StrategieplanungMittelständler treffen zu viele Bauchentscheidungen

Unternehmensinsolvenzen, Konjunkturschwächen, Finanzkrisen. Drei Stichworte, ein Adressat: der deutsche Mittelstand. Denn zu selten basieren seine Unternehmensstrategien auf betriebswirtschaftlichen Überlegungen – obwohl es viele Möglichkeiten zur Selbsthilfe gibt.

Verglichen mit Großunternehmen leiden mittelständische Unternehmen zumeist besonders stark, wenn sich die Rahmenbedingungen verschlechtern. Zurückzuführen ist dies auch darauf, dass unternehmerische Entscheidungen im Mittelstand noch immer viel zu häufig aus dem Bauch heraus getroffen werden. Doch Bauchentscheidungen erweisen sich bei zunehmender Wettbewerbsintensität und -dynamik immer seltener als optimal, und Geschäftspartner lassen sich vom Bauchgefühl ihres Gegenübers kaum noch überzeugen.

„Was deutschen Mittelständlern bisweilen fehlt, ist eine solide betriebswirtschaftliche Informationsgrundlage und die Bereitschaft, sich diese zu erarbeiten und bei der Entscheidungsfindung zu nutzen.“

Dies sagt Dr. Markus Preißner, Bereichsleiter am Kölner Institut für Handelsforschung (IfH).

Dieser Zustand ist doppelt schädlich:

  • Zum einen ließe sich die Qualität vieler unternehmerischer Entscheidungen im Mittelstand durch eine stärkere betriebswirtschaftliche Fundierung deutlich verbessern.
  • Zum anderen stellt diese auch ein wichtiges Signal für Geschäftspartner wie etwa Lieferanten und Banken dar, wenn über Preise und Konditionen verhandelt wird.

Mittelstand oft als Erstes von Krisen betroffen

Mittelständische Unternehmen werden besonders häufig zum Spielball von Entwicklungen, die sie selbst nicht beeinflussen können. Verschlechtert sich beispielsweise die konjunkturelle Lage oder drängen neue Wettbewerber auf den Markt, trifft dies oft zuerst den Mittelstand. Liquiditätsengpässe etwa beklagen viele Mittelständler. Denn anders als Großunternehmen verfügen sie nur über begrenzte Liquiditätsreserven und eine eher schwache Position bei der Kreditvergabe – in Zeiten einer Hypotheken- und Bankenkrise ein Umstand, mit dem sich mittelständische Unternehmen aktiv und umgehend auseinandersetzen müssen.

Wer sich im Vorfeld eines Bankengesprächs nicht eingehend mit den Stärken und Schwächen seines Unternehmens aus betriebswirtschaftlicher Perspektive beschäftigt und an diesen arbeitet, der gefährdet leichtfertig seine Bonität.

Unternehmenspolitik als Bauchentscheidung

Auch heute noch sind viele Mittelständler weit entfernt von der Einsicht, dass eine betriebswirtschaftliche Fundierung ihrer Entscheidungen sehr wichtig ist. Preißner berichtet:

„Wir haben in der Vergangenheit zu häufig feststellen müssen, dass in mittelständischen Unternehmen Bauchentscheidungen an der Tagesordnung sind und umfangreiche betriebswirtschaftliche Analysen ein Schattendasein fristen.“

Es habe sich aber gezeigt, dass Unternehmen Entscheidungen stets unter Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten treffen und entsprechend vorbereiten sollten.

Insbesondere gilt dies bei Entscheidungen über den Einsatz kostenintensiver Ressourcen. Solche Entscheidungen sind zum Beispiel im Rahmen der Personal-, Sortiments- und Standortpolitik zu treffen.

Hilfe zur Selbsthilfe

Fachverbände und unabhängige Institute bieten mittelständischen Unternehmen vielfältige Instrumente zur Analyse ihrer betriebswirtschaftlichen Situation an:

  • Betriebsvergleich,
  • Benchmarking,
  • Bilanzanalyse,
  • Branchendokumentationen,
  • Bilanzrating etc.

Der Betriebsvergleich beispielsweise unterstützt den Unternehmer dabei, die eigene Position im Wettbewerb zu bestimmen, die Mechanismen und Spielregeln in der Branche besser zu verstehen und Wirkungsprognosen zu erstellen.

Betriebswirtschaftliches Wissen hat viele Vorteile

Nach Meinung Preißners ließen sich unternehmerische Fehlentscheidungen durch den Einsatz solcher Instrumente vielfach vermeiden. Hätten mittelständische Unternehmen ihre Hausaufgaben gemacht und träfen sie ihre Entscheidungen auf einem hohen betriebswirtschaftlichen Niveau, verbesserten sie ihre Chancen im Wettbewerb deutlich. Mit einem Kompass in der Hand lasse sich ein Schiff eben besser steuern als ohne dieses Hilfsmittel.

Zudem honorieren auch Banken, Lieferanten und andere Geschäftspartner den Einsatz derartiger Analyseinstrumente. Sie achten zunehmend auf die Bonität und das betriebswirtschaftliche Know-how ihrer Kunden.

Zwischen Begeisterung und Desinteresse

Betriebswirtschaftliche Analysen stoßen im Mittelstand nicht ausnahmslos auf Gegenliebe. So sind Projektleiter Claus Sondermann vom IfH einerseits Mittelständler bekannt, die intensiv die eigene unternehmerische Situation analysieren und einen Blick über den Tellerrand wagen. Andererseits kennt er aber auch Unternehmer, bei denen betriebswirtschaftliche Analysen auf Desinteresse stoßen:

„Ich kenne viele Einzelhändler persönlich, die sich intensiv bemühen, ihre Entscheidungen betriebswirtschaftlich zu fundieren. Zu aller erst möchte ich da unsere Betriebsvergleichsteilnehmer nennen. Viele von ihnen engagieren sich intensiv in ERFA-Gruppen, um die Ergebnisse unserer Monats- und Jahresauswertungen gemeinschaftlich zu interpretieren und Anregungen zur Verbesserung ihrer eigenen Position herauszuarbeiten. Das halte ich für einen guten Weg. Ich kenne aber auch Einzelhändler, denen sich die Möglichkeiten betriebswirtschaftlicher Analysen und deren Nutzen kaum vermitteln lassen. Eigentlich schade.“

[mg; Quelle: Institut für Handelsforschung; Bild: Fotolia]

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