UnternehmenssimulationenMit Planspielen neue Erkenntnisse gewinnen

In Planspielen lernen die Teilnehmer, welche Konsequenzen ihre Entscheidungen haben können. Ohne Risiko, aber mit vielen Lerneffekten.

Stellen Sie sich vor, Sie sind Teammitglied einer Marketingabteilung, die, als Profit Center organisiert, für den Aufbau und die Durchführung einer wettbewerbsorientierten Marktstrategie verantwortlich ist. Die Herausforderung: Sie sollen analoge Quarzarmbanduhren vermarkten, hauptsächlich neu zu entwickelnde Produkte positionieren sowie bereits vorhandene Produkte in einem Markt mit fünf verschiedenen Zielgruppen repositionieren. Zudem wird von Ihnen verlangt, die Wünsche der Kunden zu erkennen, um rechtzeitig auf Marktveränderungen reagieren zu können. Am Ende sollen Sie die Markt- und Gewinnsituation Ihres Unternehmens stärken und sich gegen vier Mitbewerber durchsetzen.

Das ist Ihnen zu anspruchsvoll? Macht nichts, denn das dargestellte Szenario ist lediglich die grobe Beschreibung eines von derzeit rund 500 auf dem deutschen Markt befindlichen Planspielen, bei denen es speziell um Marketingstrategien geht. Das Spiel hat zum Ziel, seinen Teilnehmern bestimmte Fähigkeiten zu vermitteln, die sie später in der beruflichen Praxis anwenden können beziehungsweise sollen. Dazu gehören beispielsweise:

  • Trainieren marktorientierten Denkens,
  • Analysieren von Zielgruppenwünschen,
  • richtiges Interpretieren von Marktsituationen und Marktergebnissen,
  • Aneignen von Problemstrukturierungs- und Problemlösungsfähigkeiten,
  • Blick für das Ganze und Wesentliche entwickeln.

Kampfspiele als Planspiele

Planspiele haben eine lange Entwicklung hinter sich: Schon im alten Indien (Chaturango) oder auch in Persien (Schach) tauchten sie in der Form von Kampfspielen auf. Später dienten sie militärischen Zwecken, wie etwa im 18. Jahrhundert, als sie zur Schulung des strategischen Denkens in der Offiziersausbildung der preußischen Armee eingesetzt wurden. Bereits den traditionellen Kampfspielen lag der Gedanke zugrunde, Möglichkeiten zu schaffen, um Vorgänge in der realen Welt besser nachvollziehen und auch Entscheidungen ohne Risiko treffen zu können. Nach und nach wurde das abstrakte Spielbrett wie etwa beim Schach durch Landkarten und die eigentlichen Spielfiguren durch militärische Mittel ersetzt.

Computergestützes Planspiel

Mitte der 1950er Jahre schuf die RAND Corporation im nordamerikanischen Santa Monica das Planspiel „Monopologs“. Es befasste sich hauptsächlich mit betriebswirtschaftlich-organisatorischen Fragen des Nachschubs der US-Luftwaffe und wurde auch für die Ausbildung von Führungskräften im Militär eingesetzt. Nach Meinung von Experten gilt es als unmittelbarer Vorläufer der heute eingesetzten wirtschaftlichen Planspiele. 1956 dann entwickelte die „American Management Association“ das erste computergestützte Planspiel für Unternehmen und leitete, so die Ansicht von Wissenschaftlern, einen regelrechten Planspiel-Boom ein.

Planspiel oder lieber nicht?

