ‚Made in Germany' hat dort einen guten Klang."

Synergieeffekte ergeben sich für BIG also besonders im internationalen Vertrieb. Hier bringt Simba-Dickie mit 140 Außenstellen eine schlagkräftige Infrastruktur für den internationalen Handel mit. Zusätzlich ergeben sich Markensynergien für das Produktporfolio. Denn warum sollte man die wertvolle Marke Bobbycar nicht auch in weiteren Produkten unterbringen? Das dachten sich auch die Entwickler von Noris und erschufen prompt das Bobbycar-Brettspiel.

Hinweis

Das lernen Sie

  • Mit behutsamer Markenpflege und einer klaren Strategie sind Unternehmen auch in Hochlohnstandorten sehr erfolgreich.
  • Selbst Traditionsprodukte wie das Bobbycar bedürfen der Anpassung an eine neue Generation. Ist eine nostalgische Anhängerschaft verblieben, empfiehlt sich die parallele Produktion von altem und neuem Modell
  • Manche Branchen sind immens abhängig von Neuheiten und Produktinnovationen. Hier gilt es mutig zu investieren.

Dazu im Management-Handbuch

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