UmsetzungVom richtigen Umgang mit Innovationen
"Innovation braucht Menschen!" (Slogan auf der Website des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, BMBF)
Mit der Politik verhält es sich im Grunde ähnlich wie mit der Wirtschaft. Sie verläuft in Zyklen, lebt von der Kraft der Veränderung und folgt zunehmend den Gesetzen der Mode. Die Versuchung, den aktuellen Innovationstrend deshalb als bloße Übertreibung abzutun und Politiker, die den Begriff der Innovation im Munde führen, entsprechend als »Trend-Opfer« zu bezeichnen, liegt nahe, greift aber definitiv zu kurz. Zu wichtig ist das Element der Erneuerung für den wirtschaftlichen Erfolg und damit für die volkswirtschaftliche Entwicklung insgesamt, als dass es vorschnell auf dem Altar politischer Spitzfindigkeiten geopfert werden dürfte.
Petter Berggren, Leiter e-Platform Strategy bei Sony Europe, hat diesen Zusammenhang jüngst folgendermaßen auf den Punkt gebracht:
"Vielleicht ist die Innovationskraft der einzige Faktor, der einem Land wie dem ihren im Wettbewerb der Nationen noch bleibt. Die Ingenieurkompetenz, die Marke, das Design alleine werden einen solchen Vorsprung kaum noch begründen. Es ist vielmehr die effektive Vernetzung all dieser Kriterien zu kreativen Wertschöpfungsnetzwerken, die einem Land wie Deutschland aus der Krise helfen kann."
Die Praxis zeigt, dass Unternehmen sehr unterschiedlich mit diesen Herausforderungen umgehen. Während in einigen Branchen (zum Beispiel in den Bereichen Telekommunikation und Medien) massiv in Innovationen investiert wird, verhalten sich andere Branchen im Hinblick auf Innovationen eher zurückhaltend.
Eine solche Zurückhaltung muss aus unternehmerischer Perspektive nicht immer falsch sein. Wer es schafft, mit Produkten, die bereits am Markt etabliert sind, die gewünschten Renditen zu erzielen, ist der Konkurrenz meist überlegen. Natürlich darf dabei nicht vergessen werden, dass die Halbwertzeit von Produkten und Marken ständig sinkt und daher bestehende Marktangebote immer schneller durch neue abgelöst werden müssen. Das hier kurz skizzierte Dilemma macht deutlich, warum der Umgang mit dem Neuen noch nie so schwierig war wie heute. In Zeiten, in denen die meisten Unternehmen tagtäglich einen erbitterten Existenzkampf führen müssen und in denen der Aufschwung hartnäckig auf sich warten lässt, mutet die Forderung nach mehr Innovation für manches Unternehmen wie eine Heilsversprechung aus einer fremden Welt an. Wer in den letzten Jahren stagnierende bis rückläufige Umsätze hinnehmen musste und sich mit wachsender Machtlosigkeit den »Geiz ist geil«-Ambitionen einer ganzen Generation gegenübersieht, der weiß häufig nicht so recht, woher er die Kraft nehmen soll, um sich diesen Herausforderungen zu stellen. Genau dieser Zusammenhang ist jedoch fatal: Man braucht kein Ökonom zu sein, um zu erkennen, dass Unternehmen, die sich in schwierigen Zeiten nicht selbst neu erfinden, bald von den Erneuerern am Markt verdrängt werden. Dieser Prozess der »kreativen Zerstörung« ist für eine geschlossene Volkswirtschaft durchaus heilsam. In Zeiten der Globalisierung mündet er jedoch mitunter in eine Katastrophe, nicht nur für das einzelne Unternehmen, sondern im Zweifel sogar für eine ganze Ökonomie.
In solchen Zeiten eine Innovation der Innovation zu fordern bedeutet weniger, einer Erneuerung um jeden Preis das Wort zu reden. Im Gegenteil: Was Unternehmen heute brauchen, ist nicht mehr Innovation, sondern eine andere Form der Innovation. Das Neue muss neu gedacht und entsprechend neu gestaltet werden, so das zentrale Ergebnis einer Management-Befragung von hm+p. Die Befragung hat gezeigt, dass nicht das Innovationsvermögen an sich die größte Herausforderung ist, der sich Unternehmen heute stellen müssen, sondern vielmehr die Fähigkeit, richtig mit diesem umzugehen. Welches sind nach Auffassung der befragten Führungskräfte die signifikantesten Schwachstellen im Management von Innovationen und wie lassen sich diese beseitigen?