Maximilian Eichhorn zeigt in seiner Dissertation mit dem Titel „Logistische Entscheidungen und ihre Auswirkungen: Die Unternehmenssimulation LogisticPLUS“ für die Georg-August-Universität Göttingen die Gründe auf, warum Unternehmensplanspiele seit gut über einem halben Jahrhundert in der Aus- und Weiterbildung unter anderem für Führungsnachwuchskräfte in Unternehmen angewendet werden. Der Hintergrund ist simpel: Betriebswirtschaftliche Kenntnisse sollen „in realitätsnahen Anforderungssituationen“ zur praktischen Anwendung kommen, so der Autor. Denn viele Praktiker würden sich beklagen über die zu theoretische Ausbildung in Schule oder Studium, Ausbildungslernen orientiere sich nicht an den Anforderungen des späteren Berufslebens. Die konkreten Mängel:

Lernen abstrakter und anwendungsfremder Inhalte

Die berufliche Praxis ist meist viel komplexer und eben nicht so wohldefiniert wie Übungsaufgaben, die eine eindeutige Lösung fordern. In der Praxis gibt es unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten.

Lerninhalte werden zerstückelt

Die einzelnen Fächer werden aufgeteilt und damit in eine künstliche Ordnung gebracht. Es fehlt an einer Integration verschiedener Aspekte in ein übergreifendes Problem, was für die Berufspraxis bedeutsam ist.

Fehlen kooperativer Lernformen

Bei Ausbildungen kommt es vorrangig auf die individuelle Leistung an, doch das Berufsleben ist oft durch eine ausgeprägte Teamarbeit gekennzeichnet. Fähigkeiten wie Kooperationsfähigkeit sind also essenziell.

Wirtschaftliche Situationen in einem Unternehmen sind denen im Schachspiel sehr ähnlich. Den Spielern stehen bestimmte Mittel zur Verfügung, die nach vorher definierten Regeln eingesetzt werden können. Das Ergebnis der Handlung eines Spielers (Unternehmen) ist aber eben auch vom Handeln des Gegners (Konkurrenten) abhängig.

Alles nur ein Spiel

In der heute gängigen Praxis werden die Begriffe „Planspiel“ beziehungsweise „Unternehmensplanspiel“ sowie „Unternehmenssimulation“ meist deckungsgleich verwendet. Dann wird gesagt, eine Unternehmenssimulation sei ein interaktives Lerninstrument für Erwachsene, während der ältere Begriff dafür Planspiel sei. Außerdem könnten auch die englischen Begriffe Business Simulation oder Management Game verwendet werden. Oder wie wäre es zum Beispiel mit dem Begriff „Gamebased Learning“? Willy Christian Kriz, Professor im Fachbereich Psychologie der Ludwig Maximilians Universität München sagt in einem Interview im Rahmen der Messe „Zukunft Personal“:

„Computerspiele für Schulungen zu nutzen, ist eine rein technische Entwicklung. Die Begriffe, die nun dafür verwendet werden, sehe ich deshalb eher als eine Art Modewelle. Nehmen Sie zum Beispiel die Planspiele: Das Prinzip besteht seit mehr als 50 Jahren. Wenn heute viele von Serious Games sprechen, dann ist das ein Marketinginstrument. Der Begriff ist übrigens auch schon mehr als 25 Jahre alt, aber eben gerade wieder besonders in Mode.“

Welcher Begriff letztlich verwendet wird, sei auch von der jeweiligen Unternehmenskultur abhängig. Manchen sei das Wort „Spiel“ zu kindisch und unseriös, deshalb setzten solche Unternehmen eher auf die Begriffe Lernprogramm oder Simulation. Anderen wiederum sei „Simulation“ zu theoretisch und sie bevorzugten den Spielbegriff. Problematisch findet Kriz den Ausdruck „Serious Games“. Wo bitteschön, fragt der Wissenschaftler, sei die Abgrenzung zwischen einem ernsthaften und einem nicht-ernsthaften Spiel? Im Übrigen sei die Bezeichnung „Gaming Simulation“ international anerkannt. Dann jedoch liest man hin und wieder auch von „Decision Games“. Also was denn nun, alles nur andere Begrifflichkeiten für ein und dieselbe Bedeutung?

