StressfreiGesundheitsmanagement am Arbeitsplatz
Gründe für eine Selbständigkeit gibt es viele. Einer davon, wer hätte es gedacht, könnte in der verminderten Stressanfälligkeit dieses Berufsstatus liegen. Laut einer Studie der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) haben Menschen, die ihr eigener Herr sind, weniger Stress. Im Rahmen der Untersuchung unter dem Titel Was ist gute Arbeit wurden 5.000 Personen befragt. Für Arbeitnehmer beziehungsweise Angestellte gibt es danach drei nüchterne Erkenntnisse festzuhalten:
- 57,3 Prozent der Angestellten sind einem hohen Fehlbeanspruchungsniveau ausgesetzt; nur 33,2 Prozent der Selbständigen können dies von sich behaupten
- 63 Prozent der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beklagen zu geringe Einflussmöglichkeiten, bei den Selbständigen sind es nur 29,2 Prozent
- Entwicklungsmöglichkeiten finden 56,4 der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu gering, aber nur 26,9 Prozent der Selbständigen
Hinzu kommt, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen oft mit widersprüchlichen Anforderungen zu kämpfen haben, häufiger unter Unsicherheit und Über- oder Unterforderung leiden sowie über eine zu hohe Arbeitsintensität klagen. Ein Argument, das der Volksmund im Regelfall gerne für die Seite der Selbständigen ins Felde führt. Beate Beermann von INQA äußert sich zu den Studienergebnissen:
Unsere Studie zeigt, dass Selbständige durchschnittlich über ein höheres Maß an Selbstbestimmung verfügen und gleichzeitig weniger Fehlbeanspruchung bei der Arbeit erleben als Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Ihre Arbeit ist demnach als weniger gesundheitsgefährdend dafür aber als entwicklungsförderlicher einzustufen als die Arbeitssituation von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Wer seinen Mitarbeitern mehr Selbstbestimmung ermöglicht und Fehlbeanspruchung reduziert - fördert ihr individuelles und berufliches Entwicklungspotenzial und bekommt so mehr Effizienz und Leistung.
Warsteiner: Vorbildliches Gesundheitsmanagement
Sollten wir uns aufgrund dieser Erkenntnisse jetzt alle entschließen, selbständig zu werden? Dies kann wohl kaum die richtige Lösung sein. Zu fragen ist vielmehr, was der Einzelne beziehungsweise was die Unternehmen tun können, damit diese gesundheitsgefährdende Tendenz der Arbeit von Arbeitnehmern und Angestellten gestoppt wird. Denn eines dürfte einleuchten: Nur wer sich in seinem Job wohlfühlt, kann auch die Leistung erbringen, die man von ihm erwartet. Dienst nach Vorschrift wird es in einem solchen Arbeitsklima kaum geben.
Zu Beginn des Jahres wurde bekannt, dass die Warsteiner Brauerei Vorbildliches in Sachen betriebliche Gesundheitsförderung leiste. Was steckt dahinter? Das Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen hatte sich in Zusammenarbeit mit dem Kooperationspartner REVITALIS Lippstadt und dem Forschungs- und Präventionszentrum Köln (FPZ) für ein Zwei-Jahres-Programm zur Förderung der individuellen Mitarbeitergesundheit entschieden. Die Maßnahme trägt den Titel „Wohlfühlen im Job? - Wohlfühlen im Leben!" und berücksichtigt die Aspekte „Rücken", „Bewegung" und „Ernährung". Der Einstieg erfolgt über den Präventions-Pass und sensibilisiert die Warsteiner Mitarbeiter für ein gesundheitsförderndes Verhalten.
Das Brauerei-Unternehmen setzt schon seit Jahren auf eine gezielte Förderung verschiedener Sportangebote. Mit dieser Maßnahme weitet sie jetzt ihr betriebliches Gesundheitsmanagement weiter aus und bietet erstmals einen nachhaltigen und vor allem einen ganzheitlichen Ansatz. So soll das Präventionsprogramm, das vom „Arbeitskreis Gesundheit" der Warsteiner Brauerei entwickelt wurde, ganz individuell auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten eingehen. Ein Eingangstest veranschaulicht dem einzelnen Mitarbeiter zunächst, wie es um seinen persönlichen Trainings- und Gesundheitszustand steht und wie der Ist-Zustand verbessert werden kann. Aufgrund der Ergebnisse, die der Präventions-Pass anschaulich darstellt, sind dann gezielte Empfehlungen an weiterführende Angebote aus dem neuen Programm „Wohlfühlen im Leben!" möglich.
