TwitterWas bringt es Unternehmen, wenn sie mitzwitschern?

Das Microblogging-System Twitter wird oft als unverzichtbares Marketing-Instrument angepriesen. Doch müssen Unternehmen jeden Trend mitmachen?

Eine Studie der Berliner PR-Agentur Zucker.Kommunikation zusammen mit Blätterwald zeigt, dass deutsche Unternehmen aktiver twittern als vielfach vermutet wird. 50 Prozent aller DAX-Unternehmen sind hochaktive Twitterer. 40 Prozent twittern auf Deutsch. Das Microblogging-System Twitter wird als neuer Kommunikationskanal demnach ernst genommen.

51 Prozent der Tweets von Unternehmen wie Allianz, Daimler, Deutsche Bahn, Lufthansa, RWE oder Tchibo behandeln dialogische Themen. 32 Prozent aller Unternehmens-Tweets distributieren Nachrichten, 17 Prozent Werbebotschaften. Bei den Profilen der DAX-Unternehmen ist der Anteil der Werbung allerdings doppelt so hoch. Oliver Numrich von Blätterwald meint dazu: "Insgesamt ist das ein erfreuliches Ergebnis. Die große Zahl der twitternden Unternehmen hat uns überrascht. Mit der Analyse können wir belegen, dass die Hälfte der Unternehmen den dialogischen Ansatz von Twitter verstanden hat und entsprechend agiert."

Stichwort

Twitter

Twitter ist ein soziales Netzwerk und ein meist öffentlich einsehbares Tagebuch im Internet (Mikro-Blog). Angemeldete Benutzer können damit kurze Textnachrichten an viele andere Benutzer in Echtzeit senden. Somit ist eine schnelle und gezielte Übertragung prägnanter Informationen möglich.

Als Followers werden die Benutzer bezeichnet, die Twitter-Beiträge (Tweets) abonniert haben und anderen Nutzern somit folgen. Für Unternehmen ist das Ziel, möglichst viele Follower zu gewinnen.

Auch die Reichweite der Internetmeldungen ist nicht zu unterschätzen. Zahlen von Nielsen Online belegen, dass über 80 Prozent der Nutzer nicht direkt die Webadresse in ihren Browser eingeben, sondern über andere Seiten zu Twitter finden. Diese Multiplikatorwirkung ist beträchtlich und kann teilnehmende Unternehmen bekannter und präsenter machen.

Allerdings können auch ungewollt Informationen beispielsweise über Ergebnisse von Betriebsversammlungen oder vertrauliche Gespräche unter Führungskräften ins Netz gelangen. Selbst wenn diese nicht der Wahrheit entsprechen, kann das schädlich sein – wenn beispielsweise über Twitter Investoren verunsichert werden oder Gerüchte über Fusionen gestreut werden.

Geschwindigkeit spielt eine große Rolle, denn nur wer eine interessante Nachricht als Erster verbreitet, wird beachtet. Dabei wird eine fundierte Recherche oft vernachlässigt. Doch der Internetdienst bietet auch manche Vorteile.

Stark genutzt wird Twitter deshalb von Online-Händlern. So die Ergebnisse einer Umfrage von ibi-Research in Regensburg in ihrem E-Commerce-Leitfaden. Über die Hälfte der Befragten Online-Händler setzt sich bereits mit Twitter auseinander. Ein Drittel nutzt Twitter als Marketing-Instrument, während 20 Prozent die Einführung planen. Die Grafik zeigt die Ergebnisse im Einzelnen.

Der Nutzen von Twitter

Durch den zielgerichteten Versand von Nachrichten kann Twitter ein nützliches Marketing-Instrument sein. Unternehmen können Sonderangebote schnell an den Mann bringen, Kampagnen umfangreich promoten oder sogar auch kleinere Produkttests durchführen. Es gibt auch Händler, die ihre ersten Eindrücke einer neu gelieferten Ware schildern und dadurch einen Bezug zu potenziellen Kunden aufbauen. Bei genauer Betrachtung und Analyse seiner „Followers“ kann ein Unternehmen sogar deren Vorlieben und Wünsche herausfinden und so seine Marketingaktivitäten gezielter gestalten.

Beispiele

Dell

Der Hardware-Hersteller Dell hat nach eigenen Angaben schon beachtlichen Umsatz mit Twitter erzielt. Das Unternehmen veröffentlicht Schnäppchen und Sonderangebote über Twitter. Über 3 Millionen US-Dollar will der Computerkonzern so eingenommen haben.

Otto

Der Versandhändler Otto nutzt Twitter, um Mitarbeiter zu rekrutieren oder versucht es zumindest. Er informiert zum Beispiel darüber, auf welchen Jobmessen er vertreten ist und welche neuen Stellen er zu besetzen hat.