Planspiel und Simulation: Nicht ganz dasselbe

Das Zentrum für Managementsimulationen (ZMS) an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart weist darauf hin, dass die wissenschaftliche Literatur durchaus einen Unterschied macht bei der Definition von Planspiel und Simulation. Folgende Stichworte beziehungsweise Definitionen werden angeführt:

Planspiel

  • „unter einer bestimmten Zielsetzung (…) handelnd“
  • „konflikt- und problemhaltige Situationen“
  • „Handlungserfahrung im Vordergrund“
  • „Beinhaltet (…) immer eine Simulation, ist aber nicht mit dieser gleichzusetzen“
  • „Konsequenzen, die sich aus (…) Entscheidungen und (…) Verhalten ergeben“
  • „hypothetisch-fiktive Umwelt, die auf bloßen Annahmen beruht und dennoch möglichst realistisch erscheinen soll“
  • Handlungsträger sind in der Regel die einzelnen Spielgruppen in der Gesamtheit“

Simulation

  • „eher mit der Absicht eingesetzt, ‚Antworten‘ zu finden, als Prozesse zu verstehen“
  • „vereinfachte Nachahmung von Vorgängen oder ganzen Systemen“
  • „hoher Grad von Komplexität“
  • „Visualisieren, Hörbar- oder Messbarmachen (Demonstrieren) von schwer zugänglichen Erscheinungen“
  • „maximaler Bezug zur realen Welt (…), unabhängig von den Personen, die die Simulation verwenden“

Bei einem Planspiel handele es sich um eine Lehr-Lern-Methode, so die Experten des ZMS. Sie ermögliche es den Teilnehmern, in einer komplexen, fiktiven aber realitätsnahen Umwelt Erfahrungen im (gemeinsamen) Handeln zu sammeln, und zwar in konflikt- beziehungsweise problemhaltigen Situationen. Eine Simulation hingegen sei gekennzeichnet durch eine möglichst genaue Nachahmung von realen Situationen, ohne dass diese direkt als Lehrmethode diesen soll.

Was Planspiele alles leisten

Unternehmensplanspiele kommen heute in vielen Firmen zum Einsatz, etwa in der Personal- oder auch der Organisationsentwicklung. Für Horst Albach, Honorarprofessor an der WHU - Otto Beisheim School of Management, ist die Realität der Prüfstein jedes Planspiels. Der Grund: Die eigentliche Bedeutung des Spiels liege darin, dass die Managementschulung einen Beitrag zur besseren Nutzung der Ressourcen des Unternehmens im Dienste der Gesellschaft leistet. Ob nun Planspiel oder Unternehmenssimulation: Von Bedeutung ist, welche Vorteile für diese Art des Lernens von Experten ins Feld geführt werden.

Zum einen ein erlebnisorientiertes „Learning by doing“, durch das die Teilnehmer nachhaltig Fach- und Methodenkompetenz aufbauen. Dieser Nutzen wird flankiert durch den Vorteil, den ein Lernen in der Gruppe mit sich bringt, was wiederum Führungs- und Teamkompetenz fördert. Zudem garantiere die realitätsnahe Lernsituation den erfolgreichen Transfer der neuen Erkenntnisse in die berufliche Praxis. Maximilian Eichhorn nennt in seiner Dissertation folgende Vorteile von Planspielen, die zu einer Verkürzung der oft kritisierten Distanz zwischen Theorie und Praxis führen:

  • Übertragung von komplexen und unübersichtlichen Theorien in ein vereinfachtes Modell,
  • Verdeutlichung des besonderen Charakters unternehmerischer Entscheidungen,
  • Befähigung der Teilnehmer, ihre vorhandenen theoretischen Kenntnisse in praktische Fähigkeiten umzusetzen,
  • Erhöhung der Bereitschaft zum Lernen sowie der Effektivität des Lernprozesses,
  • Schulung der Beurteilung komplexer ökonomischer Situationen.

