Starke MarkenEinfachheit als Erfolgsfaktor
„Wenn ich viel Zeit habe, schreibe ich dir einen kurzen Brief“. Bereits Johann Wolfgang von Goethe erkannte, dass es eine hohe Kunst ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Starke Marken verfügen über diese Fähigkeit. So sind junge Marken wie Google, Bionade oder Fressnapf streng auf Einfachheit getrimmt. Eingeführte Marken wie Aldi, Geox oder Apple achten dogmatisch darauf, nicht zu breit oder kompliziert zu werden.
Darüber hinaus zeigt die aktuell aufgesetzte Markenstrategie der Telekom, dass sich Einfachheit auch exzellent für eine Neuausrichtung von Marken eignet. Die Leistungsversprechen „Innovation, Kompetenz“ und „Einfachheit“ sprechen für sich. Offensichtlich ist es lohnenswert, sich Gedanken über Einfachheit in der Markenführung zu machen. Dies wollen wir mit zwei Fragestellungen tun: Wie stehen Kunden zum Konzept der Einfachheit? Wie lässt sich Einfachheit als Erfolgsfaktor starker Marken umsetzten?
Sehnsucht nach Einfachheit und Transparenz
„Ich kaufe nur Produkte, deren Anwendung ich sofort verstehe“. Dieses qualitative Kundenstatement eines Befragten unserer repräsentativen Marktforschungsstudie bei 1.200 Personen in Deutschland bringt die rationale Seite der Einfachheit auf den Punkt.
Darüber hinaus haben wir in unserer Studie auch eine emotionale Sehnsucht nach Orientierung, Transparenz, Vertrauen und Komplexitätsreduktion festgestellt. Die Ergebnis-Highlights dieser Marktforschungsstudie zeigen, dass Einfachheit eine außergewöhnliche Positionierungschance mit nachhaltiger Wirkung für starke Marken ist.
- Es gibt kaum Produkte oder Dienstleistungen, die das Leben einfacher machen: Mit (lediglich) 31 Prozent liegen Internetshopping und Onlinebestellung auf Platz 1 bei den Antworten auf diese offene Frage. Es folgen Autos mit 21 Prozent und Computer mit 18 Prozent. Ernüchternd ist die Tatsache, dass Mobiltelefone erst mit 11 Prozent an 4. Stelle folgen. Mit anderen Worten: Nur einer von 10 Befragten ist der Meinung, dass Handys das Leben erleichtern.
- Bei der Frage nach der Einfachheit ausgewählter Produkte beziehungsweise Aktivitäten liegen Bankgeschäfte und der Wechsel des Telefon- beziehungsweise Stromanbieters ganz hinten: Lediglich 19 Prozent halten den Wechsel des Telefon- beziehungsweise Stromanbieters für einfach, bei Bankgeschäften sind dies (immerhin oder nur) 26,5 Prozent.
- Der Nutzungsgrad der Funktionen ausgewählter Geräte ist ernüchternd: Bei Haushaltsgeräten werden immerhin 64 Prozent der Funktionen genutzt. Damit liegt „Weiße Ware“ hinsichtlich des Nutzungsgrades nicht etwa hinten, sondern ganz vorne. Das (traurige) Ende der Fahnenstange bilden Handys mit einem angegebenen Nutzungsgrad von 42 Prozent der Funktionen. Mit anderen Worten: Im Durchschnitt sind 40-60 Prozent der Funktionen ausgewählter Geräte überflüssig.
Die Ergebnisse zeigen, dass es sich in Zukunft für starke Marken mehr denn je lohnt, den Kunden das Leben einfacher zu machen.
Aus diesen Ergebnissen und den Referentenstatements unseres 4. Unternehmertags „Einfacher = Erfolgreicher“ lassen sich sieben Erfolgsfaktoren zur Schärfung von Markenprofilen durch mehr Einfachheit ableiten.
1. Konzentration auf das, was der Kunde wirklich will
Laut Prof. Detlef Zühlke vom Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz leben wir zunehmend in einer Bedienkrise. In seinem Buch „Der Intelligente Versager“ beschreibt er, wie die „dummen Kunden“ im Krieg der Knöpfe zunehmend frustriert werden. Die Paradoxie des „weniger ist mehr“ kommt im aktuell auf dem Markt eingeführten Handy „Handleeasy 330 GSM“ in skurriler Weise zum Ausdruck: Der Spiegel widmet diesem „Traumprodukt vieler Technikverweigerer“ einen Artikel mit dem Titel „Einfach telefonieren – was will man mehr?“. Dieses, konsequent auf nützliche Funktionen reduzierte Gerät ist zu einem Preis von 130 Euro angesichts seines Funktionsumfangs nicht gerade ein Schnäppchen.
„Gerade deshalb“, so der Spiegel „werden Kunden tatsächlich einmal etwas tiefer in die Tasche greifen, um im Gegenzug etwas weniger zu bekommen“. Die Paradoxie „Weniger Funktionen für mehr Geld“ sollten wir künftig beispielsweise in der Marktforschung aufgreifen. Anstatt permanent zu fragen was Kunden noch zusätzlich wollen sollten wir uns auf andere Fragen konzentrieren:
- Welche Funktionen sind überflüssig?
- Ist die Bedienung einfach und selbsterklärend?