Mymuesli.de

Der Online-Shop Mymuesli.de kommuniziet über Twitter mit seinen Kunden. Die tauschen sich über neue Müsli-Mischungen aus und Mymuesli kann so seine Produkte nach den Wünschen der Zielgruppe entwickeln.

Twitter ist nicht für jedes Unternehmen geeignet. Je nach Größe und Branche ist ein Nutzen vorhanden oder auch nicht. Im Marketing kann Twitter helfen, das Unternehmen bekannter zu machen. Gerade wenn die Konkurrenz twittert, verliert ein Unternehmen dadurch vielleicht Kunden, wenn es den Trend nicht mitmacht. Für den Fall, dass Twitter in Zukunft weniger „in“ ist oder durch einen besseren Service abgelöst wird, können Unternehmen dieses Marketing-Instrument auch getrost wieder vernachlässigen.

Die Machtverhältnisse haben sich geändert

Für Kunden ist Twitter ein machtvolles Instrument, um Kritik oder Lob auf schnelle und unkomplizierte Art und Weise zum Ausdruck zu bringen. Das bedeutet für die Unternehmen, dass sie immer auf dem Laufenden sein sollten, was über sie im Netz und vor allem auch in Twitter verbreitet wird.

Früher war das noch alles anders. Beziehungspflege, Public Relations und Öffentlichkeitsarbeit liefen über die klassischen Medien als Mittler. Verlage beispielsweise besaßen lange Zeit die Macht, als zentrale Mittler von Inhalten aufzutreten. Die Redaktionen wählten Informationen aus und überprüften diese.

Diese Rolle verlieren sie nun immer mehr. Mit Weblogs und Microblogging sind die letzten technischen Hürden zur weltweiten Veröffentlichung von unzensierten Inhalten gefallen. Das führt dazu, dass Sachverhalte behauptet werden können, die nicht der Wahrheit entsprechen. Mit negativen Folgen für die Unternehmen.

Manchmal überrennen die Twitterer sogar die klassischen Medien bei Meldungen, aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit. Über das Weiterleiten, den Re-Tweet, wird eine Art Kettenbrief in Gang gesetzt. Zum Beispiel konnte man über Twitter noch vor der offiziellen Bekanntgabe des Ergebnisses der Bundespräsidentenwahl, lesen "Köhler weiter Bundespräsident". Die Pressemitteilung war damit schon veraltet als sie veröffentlicht wurde.

Die Verbraucher melden sich über Twitter oder Blogs, wenn sie sich mitteilen wollen. Der gute alte Leserbrief hat ausgedient. Genauso die E-Mail direkt an das Unternehmen. Und da diese Entwicklung nicht mehr zu stoppen ist, stellt sich für Unternehmen allein schon deshalb die Frage, wie sie künftig Kundenbeziehungen jenseits des klassischen Dialogmarketings gestalten wollen.

Tipps zum Twittern für Unternehmen

Wenn Sie aktiv bei Twitter einsteigen wollen, überlegen Sie sich unbedingt die Ziele im Vorhinein. Was möchten Sie damit erreichen? Denn was nützt es, wenn Sie wild darauf loszwitschern und gar nicht wissen, wo es hinführen soll? Dann können Sie auch nach einiger Zeit überprüfen, ob Sie dem Ziel näher gekommen sind und ob Twitter für Sie rentabel ist. Falls nicht, überdenken Sie Ihre Strategie oder ersparen Sie sich den zusätzlichen Aufwand.

Nachdem Sie klare Ziele gesetzt haben, kann es losgehen. Hier einige Tipps, wie Sie Twitter nutzen sollten:

  1. Beobachten Sie zu Beginn erst einmal andere Microblogger und halten Sie sich noch zurück, bis Sie das Prinzip verstanden haben.
  2. Da Sie als Unternehmen Twitter als Kommunikationsinstrument und Reputationsverstärker nutzen möchten, sollten Sie als Namen kein Pseudonym wählen, sondern entweder den Firmennamen oder eine bekannte Marke. Allerdings kürzen lange Namen Ihre 140 Zeichen. Deshalb ist es in diesem Falle sinnvoll, einen gekürzten Namen zu verwenden.
  3. Auf ein Bild sollten Sie nicht verzichten. Sie können zum Beispiel Ihr Firmenlogo oder das Markenlogo verwenden.
  4. Binden Sie ein Hintergrundbild ein, um sich von anderen Twitterern abzuheben. Beachten Sie dabei gegebenenfalls Ihr Corporate Design.
  5. Um die Anzahl der Followers zu steigern, setzen Sie den Link zu Ihrem Twitter-Account auf die Unternehmens-Website und gegebenenfalls auf andere Online-Profile. Fügen Sie den Link auch bei Ihrer E-Mail-Signatur hinzu.
  6. Noch mehr mögliche Follower finden Sie, indem Sie die Kontakte Ihrer Kontakte auf Gemeinsamkeiten durchsuchen lassen. Zum Beispiel mit dem Werkzeug Twubble.
  7. Inhaltlich sollten Sie immer an die Zielgruppe denken. Berichten Sie deshalb über spannende Themen und schaffen Sie einen unterhaltsamen Mehrwert. Dann bekommen Sie mehr Followers.
  8. Seien Sie aktiv und versuchen Sie häufig neue Beiträge zu twittern. Wenn Sie jedoch nichts zu sagen haben, dann lassen Sie es besser. Denn Banalitäten möchte keiner lesen.
  9. Twittern Sie neue Beiträge zu Zeiten, bei denen die Mehrzahl Ihrer Zielgruppe online ist.
  10. Nutzen Sie Ihre Community für die Beantwortung offener Fragen und Wünsche. Suchen Sie gemeinsame Lösungen.
  11. Setzen Sie sich einen zeitlichen Rahmen, um nicht zu viel Zeit dafür aufzuwenden und alles andere liegen zu lassen.
  12. Wenn Sie derzeit noch keinen Nutzen für Ihr Unternehmen in Twitter sehen, sichern Sie sich aber dennoch schon einmal Ihren eigenen Namen. Sonst geht es Ihnen wie dem Safthersteller Pago, dessen geeignetste Twitter-URL twitter.com/pago nun bereits von einer Nutzerin aus den USA belegt ist.

