StrategieentwicklungMitarbeiter ins Boot holen
Welche Ziele haben wir und wie erreichen wir sie? Auf diese strategischen Fragen sucht jedes Unternehmen eine Antwort. Doch obwohl niemand besser die Kunden und Produkte kennt als die eigenen Mitarbeiter, wird die Beantwortung dieser Fragen oft an Unternehmensberatungen ausgelagert. Diese setzen dann häufig junge, unerfahrene Hochschulabsolventen als „Business Analysts“ ein, die die Geschäftstätigkeit und den Markt des Unternehmens kaum kennen.
Eine Folge dieses Vorgehens: Die extern erarbeiteten Strategien sind meist vage und beliebig. Und die Unternehmen können sich damit weder von ihren Mitbewerbern differenzieren, noch ihre Mitarbeiter inspirieren. Denn diese spüren intuitiv: Es ist vermutlich zielführender, weiter zu machen wie bisher, anstatt die vorgeschlagene Strategie zu realisieren. Von solchen Strategieentwicklungsprozessen bleiben meist nur prall gefüllte Papierordner übrig, die in Aktenschränken verstauben.
Auf die Kompetenz der Mitarbeiter bauen
Doch wie können Unternehmen eine solche Verschwendung von Zeit und Geld vermeiden? Wie können sie eine Strategie entwickeln, die auf ihre Organisation zugeschnitten ist und von den Mitarbeitern akzeptiert und umgesetzt wird? Die Antwort liegt auf der Hand: Indem sie auf die Erfahrung und das Know-how ihrer Mitarbeiter bauen. Denn wer kennt die Produktionsprozesse und -verfahren besser als die eigenen Mitarbeiter? Wer ist mit den Zielmärkten und -kunden stärker vertraut als die eigenen Vertriebsmitarbeiter? Wer kennt die Kundenwünsche besser als die eigenen Serviceleute? Und wer ist mit den Produkten mehr vertraut als die eigenen Techniker und Konstrukteure?
Also liegt es nahe, die Strategie von den Mitarbeitern erarbeiten zu lassen. Selbstverständlich nicht alleine, sondern in einem mit der Unternehmensführung abgestimmten Prozess, bei dem ausgewählte Mitarbeiter in Arbeitsgruppen vorgegebene strategische Aufgaben bearbeiten und ihre Arbeitsergebnisse der Unternehmensspitze zur Entscheidung präsentieren.
Ein solcher Prozess erfolgt nach dem klassischen Muster Analyse – Optionen – Grundstrategien – Planung – Umsetzung. Nach jeder Phase werden die Ergebnisse den firmeninternen Entscheidern präsentiert, von diesen verabschiedet und zur weiteren Ausarbeitung an die Arbeitsgruppen zurückdelegiert. Diese können bei ihrer Arbeit je nach Bedarf und Erfahrung von internen oder externen Spezialisten unterstützt werden. Bei einem solchen Vorgehen werden nicht nur das Know-how und die Erfahrung der Mitarbeiter genutzt. Weil sie aktiv an der Strategieentwicklung beteiligt sind, identifizieren sie sich auch mit ihr und sind entsprechend motiviert und engagiert bei der Umsetzung.
Gemeinsame Erarbeitung einer neuen Strategie
Wie eine integrierte Strategieentwicklung in der Praxis funktionieren kann, sei an einem Beispiel illustriert: Nach einer Restrukturierung, die mit der Entlassung von acht Prozent der Belegschaft verbunden war, stand ein mittelständisches Produktionsunternehmen mit (noch) 1.200 Mitarbeitern vor der Frage, wie es weiter geht. Diese Frage stellte sich nicht nur bezüglich der strategischen Ausrichtung; vielmehr ging es auch darum, die verbliebenen Mitarbeiter von der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu überzeugen.
In dieser Situation entschied die Unternehmensspitze in den verschiedenen Bereichen der Organisation zunächst die Personen zu identifizieren, die Träger von Schlüssel-Know-how sind und in der Zukunftsplanung des Unternehmens eine wichtige Rolle spielen – und zwar auf allen Hierarchieebenen. Sie sollten in dem Strategieentwicklungsprozess aktiv mitarbeiten und parallel dazu im strategischen Management geschult werden.