- Welches sind die signifikanten Werttreiber von Marken?
Die Beantwortung dieser Fragen hilft ungemein, sich in seiner Markenstrategie auf das Wesentliche zu konzentrieren.
2. Fokussierung der Markenkommunikation auf ein Thema
Barack Obama hat mit der Besetzung des Begriffs „Change“gezeigt, welche Durchschlagskraft die Besetzung eines Themas („One Word Equity“) hat. Wer sich bei dieser anspruchsvollen Aufgabe schwer tut, sollte zumindest seine Werbebotschaften in eine Hierarchie bringen.
3. Lassen Sie Ihre Produkte wirken
In unserer Marktforschungsstudie haben wir einen wichtigen Wirkungszusammenhang aufgedeckt: Einfache Produkte erzeugen Ehrlichkeit und Ehrlichkeit erzeugt Vertrauen. Dieser Zusammenhang wurde insbesondere von den Banken verkannt, die besonders negativ von der aktuellen Finanzkrise betroffen sind. Die eigentliche Ursache der Finanzkrise lag im Angebot komplexer Finanzprodukte, die oftmals die eigenen Berater nicht verstanden haben. Verlorenes Vertrauen kann hier nur mit konsequenter Vereinfachung der Produkte zurückgewonnen werden. Ein weiteres Erfolgsbeispiel für einfache und transparente Produkte ist Bionade. Bereits die Verpackung signalisiert Transparenz, Ehrlichkeit und Vertrauen.
4. Bereinigen und strukturieren Sie Ihr Angebotsprogramm
Ausufernde Produktvarianten und Angebotsprogramme sind der sicherste Weg zu Verwirrung und Kaufzurückhaltung. Hier können wir viel von Discountkonzepten wie Aldi oder Fressnapf, aber auch von Marken wie adidas oder Audi lernen: So bringt adidas durch die Bereiche Sport Performance (Sport), Sport Heritage (Revival) und Sport Style (Mode) Übersichtlichkeit, Bedarfsorientierung und Einfachheit in sein Angebotsprogramm. Auch die Marke Audi zeichnet sich durch eine klar nachvollziehbare Modellstrukturierung (A3-A8) in der ausufernden Modellvielfalt vieler Automobilhersteller aus.
5. Übersichtlichkeit und einfache Handhabung als Dogmen von Marken-Websites
Google macht es vor: Die Website der Aufsteiger Marke Nr. 1 ist nicht nur seit Jahren konstant geblieben, sondern glänzt auch durch konsequente Einfachheit. Variationen beschränken sich auf „zeitgeistige“ Anpassungen des Google Logos. Die Durchführung von UseabilityTests möglichst live in Studios sollte Standard sein. Dabei stehen zwei Fragen im Vordergrund:
- Finden Kunden schnell und einfach das, was sie auf der jeweiligen Website suchen?
- 2. Vermittelt die Website die Werte der jeweiligen Marke?
6. Bieten Sie einfache Zugänge zu Ihren Produkten
Wer sich in letzter Zeit mit dem Kauf von Laufschuhen beschäftigt hat, kennt das Dilemma: Unzählige Varianten für unzählige Läufertypen. Sportscheck bietet dafür auf seiner Website mit dem „SolutionFinder“ Abhilfe: Kunden haben mithilfe eines einfachen Menüs die Möglichkeit, sich selbstbestimmt schlau zu machen, welches Produkt für sie geeignet ist.
7. Einfaches Pricing
Die aktuelle Finanzkrise ist eine Komplexitätskrise. Dies liegt nicht nur an komplexen Produkten, sondern auch an einer intransparenten Preisstruktur. Mittlerweile bringen die Medien mehr und mehr ans Licht, dass Bankberater Finanzprodukte auch deshalb wärmstens empfehlen, weil sie selbst von den Verkaufsprovisionen entsprechend profitieren. Abhilfe schaffen transparente und einfach verständliche Preismodelle. So sorgt die quirin-bank mit einer Beratungs-Flatrate von 75 Euro pro Monat derzeit für Furore. Dafür wandern die ansonsten fälligen Verkaufsprovisionen für alle Kunden transparent auf ein Kickback-Konto. Weitere Beispiele für einfache Tarife sind die Mobilfunkmarke Simyo mit dem „besten Einheitstarif, den es je gab“ (Slogan: „Weil einfach einfach einfach ist“) sowie die Marke Ford mit der „Flatrate Relax“ (Mobilität ab 175 Euro pro Monat).
Fazit: Steigern Sie die Durchschlagskraft Ihrer Marke durch Vereinfachung. Möglichkeiten dafür gibt es genug.
Ausblick: Vergessen Sie dabei Emotionen nicht. Gefühle sind nach wie vor für viele Kunden der Weg, um sich im Dickicht der Angebote zu orientieren. Paul Potts und die Telekom machen uns dies vor.
Zur Marktforschungsstudie
Die Puls Marktforschung hat zwischen dem 7. und 14. Juli 2008 in Deutschland insgesamt 1.135 repräsentative Online-Interviews geführt. Gefragt wurde unter anderem, welche Handy-Funktionen überflüssig, und welche Produkte und Dienstleistungen zu kompliziert sind. Außerdem wurde gefragt, was man vereinfachen würde, wenn man für einen Tag Bundeskanzler wäre.
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