TeamarbeitKonflikte fördern Kreativität und Innovationen

Teams können sich blockieren, wenn die Mitglieder kein gemeinsames Aufgabenverständnis und unterschiedliche Sichtweisen haben. Das birgt Konflikte und bremst die Kreativität, so eine verbreitete Meinung. Doch Forschungsergebnisse zeigen, dass dieses Spannungsfeld fruchtbar ist. Wenn die Mitarbeiter Verständnis für andere Sichtweisen aufbringen, sind gemischte Teams meist kreativer und haben die besseren Produktideen.

Viele anspruchsvolle und neuartige Aufgaben lassen sich kaum noch im stillen Kämmerlein bewältigen. Mitarbeiter sind auf die Mitwirkung von Kollegen angewiesen und müssen mit anderen zusammenarbeiten. Ein gutes Beispiel dafür: Bei der Produktentwicklung kommt es auf die „bunte Mischung“ in den Teams an, um die wirklich bahnbrechenden Ideen und Produkte zu finden. Teamarbeit soll zu besseren Ergebnissen führen, weil die Beteiligten

  • unterschiedliche persönliche Sichtweisen einbringen;
  • Informationen aus mehreren Fachgebieten zusammenführen und
  • ihr jeweiliges Kreativitätspotenzial nutzen und so die Wirkung der gemeinsamen Kreativität verstärken.

Doch die interdisziplinäre Zusammenarbeit hat in der Praxis auch ihre Schattenseiten. Gerade weil die Mitarbeiter ihre Erfahrungen in ganz unterschiedlichen Fachbereichen gesammelt haben, haben sie ihre jeweils eigenen Sichtweisen und Werte. Sie haben ihre eigene Art und Weise, an Fragestellungen heranzugehen und Aufgaben zu lösen und meinen, dass diese die richtige sei. Sie können sich nur schwer auf die die Sichtweise der anderen Teammitglieder einstellen. Die Folge: Es gibt Reibungen bei der Zusammenarbeit, die sich zu handfesten Konflikten ausweiten können. Am Ende kommt bei Teamarbeit nichts Brauchbares heraus.

Ist das wirklich so? Und was fördert die Kreativität in heterogenen Teams? Das fragten Laurie R. Weingart und Gergana Todorova von der Tepper School of Business an der Carnegie Mellon University, Pittsburgh, sowie Matthew A. Cronin von der School of Business der George Mason University, Fairfax. Ihnen ging es vor allem darum aufzuzeigen, unter welchen Bedingungen Produktentwicklungsteams wirklich innovativ sind und Produkte hervorbringen, die für die Kunden einen hohen Nutzen haben. Sie haben die Effekte von Konflikten und Teamkoordination auf die Kreativität von Teams untersucht.

Meine Vorstellungen sind richtig, die anderen verstehe ich nicht

Bislang herrschte die Meinung vor, dass die Zusammenarbeit in gemischten Teams eher problematisch sei. Dabei werden folgende Gründe genannt:

  • Die Mitarbeiter haben ein unterschiedliches Verständnis von der Aufgabenstellung.
  • Sie haben jeweils andere Ziele.
  • Sie haben ihre jeweils eigenen Vorstellungen, wie Lösungen entwickelt werden sollten.
  • Sie bringen zu wenig Vertrauen und Respekt ein, um die Personen und die Arbeit anderer Abteilungen im notwendigen Maße anzuerkennen.

Dabei ist es kein böser Wille der Mitarbeiter, dass sie sich nicht auf die Vorstellungen der anderen einlassen. Sie verstehen nur deren Sichtweisen nicht und können sie nicht in ihre eigene Vorstellung einbinden. Die Folge: Die Zusammenarbeit gestaltet sich schwierig und das Ergebnis der Teamarbeit ist nicht befriedigend, weil die Kreativität gebremst wird.