Nützliche Tools für Twitter

CoTweet: Bis zu 6 User können gleichzeitig einen Twitter Account pflegen und überwachen.

Backtweets: Online Reputation überwachen durch Twitter Monitoring.

Twubble: Twubble stellt Ihnen eine Liste potenzieller Leser Ihrer Tweets zusammen. Als Erstes können Sie diesen Personen folgen und darauf hoffen, dass diese Ihnen wiederum folgen.

Tweetmeme: Zeigt die populärsten Links auf Twitter.

Hashtags: Sucht Begriffe, die mit # gekennzeichnet sind. Mit Hashtag in Twitter ist das Rautezeichen (#) gemeint. Es steht vor Schlagwörtern und wird zum Suchen und Finden von Themen in Twitter benutzt sowie zur Analyse beliebter Twitter-Themen.

Twi: Link-Verkürzer, mit dem der Unternehmensname erhalten bleibt.

Futuretweets:  Zeitversetztes Twittern.

Twinfluence: Statistik Tool für Twitter.

Warum sollten Unternehmen das Twittern sein lassen?

Wer sich als Unternehmen bei Twitter beteiligen will und professionell Kundenpflege betreiben oder neue Kunden gewinnen möchte, der braucht allerdings auch mehr Kapazitäten und muss viel Aufwand betreiben. Am Ende zählt das Ergebnis: Was hat mir der Aufwand gebracht? Wenn der Aufwand nicht im Verhältnis zum Nutzen (neue Kunden, besseres Image, mehr Absatz etc.) steht, lohnt es sich nicht, jeden Trend mitzumachen. Was Sie bedenken sollten:

  • Twittern kostet Arbeitszeit: Wer soll die Pflege der Twitter-Beiträge übernehmen? Entweder die Arbeit wird auf die Mitarbeiter verteilt oder Sie müssen extra einen zusätzlichen Mitarbeiter einstellen, der die Kurzinfos in Twitter einstellt und andere Beiträge verfolgt, damit Sie auf dem Laufenden bleiben, was Ihre Konkurrenten so twittern.
  • Niemand versteht Twitter auf Anhieb, da es etwas kompliziert ist. Das Einarbeiten der Mitarbeiter in das Microblogging Tool kostet Zeit und Geld.
  • Twittern lenkt ab: Wenn Sie Ihre Mitarbeiter mit der Aufgabe vertraut machen, hält das Zwitschern sie von ihren eigentlichen Aufgaben ab.
  • Um wirklich Profit mit Twitter zu machen, müssen die Aufmerksamkeiten in bestimmte Richtungen gelenkt werden. Doch das ist mit sehr großem Aufwand verbunden. Andere Marketingmaßnahmen sind da gezielter und erreichen womöglich eher die Zielgruppe. Twitter ist als primäres Marketing-Tool recht ungeeignet
  • Twittern kann der Online-Reputation (Ruf) schaden. Wenn Sie über alles und nichts twittern, verlieren Sie sich im digitalen Nirwana und lassen sich kaum noch für Ihre Follower einordnen. Tipp: Twittern Sie nur, wenn Sie wichtige Informationen dazu haben.

Es stellt sich auch die Frage, wie lange Twitter noch von Unternehmen als PR- oder Marketinginstrument genutzt werden wird. Vielleicht ist der Hype um das Microblogging schon bald vorbei. Aber wie lange Twitter noch spannend ist, das werden wohl nur die Follower bestimmen.

Video: Diskussion über die Nützlichkeit von Twitter

Eine Diskussion über die Nützlichkeit von Twitter führen Sixtus und Lobo bei 3sat:

Dazu im Management-Handbuch

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