Ein weiterer Vorteil, der immer wieder angeführt wird, ist der einer risikolosen „Spielwiese“. Das bedeutet: Verschiedene Strategien können ausprobiert werden, ohne die möglichen negativen Konsequenzen tragen zu müssen. Wer ein Verständnis für unternehmerische Zusammenhänge entwickelt, erwirbt Problemlösungs- und Handlungskompetenz. Zudem vermitteln Planspiele betriebswirtschaftliches Faktenwissen.

Kompetenzen erweitern und Organisation verändern

Ursprünglich wurden Planspiele in Unternehmen vor allem in der Aus- und Weiterbildung eingesetzt. Heute kommen sie auch im Rahmen der Personalentwicklung zum Einsatz, hauptsächlich in Assessment Centern, wo es darum geht, Führungskräfte nach ihrer Eignung zu beurteilen, leitende Positionen zu bekleiden. Mit Planspielen lässt sich herausfinden, ob der Bewerber die notwendigen Schlüsselqualifikationen besitzt, die er für die Stelle braucht. Im Vordergrund steht die Beobachtung, wie der Bewerber zu Lösungen eines bestimmten Problems kommt, nicht ob er das Problem an sich lösen kann. Zudem zeigt sich, ob er sein Verhalten an veränderte Situationen anpasst oder ob er an Altem festhält.

Beim Einsatz von Planspielen als Instrument der Organisationsentwicklung geht es vor allem um eines: einen Erkenntnisgewinn durch Beobachtung des Spielverhaltens und die Übertragung auf die Organisationsentwicklung im real existierenden Unternehmen. Hauptindikator ist die Bildung von Gruppenstrukturen innerhalb des Spiels und deren Verhalten hinsichtlich des Prozesses der Organisationsentwicklung. So spielt es etwa eine Rolle, wie bestimmte Entscheidungsprozesse von der Gruppenstruktur abhängen oder welche Folgen eine Veränderung der Gruppengröße auf die Entscheidungen der Gruppe hat.

Nachteile der Planspiele

Die vielen Vorteile der Planspiele für Unternehmen ist die eine Seite der Medaille, die Nachteile, die eine solche Form des Lernens mit sich bringen kann, die andere. Eichhorn führt in seiner Doktorarbeit folgende Punkte auf:

  • Unternehmensplanspiele berücksichtigen nicht in ausreichendem Maß qualitative Faktoren.
  • Im Simulationsmodell können nicht alle möglichen Einflussgrößen auf wirtschaftliche Entscheidungen verwendet werden.
  • Unternehmensplanspiele können die subjektiven Vorstellungen der Entwickler des Spiels nicht ausschließen.
  • Unternehmensplanspiele sind relativ teuer, sowohl in der Entwicklung als auch in ihrer Durchführung.
  • Mit Unternehmensplanspielen lassen sich aufwändige Vorbereitungszeiten nicht komplett verhindern.

Des Weiteren werde das rationale Verhalten der Spielteilnehmer bei der Entscheidungsfindung überbewertet und es fehle an tatsächlichen Verlustmöglichkeiten. Ein Hauptproblem: Es besteht die Gefahr, dass die Teilnehmer durch das Spiel an sich falsche Vorstellungen über die tatsächlich ablaufenden Prozesse in der Unternehmensrealität entwickeln. Hans-Georg Plaut, verstorbener Gründer der Beratungsgruppe Plaut mit Sitz in Wien und Mitentwickler der Grenzplankostenrechnung, hatte seine eigenen Ansichten zum Thema „Lernen“ in einem kleinen Frage-und-Antwort-Spiel zwischen einem Journalisten und einem Unternehmer formuliert:

Journalist: „Worauf führen Sie ihre Erfolge zurück?“

Unternehmer: „Auf richtige Entscheidungen.“

Journalist: „Und wie kommen Sie zu Ihren richtigen Entscheidungen?“

Unternehmer: „Erfahrung.“

Journalist: „Und wie kommen Sie bitteschön zu Ihren Erfahrungen?“

Unternehmer: „Falsche Entscheidungen.“

Dazu im Management-Handbuch

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