Das verstärkt die Konflikte bei der Teamarbeit, sowohl auf der Ebene der Aufgaben, wie auch auf der Beziehungsebene. Im schlimmsten Fall kann das in einen Teufelskreis führen. Je mehr die Zusammenarbeit von Missverständnissen und Konflikten geprägt ist, desto weniger Verständnis bringen die Mitarbeiter für die Sichtweise ihrer Kollegen auf. Die Arbeitsergebnisse liegen unter den Erwartungen und alle sind enttäuscht.

Konflikte fördern die Kreativität …

Dem widersprechen die Forschungsergebnisse von Weingart und ihren Kolleginnen. Sie haben in einem Laborversuch 21 Teams untersucht, die die Aufgabe hatten, neue Produkte zu entwickeln. Das zentrale Ergebnis: Gerade weil die Teammitglieder sehr unterschiedliche Vorstellungen haben, bringen sie kreative und markttaugliche Lösungen hervor. Denn:

  • Die unterschiedlichen Vorstellungen erhöhen zwar die Konflikte zum richtigen Verständnis der Aufgabenstellung, haben aber keinen Einfluss auf der emotionalen Ebene; alle Teammitglieder respektieren sich und sind an einer gemeinsamen Lösung interessiert.
  • Wenn die Vorstellungen so unterschiedlich sind, strengen sich die Teammitglieder mehr an, um durch geeignete Koordinationsmechanismen eine Verständigung zu erzielen.

Wenn das Problem sichtbar wird, kann es also das Kreativitätspotenzial auch erhöhen. Denn darin liegt ja gerade die Chance: Mit den unterschiedlichen Sichtweisen, die zusammengeführt werden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein neues Produkt die Anforderungen der Kunden besser erfüllt.

… wenn sie zu Beginn ausreichend besprochen werden

Das funktioniert aber nur, wenn das Team geeignete Instrumente einsetzt. Dazu müssen die beteiligten Mitarbeiter zunächst klären, worin sich ihr Verständnis von der Aufgabenstellung unterscheidet. Sie müssen sich ausreichend Zeit lassen und ihre jeweilige Ausgangssituation, ihre Ziele und ihre Vorstellungen zur Lösungsfindung besprechen, um eine Basis für die Zusammenarbeit zu schaffen.

Das überraschende Ergebnis des Forscherteams: Je mehr sich die Teammitglieder über ihre Unterschiede und das Konfliktpotenzial bewusst sind, desto mehr Anstrengungen unternehmen sie, diese Voraussetzungen zu schaffen. Die Folge ist: Sie bringen die besseren Lösungen zustande. Gerade aus diesem Spannungsfeld können also neuartige Produktideen mit großem Marktpotenzial entstehen.

Demgegenüber sind solche Teams nicht so produktiv, die zu Beginn meinen, es gäbe keine unterschiedlichen Ansichten und Verständnisdifferenzen. Sie beginnen vorschnell mit der Lösungsfindung und müssen dann irgendwann feststellen, dass sie nicht richtig vorankommen, weil ihnen die gemeinsame Basis fehlt.

Marlies Komorowski von der Deutsch-Niederländischen Handelskammer in Den Haag hat beobachtet, dass die Mitglieder in multikulturellen Teams oft verunsichert sind. Sie stellt fest:

„Viele Verantwortliche und Mitarbeiter deutsch-niederländischer Teams stehen vor komplexen Fragen. Sie fragen sich, was die Erwartungen an die Eigeninitiative sind, welche Regeln es zu beachten gibt und wie Konflikte vermieden werden können.“

Wenn die Mitarbeiter auf die Zusammenarbeit in solchen Teams richtig vorbereitet werden, beweisen sie oft eine höhere Produktivität und Kreativität als Teams aus nur einer Kultur, so Komorowski.