Nachdem die Schlüsselpersonen identifiziert waren, wurden mehrere Arbeitsgruppen in den Bereichen und bereichsübergreifend gebildet. Sie erhielten unterschiedliche strategische Aufgaben, sammelten Ideen, die anschließend systematisch bezüglich ihres Potenzials, ihrer strategischen Relevanz und ihrer Machbarkeit bewertet wurden. So schälten sich in einem mehrstufigen Verfahren allmählich die Komponenten heraus, die nach einem bereichsübergreifenden Meinungsbildungs- und Abstimmungsprozess in die letztlich von der Unternehmensführung verabschiedete Strategie einflossen.
Geschäftsführung muss Präsenz zeigen
Nach der Verabschiedung der Strategie beauftragte das Top-Management mehrere Projektleiter aus dem Kreis besagter Schlüsselpersonen. Sie sollten mit Arbeitsteams in den verschiedenen Bereichen die erforderlichen Maßnahmen planen und umsetzen, um die Strategie mit Leben zu füllen – ebenfalls in einem strukturierten Prozess. Auch das Planen und Realisieren der Umsetzungsmaßnahmen war folglich das Werk der Mitarbeiter. Die Unternehmensleitung ließ sich jedoch regelmäßig über die Fortschritte informieren und nahm bei Bedarf Anpassungen vor. Nach zirka einem Jahr war der Prozess der Strategieentwicklung und -umsetzung weitgehend abgeschlossen.
Eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen solcher Projekte ist, dass in die strategische Planung von Anfang an Schlüsselpersonen aus allen Bereichen der Organisation involviert werden, die ihrerseits wiederum in einem lebendigen Dialog mit ihrem Umfeld stehen. Dadurch gewinnt die zu verabschiedende Strategie eine sehr hohe Akzeptanz, denn die Mitarbeiter sehen in ihr nicht nur eine Vorgabe „von oben“, sondern betrachten sie als das Ergebnis ihrer Arbeit. Mit diesem Verfahren lassen sich nicht nur unternehmensweite Gesamtstrategien entwickeln, sondern auch Lösungen für strategische Einzelaufgaben von interfunktionalen Teams erarbeiten und anschließend der Geschäftsführung zur Entscheidung vorlegen.
Durch diesen integrierten Ansatz wird die Unternehmensführung jedoch nicht von ihren strategischen Aufgaben entlastet oder gar entbunden. Im Gegenteil. Vorstand und Geschäftsleitung beschäftigen sich sogar intensiver mit der Strategie: Sie lesen Unterlagen und stellen sich intensiven, aufschlussreichen, aber auch herausfordernden Diskussionen mit den Mitarbeitern – nicht nur während der Entwicklung, sondern auch bei der Umsetzung. Sie hinterfragen die Arbeit der Mitarbeiter und auch ihre eigene. Ihre Aufgabe ist und bleibt es nachzuhaken, am Ball zu bleiben und die Umsetzung unterstützend zu forcieren. Fatal wäre es, sich zurückzulehnen und die Soldaten alleine in die Schlacht zu schicken.
Vorteile einer Mitarbeiterintegration
Der beschriebene Ansatz einer integrierten Strategieentwicklung hat folgende Vorteile:
Leichter umsetzbar
Eine mit den Mitarbeitern entwickelte Strategie ist leichter umsetzbar. Die Mitarbeiter werden von Kritikern zu Anwälten der Strategie. Sie sind überzeugt von ihrer Richtigkeit und werden somit zu aktiven Treibern der Umsetzung statt nur als passive Befehlsempfänger zu agieren.
Lust an Veränderung
Durch die Integration von Schlüsselpersonen in den Prozess wird ein Change Management weitgehend überflüssig. Es entsteht eine Lust an Veränderung und Barrieren werden leichter überwunden.
Wissenskonsolidierung
Das Wissen der Organisation wird konsolidiert, verbreitert und nachhaltig verankert. Es bildet die Basis für das eigenständige Weiterentwickeln der Strategie.
Schulung im strategischen Denken
Die Mitarbeiter werden im strategischen Management geschult. Strategisches Denken und Handeln werden zu einem integralen Teil der Mitarbeiterqualifizierung und Managemententwicklung.
Gemeinsame Sprache
Es entsteht eine gemeinsame Sprache. Die Bedeutung von Begriffen wird geklärt und verstanden, und durch das gleiche Verständnis von Problemen und Lösungen entsteht Vertrauen.
Offene Kommunikation
Offen und konstruktiv über kontroverse Themen zu kommunizieren, wird ein zentrales Element der Unternehmenskultur. Das stärkt das wechselseitige Vertrauen und schafft Transparenz bei der Zusammenarbeit.