VerhandlungWer die Verhandlungsmacht hat, bestimmt den Sieger

Wer über Verhandlungsmacht verfügt oder sich Verhandlungsmacht verschaffen kann, bestimmt die Spielregeln und den Gewinner.

Eins vorweg: Lassen Sie mich mit dem Vorurteil aufräumen, drei Jahrzehnte kooperative Verhandlungskonzepte hätten in der Wirtschaft zu fairen Verhandlungen geführt. Richtig ist heute: Kooperative Verhandlungsmodelle (sogenannte Win-win-Ansätze) wandern immer weiter ab zu reglementierten Schlichtungsverfahren und der Wirtschaftsmediation durch Verhaltenstrainer, Pädagogen und Juristen mit Zusatzausbildung.

So erlebe ich selbst seit Jahren auch in internen Verhandlungstrainings mit kooperativen Spielregeln, dass zuerst von den Trainingsteilnehmern nach den Manipulationstechniken gefragt wird. Bei meinem aktuellen Buch zum High-Speed-Verhandlungssystem steigen nach ersten Feedbacks die meisten Leser zuerst beim vierten Kapitel ein: Sie wollen die Trickkiste kennenlernen! Ein Trend, der sich sowohl durch wirtschaftlich härtere Rahmenbedingungen, durch Share- und Stakeholder-orientierte Unternehmensinteressen als auch durch karriere- und monetär-orientierte Führungskräfte im Vertrieb, Einkauf und der Projektsteuerung verstärkt.

Jenseits von Harvard

Bei milliardenschweren Verhandlungen wird sowieso längst nicht mehr fair und kooperativ gespielt. Oder können Sie sich vorstellen, dass der Verhandlungsprozess zwischen General Motors (GM), diversen Kaufinteressenten für Opel, Standortverantwortlichen und (Regional-) Regierungen nach Zufallsprinzipien abläuft? Selbst Aldi-Einkäufer verhandeln mit Ihren Lieferanten nach Machtprinzipien und definieren eigene Spielregeln. Längst sind kooperative Ansätze knallharten zum Beispiel beim FBI und der Terrorbekämpfung entliehenen Vorgehensweisen gewichen. So titelte bereits die deutsche Wirtschaftswoche Serien zur Verhandlungstaktik mit „Fies gewinnt!“ oder „Wer argumentiert verliert!“

Wir wissen heute auch durch die aktuelle Verhandlungsforschung, dass normative Verhandlungsmodelle wie das Harvard-Konzept einige Schwächen haben, da sie eine idealistische Rationalität unterstellen, die in der Verhandlungswirklichkeit nicht greift. Diese lockt Gutmenschen an, die derartige Konzepte gern zum einzigen Postulat erheben. Verhandlungsführer haben aber in der Praxis zum Beispiel nicht konstant das notwendige System-Wissen, die wichtigen Hintergrunddaten sind nicht immer verfügbar und einsatzbereit und sie verhalten sich nicht vollkommen rational.

Der größte Unsicherheitsfaktor am Verhandlungstisch ist immer noch der Faktor Mensch. Untersuchungen zeigen sogar bei länger andauernden Verhandlungen eine zunehmend emotionale Verhärtung zwischen den Verhandlungsparteien. Es ist auch nicht möglich, dass ein einzelner professioneller Verhandler selbst immer rational und überlegt handelt. Bei Ihrem Verhandlungspartner in Projektverhandlungen können Sie das im Normalfall schon gar nicht voraussetzen. Deshalb werden in der Wirtschaft zunehmend der Verhandlungsprozess und die Rollen aller Beteiligten penibel analysiert und durch begleitende professionelle Verhandlungsberater überwacht und mit gesteuert.

Überlegene Verhandlungsplanung durch zusätzliche Macht-Generierung

Es hat dadurch längst ein Paradigmenwechsel stattgefunden, fort von kooperativen Verhandlungsmodellen hin zu interdisziplinärer systemischer Verhandlungssteuerung über das Gesamt-Verhandlungssystem. Verhandlungsprofis wissen seit Langem: Wer über Verhandlungsmacht verfügt oder sich Verhandlungsmacht verschaffen kann, bestimmt letztlich die Spielregeln und den Gewinner! Professionals arbeiten deshalb mit einer systemischen Gesamtsicht und versuchen die Kontrolle über das System Verhandlung zu erlangen. Ich möchte Ihnen das gern kurz an einigen Kernpunkten verdeutlichen.

