VerhandlungstechnikDarauf sollten Sie beim Verhandeln achten
Am Anfang jeder Verhandlung steht ein Interessenkonflikt. Zwei unterschiedliche Ziele, die es gilt, zusammen zu bringen. Dabei muss nicht automatisch der Gewinn der einen Seite der Verlust der anderen Seite sein. Viele Verhandlungen bieten Lösungen, die für beide Seiten Gewinn abwerfen. Solch eine „Win-Win-Situtation“ zu erreichen ist oft ein ideales Ergebnis. Es kann aber nur gelingen, wenn beide Seiten die Verhandlung als einen gemeinsamen Problemlösungsprozess begreifen.
Verhandlungen müssen gut vorbereitet werden
Dazu gehört, dass gemeinsam mehrere Optionen zur Problemlösung entwickelt werden. Solch ein Ergebnis erfordert aber auch einiges an Vorbereitung und Erfahrung, denn oft sind die Lösungsmöglichkeiten nicht von vornherein sichtbar. In der Forschung hat sich gezeigt, dass das in einer Verhandlungskonstellation schlummernde Win-Win-Potenzial sehr häufig nicht ausgenutzt wird. Selbst professionelle Verhandler geben sich oft mit suboptimalen Ergebnissen zufrieden. Ein Grund dafür ist häufig die mangelhafte Vorbereitung.
Bevor also in die Verhandlung eingetreten wird, ist eine gründliche Vorbereitung ein absolutes Muss. Das braucht Zeit, die Sie sich aber auch unbedingt nehmen sollten. Bedenken sie dies bei Ihrer Planung.
Wenn mehrere Partner am Verhandlungstisch sitzen, sollten natürlich alle in die Vorbereitung einbezogen werden. Schließlich müssen die später an einem Strang ziehen. Die grundlegende Frage, die es zu beantworten gilt, lautet: Was sind meine Ziele? Stellen sie sich selbstkritisch die Frage, welche tiefer liegenden Interessen es hinter den Hauptzielen gibt.
Wenn das Ziel definiert ist, folgt die Frage nach dem Weg, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Welche Lösungswege gibt es, und auch welche alternativen Lösungswege kommen in Frage. Bestimmen sie ihre eigene Position und die ihres Verhandlungspartners. Welche Machtmittel sind vorhanden, wie könnten diese eingesetzt werden? Wie groß ist der eigene Verhandlungsspielraum? Auch nicht vergessen werden sollte die Frage nach der Bedeutung der Beziehung beider Partner zueinander.
Im Gespräch durch Fragen führen
Erst wenn sie all diese Fragen für sich vollständig geklärt haben sollten sie in die Verhandlungen gehen. Ihre Vorüberlegungen können sie auch schriftlich festhalten. Wenn Sie ihrem Verhandlungspartner Einblick in diese Unterlagen gewähren, signalisieren sie Offenheit.
Sicherlich haben sie schon einmal den Satz gehört „Wer fragt, der führt.“ Studien haben tatsächlich gezeigt, dass gute Verhandler mehr als doppelt so häufig Fragen an die Gegenseite richten als weniger erfolgreiche Verhandler. Durch Fragen gelingt es ihnen einfach, die Gesprächsführung zu übernehmen. Und Fragen erfüllen auch eine sehr wichtige Funktion der Positionsbestimmung. Wenn sie Fragen stellen, werden sie wertvolle Informationen über die Positionen und Interessen der Verhandlungspartner bekommen. Aus den Antworten können sie aber auch Informationen über deren Denkweise und Einstellung heraus lesen.
Fragen können ihnen zudem auch wertvolle Zeit zum Nachdenken und Abwägen der Argumente verschaffen. Selbst wenn Sie jemandem eine Absage erteilen müssen, können Sie das elegant in Form einer Frage tun. Statt mit einem brutalen, und in vielen Fällen kontraproduktiven, „Nein“ lehnen sie etwa mit „Was können Sie mir anbieten, um Ihren Vorschlag für mich akzeptabel zu machen?“ ab. Jetzt wäre ihr Verhandlungspartner wieder am Zug.
Auf die gemeinsame Basis und die Ziele besinnen
Werden negative Bewertungen ausgetauscht oder Machtverhältnisse demonstriert, befinden sich alle Teilnehmer schnell in einem Zustand der Anspannung. Hier wird es dann wichtig, gemeinsame Ziele und die gemeinsame Basis hervorzuheben. Die gemeinsamen Ziele etwa lassen sich wirksam sichtbar machen, wenn sofort der Nutzten und die Wichtigkeit herausgestellt werden. Dadurch entsteht die notwendige Motivation, die Verhandlung in einer konstruktiven Atmosphäre weiterzuführen. Eine mögliche Formulierung könnte so lauten:
„Wir haben jetzt in greifbarer Nähe die einmalige Chance, bei dem für uns beide sehr interessanten Projekt eine solide Einigung hin zu bekommen.“
Erst günstige Bedingungen für kreatives Denken machen es mögliche kreative Lösungen zu erarbeiten. Wenn keiner an eine Lösung glaubt und noch Konflikte untereinander vorhanden sind, wird wahrscheinlich auch keine Lösung gefunden werden.