Hinweis
Typische Fallstricke im Innovationsmanagement
1. Unsicherheit im Umgang mit der Zukunft
Unternehmen haben heute bei der Entwicklung von Innovationen mit einer zunehmenden Komplexität der marktlichen und technologischen Rahmenbedingungen zu kämpfen. Wer weiß heute schon genau, welche Trends und Technologien sich morgen wie durchsetzen werden und auf welche Bedürfnislagen beim Kunden sie dabei treffen? Umso mehr bedarf es geeigneter Methoden und Instrumente, die den Unternehmen helfen, relevante von irrelevanten Entwicklungen zu unterscheiden und attraktive Opportunitäten in marktfähige Konzepte umzuwandeln.
2. Fehlende strategische Klarheit
Der Erfolg, den Unternehmen auf den Zukunftsmärkten von morgen erzielen können, hängt nicht zuletzt von einer wirksamen Profilierung und Differenzierung vom Wettbewerb ab. Um dies zu erreichen, müssen Unternehmen eine klare Vorstellung davon entwickeln, wo sie zukünftig hinwollen. Genau hier bestehen jedoch gerade im Innovationsmanagement deutliche Defizite. Es fehlt an Orientierung in Form zukunftsfähiger Unternehmens- und Markenleitbilder, klarer Produkt- und Marketing-Roadmaps sowie integrierender Innovations- und Designmanagementstrukturen.
3. Marktforschungsdefizite
Aufgrund der enormen Kosten und der weiter steigenden Risiken, die mit Innovationen verbunden sind, stehen Innovationsmanager unter zunehmendem Evaluationsdruck. Sie müssen nicht nur stimmige Produkt-, Service- und Vermarktungskonzepte in immer kürzerer Zeit entwickeln, sondern darüber hinaus auch immer besser nachweisen können, dass ihre Ideen zum Erfolg führen werden. Die Instrumente, die die etablierte Marktforschung bisher anbietet, damit Unternehmen ihre Ideen und Konzepte abtesten können, weisen deutliche Schwachstellen auf. Deshalb besteht auch in diesem Bereich noch ein deutlicher Innovationsbedarf.
4. Probleme mit den internen Schnittstellen
An der Entwicklung neuer Angebotslösungen sind heute in Unternehmen immer mehrere Personen gleichzeitig beteiligt: F&E, Marketing, Vertrieb, Produktion, Strategisches Management etc. Hinzu kommt eine Vielzahl externer Dienstleis-ter, Zulieferer und Handelspartner, die immer häufiger in Innovationsprozesse involviert werden. Die rechtzeitige und richtige Vernetzung all dieser Personen und Funktionsträger ist daher für den Erfolg der Innovationsprozesse im Unternehmen genauso wichtig wie die dabei entwickelten Konzepte und Ideen.
5. Mangelnde Konsequenz in der Umsetzung
Jede neue Idee, Technologie, Produktlösung oder Dienstleistung ist nur so gut wie das Vermarktungskonzept, das auf sie zugeschnitten wird. Leider scheitern viele gute Innovationen immer wieder daran, dass sie nicht richtig bis zum Endkunden durchgetragen werden. Gute Produkt- bzw. Serviceinnovationen brauchen daher grundsätzlich auch innovative Vermarktungskonzepte. Dies gilt insbesondere in einer Zeit, in der die Unternehmen auf einem globalen Markt agieren und sich dabei einem immer härter werdenden Verdrängungswettbewerb gegenübersehen.
[Quelle: hm+p, Innovationsstudie 2003]
Die von uns ermittelten Ergebnisse decken sich mit den Resultaten verschiedener Innovationsstudien, die in den letzten Monaten von anderen Unternehmensberatungen erstellt wurden. So haben etwa in einer europaweiten Managementbefragung von Booz | Allen | Hamilton deutlich mehr als die Hälfte der befragten Führungskräfte angegeben, sie seien mit dem Innovationsmanagement in ihrem Unternehmen unzufrieden. Erstaunlicherweise wurden dabei von den befragten Managern weniger klassische Innovationstools wie zum Beispiel das Lifecycle-, Portfolio- oder Wissensmanagement als besonders wichtig für den zukünftigen Innovationserfolg eingestuft, sondern ganz im Sinne der hier vertretenen Forderung nach einer Innovation der Innovation ein verbessertes Verständnis von Kundenbedürfnissen, die Bewältigung von Schnittstellenproblemen, die Entwicklung einer entsprechenden Innovationskultur sowie neue Formen des Prozessmanagements und der Innovationsorganisation
Neben harten Fakten (Technologieentwicklung, Kostenmanagement, Make-or-Buy-Entscheidungen) gewinnen demnach offensichtlich mehr und mehr auch die so genannten »Soft Factors« (Kreativität, Unternehmenskultur, Ideenmanagement) an Bedeutung.