Verfügbare Verhandlungsmacht besteht ja nicht nur aus sachlicher Macht wie Entscheidungsbefugnissen, verfügbaren Fakten/Hintergrundinformationen oder Wettbewerbsstärken, sondern auch aus persönlicher Macht wie Klärungskompetenz, der Fähigkeit feinfühlig die Interessen der Gegenseite zu steuern, der Kommunikations- und Überzeugungskompetenz und vor allem der Kompetenz in Verhandlungen den Gesamtprozess zu gestalten und zu steuern. Deshalb kann ein sachlich wenig mächtiger Verhandlungsführer als Sieger aus den schwierigsten Verhandlungssituationen herausgehen: Professionals beherrschen diese Fähigkeit, zusätzliche Verhandlungsmacht zu generieren. Sie kontrollieren systematische alle wichtigen Prozesse einer Verhandlung und steuern diese damit sicher zu dem gewünschten Ergebnis.

Macht-Tipp: Bauen Sie deshalb vorrangig Ihre Kompetenzen zur systematischen Verhandlungskontrolle und Prozess-Steuerung aus.

Hier setzt die begleitende Schattenberatung durch Professionals ein, die dem Verhandlungsführer derart den Rücken bei allen fünf zentralen Kompetenzbereichen stärken und damit helfen, zusätzliche Verhandlungsmacht hinzuzugewinnen. Dieses geschieht durch Qualifizierungs-Trainings der eigenen Verhandlungsführer und eine professionelle Begleitung als unerkannter Schattenberater.

Machtspiele erkennen und durchschauen

Eine einfache Machtdiagnose kann Ihnen bereits heute zeigen, wo Sie stehen und was Sie vor und während der Verhandlung verstärkt nutzen sollten. Mit der Verhandlungsmachtdiagnose erkennen Sie frühzeitig bereits in der Planungsphase Ihrer Verhandlung die Höhe der eigenen Macht gegenüber Ihren Verhandlungspartnern und können zügig eigene Optimierungsmaßnahmen planen. Sie sollten bereits hier Einflüsse wichtiger Machtträger auf Verhandlungsziel und -ergebnis abklären. Probieren Sie einfach einmal systematisch aus, wie hoch Ihre persönliche Verhandlungsmacht für eigene Fallbeispiele heute real bei Ihnen ist.

Verhandeln ist immer dann der richtige Weg, wenn eine gegenseitige Abhängigkeit der Verhandlungspartner (Interdependenz) vorliegt. Kann eine Partei durch eine überlegene Machtposition mit Zwang, Manipulation oder Anordnung die andere Seite durch aggressives Verhalten vollständig zu einer Lösung nötigen, bedarf es ja keiner Verhandlung mehr. Ein ähnliches Machtgleichgewicht erleichtert gemeinsames konstruktives Handeln. Die Verhandlungsmachtdiagnose legt die Basis Ihres Verhandlungsstils und Ihrer eigenen Verhandlungsstrategie. Sie zeigt auch Lösungen gegen die wahrscheinliche Strategie der anderen Seite auf. Ein systemischer Verhandlungsablauf hat deshalb in der Verhandlungsplanung und -vorbereitung folgende Ablaufschritte:

Mehr Kompetenz gewinnen

Führen Sie sich einmal eine Balkenwaage, wie sie früher Kaufleute benutzen, vor Augen, bei der Sie alle Machtunterschiede, alle Einflussmöglichkeiten wie Gewichte für jede Verhandlungspartei auf die jeweilige Seite der Waage legen: Wohin schlägt der Zeiger aus? Sind Sie Ihrem Verhandlungspartner überlegen oder unterlegen? Im Verhandlungsalltag herrscht immer Unsicherheit über die tatsächliche oder vermeintliche Machtverteilung. Die Machtverteilung kann sich auch während der Verhandlung ändern. Deshalb ist eine kontinuierliche Machtdiagnose und Machtgenerierung wichtig. Die Machtdiagnose wird Ihr zusätzlicher Zeiger auf Ihrem persönlichen Verhandlungsmonitor. Verändert sich die Machtverteilung, können Sie einschreiten und gewinnen unmittelbar an Verhandlungskompetenz.

