Turnaround von ProjektenDie Rolle einer konstruktiven Geisteshaltung
Die Geisteshaltung von Projektbeteiligten und dem Projektumfeld prägt die Projektkultur und spielt deshalb gerade in Situationen eines Turnarounds die Schlüsselrolle. Denn wird die Projektkultur nach dem Scheitern eines Projekts nicht geändert, ist der nächste Turnaround schon programmiert.
Geist: Das Richtige erkennen
Die Entwicklung des Geistes bildet das Bewusstsein eines Menschen aus und steigert seine Fähigkeit, Dinge oder Zustände so zu sehen, wie sie tatsächlich sind – also frei von destruktiven Gedanken. Destruktive Gedanken beruhen nicht nur auf negativ assoziierten Empfindungen wie Angst, Druck, Frustration oder Wut. Auch positives Denken kann destruktiv sein, nämlich immer dann, wenn es den Blick auf die Realität einschränkt. Im Zustand der Angst empfindet man die Realität als schlechter, als sie ist. Denkt man nur positiv und sieht alles durch eine rosarote Brille, sieht man die Realität besser, als sie es tatsächlich ist. Positive Gedanken fühlen sich zwar besser an, sind aber gerade deshalb umso tückischer.
Negative und positive Wahrnehmung blenden also gleichermaßen die Realität aus. Ein reiner Geist dagegen zeigt sich in innerer Klarheit, unbeeindruckt von Ideologie, Manipulation und Illusion. Er kann die Realität erkennen. Eine einfache Form reinen Geistes wäre bodenständiger, gesunder Menschenverstand. Der aber ist in so manchen Projekten verloren gegangen. Gesunder Menschenverstand im Projekt äußert sich etwa in der realen Erfassung der Ist-Zeiten (vor allem auch der Überstunden) und der nicht gleichmäßigen Verteilung auf die Planpositionen. Damit sollen eine gute Planung simuliert beziehungsweise Abweichungen vertuscht werden. Dies verhindert jedoch ein realistisches Controlling – und jegliches Lernen aus Fehlern!
Haltung: Das Richtige tun
Die Entwicklung der Haltung steigert die Handlungsfähigkeit. Die Haltung beinhaltet den Mut, einen eigenen Weg zu gehen und nicht mit dem Strom zu schwimmen. Dinge oder Zustände anzusprechen und zu verändern, die richtigen Dinge auch zu tun und auch dann eine Haltung zu vertreten, wenn der äußere Widerstand groß ist. Haltung lässt sich auch als Rückgrat umschreiben. Ein Beispiel: Der Projektleiter kennt die reale Situation seiner Teilprojekte. Er erstellt keinen beschönigten, sondern einen realen Statusbericht für den Vorstand. Ein in konstruktiver Geisteshaltung trainierter Vorstand kann mit dieser Realität konstruktiv umgehen und dadurch rechtzeitig die richtigen Entscheidungen treffen.
Eine konstruktive Geisteshaltung äußert sich bei einem Turnaround eines Projekts in der Fähigkeit, das Projektgeschehen von Beginn an wachsam wahrzunehmen und so zu handeln, dass Wirkung und Folgewirkung konstruktiv sind. Projekte scheitern bereits in der Startphase, weil die Geisteshaltung der Beteiligten, vom Auftraggeber bis zum Dienstleister, schon fixiert ist. Hier steht bereits fest, ob die Beteiligten rechtzeitig oder viel zu spät die Realität erkennen können, sprich: in einer kritischen Situation nur die Symptome eines Problems bekämpfen oder das Problem an der Wurzel packen. Um Probleme an der Wurzel zu erkennen, reichen fachliche Fähigkeiten und soziale Kompetenz nicht aus. Es braucht auch einen reinen Geisteszustand, mit dem die Realität möglichst so gesehen wird, wie sie tatsächlich ist.
Wer sich also bereits in den Wirren eines wie auch immer gearteten Projektplans verstrickt hat, fragt nicht mehr, ob der Plan einen sinnvollen Beitrag zum Projektergebnis leistet, sondern versucht, den Vorgaben gerecht zu werden. Obwohl er möglicherweise selbst erkannt hat, dass die Planung eigentlich unrealistisch ist. Mit einer konstruktiven Geisteshaltung hingegen könnte er zu einem viel früheren Zeitpunkt wahrnehmen, dass dieser Plan die Projektziele gefährdet – und hätte so das Rückgrat, an der richtigen Stelle zu handeln.
Konstruktive Geisteshaltung im Projektkontext
Eine konstruktive Geisteshaltung ist im Projektkontext, vor allem bei einem Projekt im Turnaround, aus unterschiedlichen Gründen wichtig: Die im Projekt entwickelte Geisteshaltung prägt direkt und in kurzer Zeit eine konstruktive Projektkultur, die sich nachhaltig auf die Prozessqualität, Wirksamkeit und Effizienz auswirkt – im aktuellen Projekt und in Folgeprojekten. Für alle Projektbeteiligten entsteht eine Verbesserung der Arbeits- und somit Lebensqualität.
Darüber hinaus wirken die im Projekt eingesetzten Methoden stärker, wenn die Anwender eine konstruktive Geisteshaltung praktizieren. Die besten Methoden nützen nichts, wenn Anwender keinen klaren, wachen Blick auf die Gesamtsituation haben. Das bedeutet: Methoden sind neutrale Werkzeuge, doch der Erfolgsfaktor dahinter ist immer der Mensch, der sie anwendet. Ein Beispiel: Mit einer konstruktiven Geisteshaltung und entsprechendem Geschick lässt sich mit einem Skalpell Leben retten. Umgekehrt kann eine destruktive Geisteshaltung dazu führen, dass damit Leben zerstört wird.
