VerhandlungsgeschickIn jeder Verhandlung geht es um Glaubwürdigkeit
Ein Unternehmer sucht einen Experten für das Telemarketing. Der Vertrieb über das Telefon soll das Geschäft ankurbeln. Im Internet findet er einen Telemarketing-Experten und bittet diesen per Email um einen Rückruf. Der angemailte Experte meldet sich jedoch ebenfalls per Email, und zwar mit der Bitte, der potenzielle Auftraggeber solle zunächst seine Wünsche schriftlich darlegen. Er hat den Auftrag natürlich nicht bekommen. Denn: Wie glaubwürdig ist ein Experte im Bereich des Telemarketings, der nicht einmal seine eigenen Interessenten direkt anrufen kann?
Jedes Bewerbungsgespräch eines Interessenten, jedes Verkaufsgespräch eines Dienstleisters ist immer auch eine Verhandlung um die eigene Wertigkeit und Glaubwürdigkeit. Der Käufer (oder das einstellende Unternehmen) hat mal eine dedizierte, mal eine ungefähre Vorstellung von Eigenschaften und Kenntnissen, die er bei seinem Gegenüber erwartet. Mit diesem unausgesprochenen Raster beurteilt er die vom „Verkäufer“ in Aussicht gestellten Mehrwerte. Der „Verkäufer“, ob nun Bewerber oder Berater, offenbart sein Können und seinen Charakter auf zwei Ebenen:
- durch seine verbalen Äußerungen und seine Versprechen.
- durch seine Handlungen: Wie spricht er, schnell oder langsam? Wie bewegt er sich? Welche Tonlage wählt er in welchem Moment? Wie bewältigt er belastende Momente und herausfordernde Fragen? Wie ist die Sprache seines Körpers? Wie die Melodie seiner Stimme?
Das Gesagte und das Getane werden bewusst oder unbewusst vom Gegenüber wahrgenommen. Sie werden bewusst oder unbewusst gegeneinander gestellt, miteinander verglichen. Das Resultat des Vergleichs ist der Grad an Authentizität des Agierenden. Je mehr Handlungen und verbale Äußerungen einander entsprechen, umso authentischer, umso glaubwürdiger sind wir und umgekehrt. Wie es nicht sein sollte, zeigen folgende Beispiele:
- Der Krisenmanager betritt den Raum und startet das Gespräch mit seinem Auftraggeber. Doch er wirkt nervös, strahlt keine innere Ruhe aus. Seine Glaubwürdigkeit ist dahin.
- Ein Flugzeug befindet sich in Turbulenzen. Der Kapitän macht eine Durchsage. Er möchte die Passagiere beruhigen und informiert sie daher ganz genau über die aktuelle Situation. Doch seine Stimme klingt gestresst. Er wird die Fluggäste nicht beruhigen.
- Der Projektleiter sichert zu, dass er das verspätete Projekt mit voller Kraft anpacken wird, um es noch rechtzeitig zu beenden. Doch dabei schaut er sein Gesprächspartner nicht an.
Diese Beispiele zeigen die Divergenz zwischen Handlung und Aussage. Unsere Glaubwürdigkeit korreliert mit der Authentizität unserer Handlungen und Aussagen. Strahlen wir nicht die notwendige Authentizität aus, schenkt uns unser Gegenüber kein Vertrauen.
Daher gilt für eine Verhandlung: Sie müssen die notwendige Authentizität erzeugen, um das Vertrauen des Gegenübers zu gewinnen. Das ist schlichtweg eine Voraussetzung, um das Verhandlungsgespräch erfolgreich zu führen. Aber das reicht nicht aus.
Als nächster Schritt gilt es, die Mehrwerte in Aussicht zu stellen, die der Gegenüber in seinem Raster bedeckt hält. Dazu muss der „Verkäufer“ zunächst herausfinden, welche Kriterien das Raster des Gegenübers umfasst. Ist dieser wichtige Schritt getan, kann der Verkäufer sich öffnen und die Bereiche seines Könnens in Aussicht stellen – und zwar jene, die mit dem Raster des Käufers korrespondieren. Dabei tut der Verkäufer nichts anderes, als seinen Wert für sein Gegenüber zu erhöhen. Aber wirklich wertvoll sind nur die Kenntnisse und Talente, welche den Anforderungen des Gegenübers entsprechen.
Es ist möglich, dass ein Käufer sein Raster erweitert, weil ihm sein Gegenüber neue Aspekte eröffnet. Das kommt im Alltag allerdings recht selten vor. Also müssen wir bieten, was gefragt ist – und jeder Treffer erhöht unseren Wert für den potenziellen Auftraggeber. Eine Geschäftsperson, die ihre Fähigkeiten und Kenntnisse anpreist, muss vor allem das Tauziehen um Wertigkeit und Glaubwürdigkeit gut gestalten, wenn sie das Objekt ihrer Begierde ergattern möchte: den Auftrag.
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