Von Top-Verhandlern lernen: Das High-Speed-Verhandlungssystem

Verhandeln mit dem High-Speed-Verhandlungssystem ist wie das Fliegen eines Jets: Der Pilot in seinem Cockpit hat den Zielflughafen und alle notwendigen Funktionen und Ablaufschritte im Blick, verfügt über passende Checklisten, die besten technischen Instrumente und über ein verlässliches Zusammenspiel mit seinen Kollegen, um sein System Flugzeug sicher steuern zu können. Genau das geschieht in der Systemschleife des High-Speed-Verhandlungssystems mit seinen systematischen Zwischenstationen.

Ähnlich wie der Jet-Pilot hat der Verhandlungsführer bei einer Verhandlung das Abschlussziel genau vor Augen. Stellen sich Abschlussprobleme ein, beginnt sein Verhandlungssystem in eine kontrollierte Klärungsschleife einzubiegen.

Fünf große Kompetenzbereiche der Verhandlungsführung helfen, alle systemischen Verhandlungsphasen zu bewältigen:

  1. Klärungskompetenz für die Verhandlungsstrategie: Verhandlungsziel, Verhandlungsstrategie, Verhandlungsstil und die Ergebnisabsicherung bei schwierigen Preis- und Sachverhandlungen mit wichtigen Geschäftspartnern (Umgang mit der Klärung und Steuerung von Verhandlungsmacht, Einflüssen von Stakeholdern, Verhandlungszwängen, Rollen, Werten, Normen).
  2. Interessens-Steuerungskompetenz zur Analyse der Verhandlungspartner: Schnellanalyse-Werkzeuge, um unmittelbar die Verhandlungspartner mit ihren Zielen, Motiven und Interessen durchschauen zu können (Transparenz von Interessen und Zielen), und Hinweise für eine konstruktive Beziehungssteuerung der Verhandlungspartner, um zügig zu einem zustimmenden Abschluss zu kommen.
  3. Prozesssteuerungskompetenz für den Gesamtablauf: Durch kompetentes Steuerungsverhalten den gesamten Verhandlungsablauf mit seinen Phasen und Prozess-Schritten zu kontrollieren und zum Ziel zu steuern (Verhandlungs-Prozess-Management)
  4. Kommunikations-Steuerungskompetenz für die Verhandlung: Bewältigung unfairer Verhandlungstricks und subtiler Verhandlungs-Steuerung in der Aushandlungsphase mit praktikablen Gesprächstaktiken und Gesprächsverhalten. (Manipulationsbewältigung) Förderung eines konstruktiven Verhandlungsklimas zur Ausschaltung von Verhandlungshindernissen. Rollen, Aufgaben und Kompetenzen in Verhandlerteams werden bei Bedarf durch Schattenberatung (Ghost-Negotiation) erweitert und abgesichert.
  5. Argumentations- und Überzeugungskompetenz für den Abschluss: Systemische Überzeugungswerkzeuge helfen ausgehandelte inhaltliche Teilergebnisse zu fixieren, Bedenken auszuräumen, Nutzen darzustellen und zufriedenstellende Abschlüsse zu erreichen. Aushandlungsprozesse (Bargaining) laufen nach sinnvollen systemischen Regeln und mit blitzschnellen Verhaltensreaktionen ab.

Fazit: Kompetentes Verhandeln können Sie an eigenen Fallsituationen systematisch selbst lernen

Verhandlungsprofis nutzen dazu alle Fähigkeiten und Erfahrungen dieser fünf Kernkompetenzbereiche. Als guter Verhandler haben Sie damit den Gesamt-Verhandlungsablauf immer im Griff. Wer die Kontrolle des Gesamt-Verhandlungsprozesses im Griff hat, kann die Spielregeln und das Ergebnis bestimmen! Sie entscheiden aufgrund Ihrer Prozess-Steuerungskompetenz bei den eingeführten Spielregeln aktiv mit, ob für Sie eine kooperative Verhandlungsstrategie oder eine Druckstrategie besser geeignet ist; denn es steht in Ihrer Macht!

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