Strategien umsetzen Führungskräfte brauchen einen Plan
Viele Strategien starten als Konzeptriesen und enden als Umsetzungszwerge. Oft beschreiben sogenannte Hockey-Schläger-Kurven die Entwicklung des Umsetzungserfolgs: Erst bewegt sich aus Sicht der Verantwortlichen längere Zeit – leider – nichts, dann aber wird es – fest versprochen – steil nach oben gehen. Oder eben nicht. Natürlich braucht Strategieumsetzung Zeit, aber „die Schnellen fressen die Langsamen“. Erfolgreiche Strategien können sogar zu negativen Konsequenzen führen, wenn sich an entscheidenden Stellen nichts verändert.
Mitarbeiter werden mit viel Aufwand geworben, im Alltag aber frustriert
Heute investiert die Fachabteilung „Human Resources“ viel Zeit, Engagement und Geld in Themen wie Employer Branding und Recruitment. Über Social-Media-Kanäle schaffen sie ein positives modernes Unternehmensbild. Allerdings kommt das "Trendence Young Professionals Barometer 2012" zum Ergebnis, dass mehr als ein Drittel der Berufsanfänger den Arbeitgeber wechseln wollen, weil die Arbeit unterfordert, wenig Spielraum für eigene Ideen bietet und die Arbeitsinhalte als nicht interessant oder sogar nicht sinnvoll eingeschätzt werden.
Scheinbar sind Versprechungen von Unternehmen, Anforderungen von Bewerbern und insbesondere die Realität am Arbeitsplatz nicht kompatibel, was den HR-Strategieerfolg mindestens reduziert. Die Rolle der operativen Führungskräfte bei der Strategieumsetzung ist nicht nur in diesem Beispiel von großer Bedeutung.
Operative Manager müssen Strategien umsetzen können
Strategischer Wandel erfordert organisatorische Veränderungsprozesse. Doch schon Voltaire stellte fest, dass Menschen den Fortschritt lieben, aber jede Veränderung hassen. Deshalb ist es allgemein anerkannt, dass aus Betroffenen Beteiligte werden müssen. In über 300 Zielklausuren mit weit über 3.000 Führungskräften (die der Autor selbst durchgeführt hat) hat sich aber ein grundlegender Faktor gezeigt, der Strategieumsetzung verhindert oder zumindest verlangsamt. In diesen Führungskräfte-Klausuren wurden die Unternehmensziele und Unternehmensstrategien vorgestellt, diskutiert, ergänzt und auf Verantwortungsbereiche „heruntergebrochen“. Dann wurden die Ziele „SMART“ formuliert.
SMART
Ziele sollen SMART formuliert sein. SMART ist ein Akronym für Specific (genau beschrieben), Measurable (messbar), Attainable (erreichbar), Relevant (wichtig), Timed (zeitlich bestimmt).
Gerade die möglichst messbare Zielformulierung ist eine wertvolle Planungsmethodik. Nur wer seine Ziele als Ergebnisse und messbar formulieren kann, hat klare Vorstellungen von dem, was erreicht werden soll. Er kann deshalb den Weg besser planen und zwischen Effizienz (etwas richtig tun) und Effektivität (das Richtige tun) unterscheiden. Allein durch diese Methodik wird Zielerreichung signifikant verbessert, weil Voraussetzungen und Konsequenzen konkret und transparent werden.
Operative Führungskräfte tun sich schwer, Ziele umzusetzen
Diese Klarheit führt dann meistens schon in den Klausuren beziehungsweise in den Ziele-Workshops zu einer Diskussion über die Umsetzungschancen. Sie werden angezweifelt, obwohl die Ziele als richtig, sinnvoll und notwendig eingeschätzt werden. Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt:
- Wie soll ich das mit der bestehenden Mannschaft (auch noch) umsetzen?
- Welche Aufgaben muss ich wie verändern oder sogar komplett neu überdenken?
- Was tue ich, wenn neue Anforderungen nicht zu Mitarbeiterkompetenzen passen?
- Wie mache ich (neue) Mitarbeiter dafür schnell fit?
- Wie soll ich veränderte Arbeitsinhalte und Arbeitsprozesse zum Laufen bringen?
- Ich brauche dafür mehr Personal oder wie kann ich die Personalkapazität anders ausrichten?
- Wie soll ich die Aufgaben neu verteilen?
- Wie vermeide ich Risiken durch Monopolisten (Mitarbeiter, die ihr Wissen nicht weitergeben) oder unvorhersehbare Ausfälle?
- Wie biete ich gleichzeitig motivierende, interessante Arbeitsinhalte?
- Wie gehe ich mit veränderten Schnittstellen zu anderen Bereichen um?
Hier zeigte sich das eigentliche Schlüsselproblem: Führungskräfte mit direkter Mitarbeiterverantwortung haben ihr Bereichs- und Personalmanagement nicht im Griff. Hätten sie die notwendigen Kompetenzen, könnten sie diese Fragen beantworten. Aber: Sollen sie ihren Bereich neu ausrichten, neue Strategien umsetzen und Veränderungsprozesse effektiv realisieren, fehlt ihnen das Handwerkszeug. Deshalb können sie Entscheidungen nicht begründet treffen und fragen sich, wie sie ihr Team einbinden sollen, wenn sie selbst die Enden nicht zusammen bekommen und keinen Plan haben.