Erfolgsfaktoren im Innovationsmanagement
[Quelle: Arthur D. Little Innovation Excellence Studie 2004]
Eine zentrale Herausforderung des Innovationsmanagements der Zukunft besteht folgerichtig darin, diese beiden zentralen Dimensionen der Innovation miteinander zu versöhnen. Wie schwierig das ist, zeigt die folgende Argumentation.
Der Prozess ist tot, es lebe der Prozess
Die Beschaffung, die Fertigung, das Controlling all diese Funktionsbereiche im Unternehmen sind heute einer strengen Effizienzlogik unterworfen. Um so mehr verwundert, dass dies für den Bereich des Innovationsmanagements nicht gilt. Um mit den Worten von Hajo Riesenbeck, Director bei McKinsey, zu sprechen:
"In allen Bereichen der Unternehmensführung gibt es heute Standardisierungen, nur nicht im Innovationsmanagement. Innovationen in Unternehmen sind immer noch viel zu häufig zufallsgetrieben."
Egal, ob es nun um den Bereich der systematischen Innovationsforschung, der technischen Entwicklung, der Produktkonzeption, des Produktdesigns oder der Vermarktung geht: Innovationen geschehen immer noch viel zu häufig "aus dem Bauch heraus". Kalkulationen und Planungen, die sich mit Innovationen beschäftigen, dienen häufig nur der ExPost-Legitimation. Beispielhaft sei hier darauf verwiesen, dass selbst in Vorzeigebranchen wie der Automobilindustrie neue Produkte erst dann konkreten Vermarktungsüberlegungen unterzogen werden, wenn diese bereits fertig entwickelt sind. Diese Tatsache wiegt um so schwerer, da die erheblichen Optimierungsbemühungen, die deutsche Unternehmen in den vergangenen Jahren im Prozessmanagement unternommen haben, wenig dazu beigetragen konnten, dieses Defizit zu überwinden. Im Gegenteil: Erhebliche Mängel in den Informations- und Evaluationssystemen, Probleme bei der internen Organisation und Abstimmung, das Fehlen klarer Orientierungen und Verantwortlichkeiten, all dies sind nach wie vor zentrale Hindernisse im Innovationsmanagement. Fast scheint es so, als ob wir bei all der Nabelschau der letzten Jahre den Blick für das Wesentliche verloren hätten, meint die Führungskraft eines Global-Player-Unternehmens, das sich seit einigen Jahren einem strengen Prozessmanagement unterworfen hat, dabei aber deutlich an Innovationskraft verlor.
Der Versuch, die eigenen Innovationsprozesse zu optimieren, kann also auch genau das Gegenteil bewirken, vor allem dann, wenn dabei das Gleichgewicht zwischen Freiraum und Führung, Kreativität und Controlling nicht richtig austariert wird, was der Natur von Innovationen grundlegend widerspricht und deshalb selbst nach Innovation ruft. Für den Bereich der Innovation gilt daher, wie für jeden anderen Unternehmensbereich auch, dass das Management zwar prozessuale und strukturelle Instrumente benötigt, um die eigene Innovationsfähigkeit zu steigern. Dabei sollte man jedoch nicht der Utopie erliegen, dass mit dem richtigen Innovationsmanagement und einem idealtypischen Innovationsprozess bereits sämtliche Innovationsvoraussetzungen erfüllt wären. Jeder Prozess, jede Struktur, jedes System ist nur so gut wie die Menschen, die damit arbeiten. Wenn man nicht eben diese Menschen für das eigentliche Innovationsanliegen gewinnt, hat auch das beste Innovationssystem keine Chance. Wie groß die mentalen Barrieren im Umgang mit dem Neuen immer noch sind, hat 1999 Werner Pepels in seinem Lehrbuch »Innovationsmanagement« anschaulich dargelegt. Die von ihm aufgeführten »Killerphrasen« hat jeder, der sich mit Innovationen beschäftigt, schon einmal gehört. Es muss daher immer auch ein wichtiges Ziel des Innovationsprozesses sein, derartige Blockaden zu berücksichtigen und entsprechend zu beseitigen. Gelingt dies nicht, so ist auch der Innovationsprozess selbst zum Scheitern verurteilt.
[Autoren: Christoph Herrmann; Günter Moeller]
[Aus: Innovation, Marke, Design. Grundlagen einer neuen Corporate Governance von: Ch. Herrmann, G. Moeller, 322 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. Mit freundlicher Unterstützung der Symposion Publishing GmbH, Düsseldorf]