Gesundheitsförderung
Gesundheitsförderung umfasst Maßnahmen und Aktivitäten, mit denen die Stärkung der Gesundheitsressourcen und -potenziale der Menschen erreicht werden sollen. Durch die Veränderung der Arbeits-, Umwelt- und Lebensbedingungen sowie des individuellen Verhaltens sollen bessere Vorkehrungen für gesundes Leben geschaffen werden. Das Konzept der Gesundheitsförderung wurde ursprünglich 1986 von der Weltgesundheitsorganisation WHO entwickelt und in der Ottawa-Charta festgeschrieben.
Damit auch die Wirksamkeit der Warsteiner Gesundheitsprävention wissenschaftlich genau dokumentiert und nachweisbar ist, wird ein Mitarbeiter des Forschungs- und Präventionszentrum Köln das Programm im Rahmen einer Studie begleiten. Eine Maßnahme, die laut Warsteiner in Deutschland bisher einzigartig ist.
Haben neue Beschäftigungsformen Einfluss auf die Gesundheit?
Im Zuge der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sind in den letzten Jahren einige neue Beschäftigungsformen entstanden. Diese wurden in Studien bisher vorwiegend daraufhin untersucht, inwieweit sie als Instrument der Arbeitspolitik tatsächlich taugen. Wenig bis kaum wurden jedoch die Auswirkungen dieser Beschäftigungsformen auf die Gesundheit betrachtet. Ein Beispiel: Befristete Tätigkeiten schaffen zwar zunächst Arbeit, bergen aber aufgrund der Unsicherheit und der ständigen Angst vor dem Verlust der Arbeitsstelle auch ein erhöhtes Risiko psychischer Probleme. Welche Formen neuer Beschäftigung gibt es bisher? Unter alternativen Beschäftigungsformen versteht man zunächst diejenigen Arbeitsverhältnisse, die in „Zeit und Raum“ vom Normalarbeitsverhältnis abweichen. Dies sind insbesondere:
- Teilzeitarbeit: Mini-Jobs, Job-Sharing
- Befristete Beschäftigung
- Telearbeit
- Kontingent-Arbeit: „Arbeit auf Anforderung“
- Freelancer
- Leiharbeit
Die Initiative Gesundheit & Arbeit hat nun in einer eigenen Auswertung den Stand der Forschung in Sachen gesundheitliche Auswirkungen neuer Beschäftigungsformen recherchiert. Für die Teilzeitarbeit existieren insgesamt neuen Studien. Auffällig ist ein eher positiver Einfluss dieser Arbeitsform auf subjektiv wahrgenommene Gesundheitsparameter wie Wohlbefinden oder die psychische Verfassung. Ein negativer Einfluss hingegen ist bei den objektiven Parametern wie Sterblichkeit oder Selbstmordrate zu beobachten. Internationale Studien stellen hier sogar ein doppelt so hohes Risiko fest.
Auch bei befristeten Tätigkeiten kommen nationale und internationale Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen. Zum Teil hat danach diese Form der Arbeit gar keinen Einfluss auf die Gesundheit, während im krassesten Fall eine finnische Studie insbesondere bei befristet tätigen Männern deutlich erhöhte Risiken in Bezug auf Suchtkrankheiten (Rauchen, Alkohol) feststellt. Besonders interessant: Bei Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis reduziert sich dieses Risiko. Es ist dann sogar geringer als bei den zuvor schon unbefristet Beschäftigten.
Zu den Formen Tele- und Leiharbeit beziehungsweise neue Selbständigkeit gibt es derzeit so gut wie keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse. Problematisch bei der Telearbeit erscheint allerdings das „nicht abschalten können“ nach der Arbeitsphase, da Privat- und Arbeitsphäre an einem Ort zusammenfallen. Bei Selbständigen beschränken sich die Ergebnisse auf eine erhöhte Quote an Rücken- und Muskulaturproblemen im Vergleich zu dauerhaft angestellten Personen.
Hinweis
Dass gesunde Mitarbeiter einen erheblichen Wirtschaftsfaktor darstellen, lesen Sie auch in unserer Hintergrundstudie Gesunde Mitarbeiter: Chefs in der Verantwortung.
Burnout Nichts geht mehr
Viele Jobs sind in der Bevölkerung hoch angesehen. Vor allem die IT-Branche wird, auch aufgrund des Booms zu Beginn des neuen Jahrtausends, mit Adjektiven wie hochbezahlt, flexibel und eigenverantwortlich in Verbindung gebraucht. Doch das hat seinen Preis, und der geht meistens zu Lasten der persönlichen Gesundheit. Das Institut für Arbeit und Technik Gelsenkirchen (IAT) hatte über einen Zeitraum von 16 Monaten sieben Mitarbeiterteams in Softwareentwicklungs- und beratungsprojekten der IT-Industrie untersucht und festgestellt: Zu den häufigsten Ursachen psychischer Belastungen in den untersuchten IT-Projekten zählen
- permanenter Zeitdruck,
- nicht geplanter Zusatzaufwand,
- Arbeitsunterbrechungen und
- Lernrestriktionen, die,
- verschärft durch restriktive Zeitvorgaben und Abgabetermine, zu
- ausufernden Arbeitszeiten beitrugen.