Anker auswerfen und so den Maßstab vorgeben
Werfen Sie in einer Verhandlung frühzeitig den Anker aus. Der Anker ist die erste Zahl die in das Gespräch eingebracht wird. Untersuchungen haben gezeigt, dass diese erste Zahl von beiden Seiten fast zwangsläufig als „Anker“ oder Vergleichsmaßstab für den weiteren Verhandlungsverlauf angenommen wird. Diesen Effekt nennt man Ankereffekt, oder auch „anchoring“. Damit verschiebt sich in der Regel das Verhandlungsergebnis zugunsten desjenigen, der die Zahl ins Spiel brachte.
Die wichtigsten Argumente mit Bedacht auswählen
Achten Sie darauf, ihr Gegenüber nicht mit Fragen zu bombardieren. Auch sollte keine Salve von Argumenten auf ihn Einprasseln. Erfolg werden sie haben, wenn sie ihre Argumente im Vorfeld gewichten und nur mit den stärksten Argumenten antreten. Denn präsentieren Sie ihr volles argumentatives Kanonenfeuer, wird ihr Partner sich die schwächsten Argumente aussuchen, entkräften und dann zur Gegenargumentation überleiten. Das einzelne Argument wird dadurch schwächer, die stärkeren Argumente verpuffen unbeachtet.
Während der gesamten Verhandlung ist es wichtig, aufmerksam zu bleiben. Lesen sie also auch, was zwischen den Zeilen steht. Über die Argumentation, aber auch aus der Körpersprache des Gegenübers lässt sich vieles ablesen. Jede Botschaft, die ausgesendet wird, hat zwei Ebenen. Die sachliche Informationsebene und die emotionale Information. Aus der emotionalen Ebene lassen sich Informationen über die Bedürfnisse und Gefühle des Sprechers, aber auch Informationen über die Art der Beziehung zueinander ablesen. In der Aussage „Lassen sie uns doch wieder sachlich werden“ steckt zum einen die Aussage, dass ich mich angegriffen fühle. Aber auch eine Aussage wie „Ich bin vernünftiger als du“ oder „Ich spreche für dich mit“ lässt sich hier herauslesen.
In der emotionalen Information stecken also wichtige Hinweise für den Verhandlungsverlauf. Je besser man sich auf einen Partner einstellen kann, umso besser wird auch der Verlauf des Gespräches sein. Auch wenn sich Signale der Körpersprache nie absolut, sondern immer nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit interpretieren lassen, so sind sie doch wichtige Indikatoren. Dazu gehören Mimik, Gestik, Körperhaltung und paraverbale Signale wie Versprecher oder eine gepresste Stimme. Auch das Aussenden von störenden Botschaften („Sie als Mediziner sollten aber wissen …“) sollte wahrgenommen werden, um darauf reagieren zu können.
Wenn das Gespräch in der Sackgasse steckt
Droht eine Sackgasse oder das Scheitern der Verhandlung, so lässt sich der gordische Knoten manchmal durch ein wohldosiertes Zugeständnis zerschlagen. Wichtig dabei: Machen Sie nur eine Last-Minute-Konzession, wenn die Gegenseite signalisiert, sich ebenfalls zu bewegen. Dann werden Sie auch bei einer scheinbar verfahren Situation Bewegung in das Verhandlungsgefüge bringen.
Verhandeln heißt Probleme lösen. Wenn sie diese Regeln beachten, kommen Sie ihrem Ziel schnell näher.
- Wie man eine Sache vorbringt, ist entscheidend. Bereiten sie sich auf jede Verhandlung ausreichend vor. Legen sie sich eine Strategie zurecht und eignen sie sich nötiges Fachwissen an. Beziehen Sie auch Partner in Ihre Vorbereitungen mit ein. Bedenken sie bei ihrer Strategie auch konkrete Alternativziele festzuhalten.
- Die Persönlichkeit gibt den Ausschlag. Ihr Gegenüber wird nicht nur die Fakten sehen, sondern auch den Mensch dahinter. Seien sie positiv eingestellt, lächeln sie und vergessen sie nicht: überzeugend wirkt, wer sicher wirkt.