Die Geisteshaltung prägt auch die Projektkultur
Weiterhin prägt die Geisteshaltung auch die Projektkultur. Ein Beispiel: In vielen Projekten wird das Ansprechen von Missständen nicht gerne gesehen – ein klares Zeichen für eine destruktive Kultur. Hier sind Methoden wie etwa Frühindikatoren, die solche Missstände aufdecken, nutzlos. Einen weiterer wichtiger Aspekt: Vor allem bei Projekten in einer Turnaround-Situation ist die Wahrscheinlichkeit einer überwiegend destruktiven Geisteshaltung der Beteiligten des Projektumfelds hoch beziehungsweise schwankt stark zwischen konstruktiv und destruktiv. Ansonsten wäre es möglicherweise gar nicht zu einer derartigen Situation gekommen.
Umso wichtiger ist es, als Projektmanager eine eigene konstruktive Geisteshaltung zu entwickeln und – auch in kleinen Schritten – bewusst damit umzugehen. Vor allem beim Thema „unnötige Kosten“ gelingt es oft leicht, Wirkung und Folgewirkung bestimmter Handlungen aufzuzeigen. Wenn, als Folge einer konstruktiven Geisteshaltung, am Ende sinnlose Kosten reduziert werden, leuchtet das Problem allen Beteiligten ein.
Wer in Geisteshaltung geübt ist, kann Probleme an der Wurzel beseitigen – die Zeit der Symptombekämpfung ist vorbei. Probleme an der Wurzel zu lösen, beispielsweise vorbeugende Fehlervermeidung durch hohe Prozessqualität, ist um ein Vielfaches wirkungsvoller, als sich in Ad-hoc-Eskalationsmeetings um die Symptome zu bemühen. Außerdem werden so die Ziele besser und schneller erreicht. Zu guter Letzt: Aus einer geübten Geisteshaltung heraus lassen sich leicht neue Handlungsfelder erschließen: Wer frei und unbeeindruckt von Unwesentlichem auf ein Projekt schaut sowie Wirkung und Folgewirkung seines Denken und Handelns spürt, erkennt schneller, was zu tun ist.
Die eigene Geisteshaltung und die anderer kennen
Gerade in einem Turnaround liegen aufgrund der unsicheren und angespannten Situation oft die Nerven der Beteiligten blank. Es geht darum, schnell Entscheidungen zu treffen, die das Projekt wieder in sicheres Fahrwasser bringen. Die Erwartungen an den Projektmanager sind entsprechend hoch. Er und andere Schlüsselpersonen können aber nur dann erfolgreich arbeiten, wenn sie Folgendes kennen beziehungsweise einschätzen können:
Geisteshaltung von außen
Im Fall des Projektmanagers ist das die Geisteshaltung seiner Auftraggeber, Sponsoren und der Menschen, auf die er im Projekt trifft.
Eigene Geisteshaltung
Geisteshaltung kann hier als eine höhere Kunst der Selbstreflexion bezeichnet werden. Deshalb ist es wichtig, dass zumindest der Projektmanager und die Schlüsselpersonen diese entwickeln.
Weitergeleitete Geisteshaltung
Im Fall des Projektmanagers sind dies wiederum seine Auftraggeber, Sponsoren und die Menschen, auf die er im Projekt trifft. Aber auch Menschen im privaten Umfeld.
Destruktive Geisteshaltung nicht weitergeben
Verfügt der Projektmanager über keine geeignete Wahrnehmung für die Realität und hat er auch seine Geisteshaltung nicht entsprechend trainiert, wird er in angespannten Situationen den Druck seines Auftraggebers an andere Projektbeteiligte weitergeben. So wird aber nur weiter destruktive Energie verbreitet und potenziert, der Kreislauf jedoch nicht unterbrochen. Erst wenn das gelingt, kann er das System transformieren und zum Besseren hin verändern.
Dazu darf der Projektmanager die von außen auf ihn einwirkende destruktive Energie nicht zu seiner eigenen machen. Zudem muss er lernen, seine eigene destruktive Energie auch tatsächlich als seine eigene zu erkennen und bei sich zu lassen. Er darf sie nicht nach außen weitergeben oder gar die Ursache dafür im Außen suchen.
Die entscheidende Frage lautet also: Wie kann die Geisteshaltung der Projektbeteiligten und damit die Projektkultur transformiert werden? Antwort: Es geht nicht darum, nur die Verblendung anderer zu erkennen, was viel einfacher ist. Es geht darum, zunächst bei sich selbst zu beginnen und nur das, wozu man als Projektleiter – und damit als Führungskraft – selbst bereit ist, auch von anderen zu erwarten und einzufordern.
Fazit
Nur in wenigen Unternehmen und Projekten wird die Geisteshaltung professionell berücksichtigt und entwickelt. Dabei ist sie eine Schlüsselkompetenz der Zukunft, um eine höhere Wirkungskraft zu erzielen, mehr Freiraum zu haben und sich selbst nicht zu verschleißen. Dies setzt jedoch die Akzeptanz voraus, Geisteshaltung an sich und auch die Unterscheidung von destruktiver und konstruktiver Geisteshaltung nicht einfach als eine Methode auswendig zu lernen, sondern als ein Erfahrungsweg zu sehen, den es lohnt zu gehen.