Diese und ähnliche Fragen werden gestellt, wenn Leitungsentscheidungen zum Beispiel dazu führen, dass aus sechs Verkaufsbereichen vier werden sollen, wenn standortübergreifende virtuelle Teams gegründet werden oder wenn mit Recruitment Erwartungen geweckt werden und die Führungskräfte sie nicht einlösen.
Früher genügten einfache Anweisungen …
Im Mittelpunkt von Personal- und Bereichsmanagement steht ein Kombinationsprozess: Aus Zielen und Strategien die richtigen Aufgaben und Prozesse ableiten und zusammen mit fähigen und motivierten Mitarbeitern erreichen – kostenbewusst und wirksam. Das war im letzten Jahrhundert kein Kernproblem. Damals konnten operative Führungskräfte wirklich alles besser als jeder Mitarbeiter; deshalb arbeiteten sie vor allem mit Anweisungen. Weil die Arbeitsinhalte und Arbeitsbedingungen stabil waren oder sich nur langsam veränderten, wurde Bereichs- und Personalmanagement aus dem Bauch heraus gemacht.
… Heute müssen viele Interessen und Beschränkungen unter einen Hut gebracht werden
Inzwischen sind die Arbeitsinhalte komplex, Arbeitsmethoden professionalisiert, und die Veränderungsgeschwindigkeit ist hoch. Zusätzlich wird der Kombinationsprozess durch Flexibilisierungen auf der Mitarbeiterseite (Arbeitszeit, Elternzeit, Homeoffice) anspruchsvoller. Fehlt ein durchdachtes Personal- und Bereichsmanagement, haben auch die Führungskommunikation und die kooperative Führung keine inhaltliche Basis und werden zur Worthülse.
Das betrifft besonders neu ernannte Führungskräfte, die meistens gute Fachleute sind und ihren Führungsanspruch erst unter Beweis stellen müssen. Wenn sie ihr Bereichs- und Personalmanagement nicht planen, können sie Mitarbeiter nicht in Führungs- und Veränderungsprozesse einbeziehen. Dann bekommen sie über kurz oder lang Führungsprobleme und konzentrieren sich auf Fachergebnisse, denn das können sie und daran werden sie kurzfristig beurteilt. Die Folge: Veränderungsprozesse versanden.
Lösung: Qualifizierung der Führungskräfte mit Planungswerkzeugen
Die notwendigen Managementfähigkeiten zu trainieren, war bisher äußerst schwierig, denn die Managementaufgaben sind alle miteinander verknüpft, wie folgendes Beispiel zeigt:
In der Fertigung und Montage sind die Aufgaben der Mitarbeiter meist klar definiert; hier gibt es eindeutige Vorgabezeiten, mit denen das Arbeitsaufkommen und die Kapazitäten leicht aufeinander abgestimmt werden können. In den anderen Abteilungen und Bereichen eines Unternehmens kann die Arbeitsverteilung erst dann realistisch geplant werden, wenn ungefähr der Zeitbedarf für die Aufgabenbearbeitung bekannt ist. Die Bearbeitungszeit insbesondere bei neuen Aufgaben hängt von den Fähigkeiten und der Motivation der Mitarbeiter ab und wird entscheidend beeinflusst von den Arbeitsmitteln und den Arbeitsprozessen, die ebenfalls geplant werden müssen.
Sind diese Planungsfähigkeiten nicht vorhanden oder sind die Arbeitsinhalte neu, entsteht Qualifizierungsbedarf. Da Kapazitäten (Zeiten pro Mitarbeiter) immer begrenzt sind, sollte zuerst geklärt sein, wie viel Zeit in jede Aufgabe investiert werden kann und soll. Außerdem wird die Arbeit von externen Faktoren beeinflusst, die wenig veränderbar scheinen. Management ist wie Zehnkampf, man muss auf allen Feldern gut sein, um ein ansprechendes Gesamtergebnis zu erreichen.
Manager mit Strategien nicht allein lassen, sondern gemeinsam die Umsetzung planen
In Bereichs- und Personalmanagement zu investieren, stärkt die Strategieorientierung. Das kann gut mit der „Eulen-Analogie“ beschrieben werden: Das klügste Tier ist bekanntlich die Eule. Zur Eule kommt nun ein Tausendfüßler, um eine Problemlösung zu erfragen: „Ich habe Schwierigkeiten beim Gehen, weil ich mir öfter selbst auf einige meiner vielen Füße trete.“ Die Eule denkt lange nach und schlägt ihm vor, etwa zwei Zentimeter über der Erde zu schweben. Der Tausendfüßler ist froh über diesen Ratschlag und geht. Nach kurzer Zeit kommt er zurück und fragt, wie er das mit dem Schweben denn realisieren solle. Darauf antwortet die Eule: "Ich habe dir die Strategie genannt. Verschone mich bitte mit den operativen Umsetzungsproblemen."
In Unternehmen erwecken viele Strategien zunächst den Eindruck, als ob sie nie realisierbar wären, bis man anfängt, gemeinsam mit Managementmethoden konkrete Ergebnisse zu definieren und die Umsetzung zu planen. Dann wächst auch die Akzeptanz.