- Alles was Menschen sagen, hat eine bewusste und unbewusste Ebene. Vergessen Sie nicht, dass auch bei Verhandlungen Gefühle im Spiel sind. Für unser Handeln ist der Anteil des Unbewussten oft ausschlaggebender als der des Bewussten.
- Bleiben Sie bis zum Schluss aufmerksam. Grade wenn aus einer Verhandlung ein wahrer Verhandlungsmarathon wird, sollten sie bis zum Ende fit bleiben. Seien sie ausgeruht und wählen Sie einen geeigneten Zeitpunkt.
- Je mehr sie fragen, um so mehr erfahren sie. Nehmen sie sich Zeit, um mit Diagnose-Fragen, das sind offene Fragen, den Standpunkt des Gegenübers herauszufinden. Machen Sie nie einen Vorschlag, bevor der andere Standpunkt nicht klar ist!
- Jedes Problem hat zwei Seiten. Versuchen sie, auch den Standpunkt der Gegenseite zu verstehen. Versetzten Sie sich in seine Lage und versuchen sie zu sehen, welche Konsequenzen die eigenen Vorschläge für ihn hätten.
- Verhandeln, ohne ein Ziel erreicht zu haben, ist unter Umständen verlorene Zeit. Denken sie also daran zum richtigen Zeitpunkt die Verhandlungen abzuschließen.
- Lassen sie Türen offen und schlagen sie keine Türen vorschnell zu. Egal wie eine Verhandlung läuft, beide Partner sollten ihr Gesicht wahren können.
- Analysieren Sie nach der Verhandlung den Verlauf und das Ergebnis. Daraus können Sie wertvolle Schlüsse für weitere Verhandlungen ziehen.
Markus Junger M.A. ist Lehrbeauftragter der Universität Tübingen und arbeitet seit 1999 als Personaltrainer, Coach und Referent der Professionellen Gesprächsführung für zahlreiche Unternehmen und Institutionen. Er ist studierter Rhetoriker und Pädagoge und wurde von Prof. Dr. Christian-Rainer Weisbach in der Professionellen Gesprächsführung ausgebildet.
Herr Junger, kann professionelles Verhandeln überhaupt erlernt werden? Wenn ja, welches ist die beste Methode?
Markus Junger: Ja, verhandeln kann man lernen und es ist auch kein Hexenwerk. Wir führen ständig Verhandlungen, mit Kollegen über Projektaufgaben, mit dem Chef über Arbeitszeiten, mit unserem Partner über den nächsten Urlaub. Die beste Methode ist es, sich selber ständig zu hinterfragen und zu überlegen, was war an meinen bisherigen Verhandlungen gut, und was muss ich für die nächste Verhandlung verändern, um die eigenen Ziele besser zu erreichen. Natürlich kann auch ein spezielles Verhandlungstraining helfen.
Was sind die häufigsten Fehler, die bei Verhandlungen auftreten, und wie können sie vermieden werden?
Markus Junger: Der größte Fehler ist, sich nicht auf eine Verhandlung vorzubereiten. Das rächt sich spätestens beim Verhandlungsabschluss. Je mehr ich über meine eigenen Ziele und über den Verhandlungspartner und seine Ziele weiß, um so besser kann ich mich darauf einstellen und schon bei der Vorbereitung überlegen, wie kann ich auf seine Einwände reagieren. Erfolgreiche Verhandler beschäftigen sich immer mit den Interessen der Verhandlungspartner und den eigenen. Bereiten Sie sich vor! Informieren Sie sich über Ihren Verhandlungspartner. Legen Sie fest, was Sie für sich erreichen wollen und schätzen Sie ab, wo sich Ihre Ziele mit denen Ihres Verhandlungspartners decken können. Prüfen Sie, mit welchem Ergebnis Sie auch zufrieden wären.
Ihr Tipp um Verhandlungen erfolgreich abzuschließen?
Markus Junger: Achten Sie auf verbale und nonverbale Zeichen. Ihr Verhandlungspartner stimmt Ihnen zu, durch Wiederholen Ihrer Argumente, durch Kopfnicken oder ausdrückliche Bejahung. Er stellt Fragen zur weiteren Vorgehensweise oder er beschäftigt sich bereits mit den Auswirkungen des Verhandlungsgegenstands. Wenn Sie merken, jetzt geht es darum abzuschließen, dann tun Sie es! Viele Verhandlungen scheitern, weil der richtige Moment zum Abschluss verpasst wird oder sich aus einer Verhandlung ein Beratungsgespräch entwickelt.
[Chr. Gregor Landwehr; Bild: simonkr - Fotolia.com]