Bis zu viermal häufiger als der Durchschnitt der Beschäftigten in Deutschland leiden IT-Beschäftigte unter psychosomatischen Beschwerden wie chronischer Müdigkeit, Nervosität, Schlafstörungen und Magenbeschwerden. Stressphasen von mehr als acht Wochen führen zu einer Zunahme chronischer Erschöpfung - einem Frühindikator für Burnout -, rund 40 Prozent der Befragten wiesen deutliche Anzeichen dafür auf. Etwa 30 Prozent hatten zudem Probleme damit, sich zu erholen.
Zudem konnte die Untersuchung aufdecken, dass es in den Projektgruppen vor allem dort zu einer Manifestierung von Belastungen kam, wo den Mitarbeitern keine wesentlichen Handlungs- beziehungsweise Verhandlungsmöglichkeiten zur Verfügung standen, um eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen zu erzielen. Die in den Projekten vorhandenen Ressourcen wie freie Zeiteinteilung, gute Zusammenarbeit unter Kollegen oder interessante Aufgaben reichten offensichtlich nicht aus, um die Vielzahl widersprüchlicher Anforderungen, mit denen die Projektmitarbeiter konfrontiert werden, angemessen bewältigen zu können.
Zudem beschränkt sich die Teilhabe an Entscheidungen in den Projekten überwiegend auf einen engen Kreis von Themen wie Arbeitszeit- und Urlaubsplanung, Auswahl von Arbeitsmitteln und -methoden sowie Einarbeitung neuer Kollegen. Die Mehrheit der Projektmitarbeiter bleibt von der Gestaltung der Rahmenbedingungen und des Ressourceneinsatzes weitgehend ausgeschlossen.
Burnout-Syndrom
Burnout (engl.: to burn out – ausbrennen) ist ein chronischer Prozess des Erschöpfens der eigenen körperlichen und seelischen Reserven. Dieser Prozess wird von Betroffenen unterschiedlich erlebt, läuft jedoch immer auf einen Zusammenbruch hinaus, falls er nicht gestoppt wird. Burnout gilt nicht als Krankheit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) klassifiziert Burnout als „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“.
Damit es erst gar nicht zum berüchtigten Burnout kommt, helfen bestimmte vorbeugende Maßnahmen beziehungsweise Strategien.
1. Individuelle Vorbeugungsmaßnahmen:
- Zeit und Raum zum Ausruhen
- Ausgleichsmöglichkeiten wie Sport beziehungsweise andere Hobbys
- Alternative Entspannungsangebote wie zum Beispiel Meditation zur geistigen und körperlichen Entlastung
2. Entlastungsmöglichkeiten im Team:
- Realistische Arbeitspläne und umsetzungen
- Raum für Austausch, Feedback und Reflexion (Supervision)
3. Vorbeugung durch den Arbeitgeber:
- Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen
- Ethische Normen und Selbstverpflichtungen
Gebäude sind kein Krankheitsgrund
Zum Schluss eine bemerkenswerte Neuigkeit. Schon Jahre treibt es Forscher und Mediziner um SBS. Das Kürzel steht für das sogenannte Sick-Building-Syndrom und wird von vielen Büroarbeitern mit Kopfschmerzen, juckenden Augen oder auch Müdigkeit in Verbindung gebracht. So beklagen sie beispielsweise veraltete Klimaanlagen oder Schadstoffe, die sich in den Büroräumen befinden würden. Falsch, sagt neuerdings eine britische Studie. Sie sieht die Ursache für diese Symptome nicht bei den Gebäuden angesiedelt, sondern beim Stress. In der Whitehall-Studie hatten britische Forscher des Londoner University College mehr als 4.000 Angestellte in Bürogebäuden befragt. Das Ergebnis: Vor allem Stress und schlechte Arbeitsbedingungen sind für die rätselhafte Bürokrankheit verantwortlich.
Hauptfaktoren für die auftretenden Gesundheitsprobleme seien auch fehlende Unterstützung am Arbeitsplatz und ein insgesamt schlechtes psychosoziales Klima, erläuterten die Forscher. Ihre Empfehlung an das Management von Unternehmen: Arbeitsumfeld und organisation sowie den Grad der Selbstbestimmtheit der Mitarbeiter überprüfen!