Vertrauen und Respekt sind wichtige Katalysatoren

Das Spannungsfeld von Verständigungsproblemen einerseits und kreativer Teamarbeit andererseits wird erst richtig fruchtbar, wenn sich die Teammitglieder von Anfang an mit gegenseitigem Vertrauen und Respekt begegnen. Das fällt dann schwer, wenn die Teammitglieder in einem starken Wettbewerb stehen, wenn sie um knappe Ressourcen streiten oder wenn sie um Anerkennung durch das Top-Management buhlen.

Hilfreich ist, wenn es im Unternehmen allgemein akzeptierte Regeln gibt, die Hilfe bieten, um mit solchen Konflikten umzugehen. Dazu können gemeinsame Leitbilder und Werte der Organisationskultur genauso gehören, wie Vorgaben durch das Top-Management. Wenn die Regeln auf der übergeordneten Ebene von den Teammitgliedern anerkannt sind, nutzen sie diese, um ihre Verständigungsprobleme, die sachlichen und die emotionalen Konflikte zu lösen.

Studien zeigen wirtschaftliche Erfolge heterogener Teams

Welche empirisch messbaren Erfolge erzielen heterogene Teams und wie wirkt sich Diversity Management auf den Absatz aus? „Ungleich Besser Diversity Consulting“ hat in ihrem „Business Case Report“ mehr als 70 empirische Studien und Praxisbeispiele zur Wirtschaftlichkeit von Diversity Management ausgewertet. Die Berater haben herausgefunden: Die Unterschiedlichkeit von Beschäftigten stellt einen Vorteil dar, wenn die Vielfalt mit geeigneten Maßnahmen gestaltet wird. Eine Studie unter mehr als 270 Mitarbeitern der Ford-Werke fand heraus, dass heterogene Teams komplexe Aufgaben und Probleme besser lösen. Die University of Illinois ermittelte, dass 72 Prozent der Unternehmen mit einem hohen Grad an ethnischer Vielfalt einen überdurchschnittlich hohen Marktanteil und Gewinn aufweisen.

[Quelle: www.ungleich-besser.de]

Fazit

Obwohl die Forscher rund um Weingart ihre Untersuchungen nur mit studentischen Teams durchgeführt haben, lässt sich einiges auf Unternehmen übertragen. Deren Interesse besteht zunächst darin, innovative Produkte zu entwickeln, die den Bedürfnissen zukünftiger Kunden entsprechen. Das sollen Produktentwicklungsteams möglichst effektiv und effizient leisten. Vor diesem Hintergrund lässt sich festhalten:

  • Interdisziplinäre Teams und unterschiedliche Sichtweisen von Mitarbeitern in Produktentwicklungsteams erzeugen ein Spannungsfeld, in dem kreative Ideen und marktfähige Produkte entstehen.
  • Voraussetzung ist, dass sich die Teammitglieder dieser Spannungen bewusst sind und sie sich bemühen, vor der eigentlichen Produktentwicklungsarbeit ein Verständnis für die jeweils andere Sichtweise zu entwickeln; dafür sollten sie ausreichend Zeit investieren.
  • Das gelingt umso besser, je mehr die Zusammenarbeit von Vertrauen und Respekt geprägt ist; dann finden de Beteiligten eine gemeinsame Basis und Regeln, über die sie ihre unterschiedlichen Sichtweisen für ein übergeordnetes Ziel einbringen können.

Ziel sollte sein, aus einer „bunten Mischung“ in den Teams für Produktentwicklung keine „graue Masse“ zu machen. Jeder sollte seine Sicht der Dinge einbringen, aber auch Verständnis dafür haben, dass man es ganz anders sehen kann.

Quelle mit weiterführenden Ergebnissen:

Laurie R. Weingart, Gergana Todorova und Matthew A. Cronin: Representational Gaps, Team Integration and Team Creativity. The Mediating Roles of Conflict and Coordination, Tepper Working Paper #2008-E11, 2008.

[jf; Bild: Fotolia.com]

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