VerhandlungstechnikFrauen verhandeln anders
Frauen sind seltener in Führungspositionen und sie verdienen weniger, obwohl weibliche Manager genauso gut oder oftmals sogar besser qualifiziert sind als ihre männlichen Kollegen. Das ergab der aktuelle „Führungskräfte Monitor 2010“ des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Dieser Umstand mag viele Ursachen haben. Eine könnte sein, dass Frauen in Verhandlungen um Jobs und Gehälter zu wenig fordern. Ein Verhandlungswettbewerb von Marketingforschern der Universität Hohenheim aus dem Jahr 2006 ergab immerhin, dass Männer in Geschäftsverhandlungen erfolgreicher abschneiden.
Frauen verhandeln einfach anders. Sie gehen wesentlich diplomatischer mit ihren Verhandlungspartnern um. Die Initiatorin der Studie Uta Herbst sagte im Interview mit karriere.de, dass Frauen im Gegensatz zu Männern nicht so gewinnorientiert sind und lieber kuscheln wollen. Damit meint sie:
„Frauen halten nicht an ihrem eigentlichen Ziel fest, dem monetären Gewinn, sondern steuern das Nebenziel Konfliktfreiheit an. Am liebsten würden sie in Frieden und Harmonie von ihrem Verhandlungsgegner scheiden, nach dem Motto: Wer weiß, wann ich wieder mit dem verhandeln muss? Und weil ihnen Selbstvertrauen und Standfestigkeit fehlen, geben sie zu schnell auf.“
Laut Herbst bereiteten sich Frauen gründlicher auf Verhandlungen vor, sie legten sich mehr Argumente zurecht und überlegten genau, welche Argumente der Gegner bringen könnte. Das hätte sich auch in dem Verhandlungswettbewerb gezeigt: Da hätten die Männer viel weniger Inhalte vermittelt und stattdessen Positionskämpfe betrieben. Die Frauen hätten "schöner" verhandelt. Für den Erfolg im Geschäftsleben reiche das natürlich nicht aus. Aber wenn es darum gehe, eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu schaffen und Geschäftsbeziehungen für die Zukunft zu stärken, dann hätten Frauen die Nase vorn.
Die Kompetenzbereiche erfolgreichen Verhandelns
Laut dem Verhandlungsexperten Otto S. Wilkening gibt es fünf Kompetenzbereiche von erfolgreichen Verhandlern. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Verhandlungssituationen machen sich wie folgt bemerkbar:
- Klärungskompetenz für eine geeignete Verhandlungsstrategie: Dazu gehört beispielsweise die konsequente Planung und Steuerung von Verhandlungsmacht, Einflüssen und Rollenaufteilungen. Frauen scheinen sich hier schwerer zu tun als Männer in vergleichbaren Positionen, weil sie sich wohl eher mit mediativen, kooperativen Werten identifizieren, während Männer leichter zu aggressivem Verhandlungsvorgehen neigen. Dadurch können Männer mit faktischen Machtspielen Frauen leichter überrumpeln.
- Steuerungskompetenz der beidseitigen Verhandlungsziele und Verhandlungsinteressen: Es gibt gut greifende Schnellanalyse-Werkzeuge, um unmittelbar die Verhandlungspartner mit ihren Zielen, Motiven und Interessen durchschauen zu können. Nur oft kennen Frauen diese motivationspsychologischen Verhandlungsmethoden gar nicht ausreichend und verschenken Chancen für die überzeugende Verhandlungsbeeinflussung des Verhandlungsgegners.
- Prozesssteuerungskompetenz: Männer in Führungspositionen haben oft die kompetente Steuerung von Abläufen bereits intensiv durch Projektmanagement-Methoden gelernt. Frauen scheinen dort Defizite zu haben.
- Kommunikations-Steuerungskompetenz: Hier sind Frauen überlegen. Doch diese Stärke kommt nur dann zur Geltung, wenn die Verhandlung zu einem konstruktiven und fairen Ergebnis führen soll. Bei unfairen Verhandlungstricks und subtiler Verhandlungs-Steuerung der Gegenseite, also wenn der Verhandlungspartner manipuliert, fehlen vielen Frauen wirksame Gegenmaßnahmen.
- Argumentations- und Überzeugungskompetenz: Ein erfolgreicher Verhandlungsabschluss hängt davon ab, wie gut die eigenen Ziele geklärt und die Interessen des Partners eingeschätzt werden. Wenn es dort Lücken gibt, kann der Verhandelnde zum Schluss nicht sehr überzeugend den Verhandlungsnutzen präsentieren und den erfolgreichen Abschluss sichern.
Die Waffen der Frauen gezielt einsetzen
Wenn Frauen in Verhandlungen schlechter abschneiden als Männer, liegt das nicht an Unfähigkeit oder Dummheit. Ihre Einstellung, Persönlichkeit, Werte und Zielsetzungen führen dazu, dass Frauen in Verhandlungssituationen eine andere Rationalität und mehr Emotionalität zeigen. Es geht ihnen nicht ausschließlich darum, ein Sachziel zu erreichen – koste es, was es wolle.
Weibliche Werte wie Kommunikationsstärke, Beziehungspflege, Solidarität bringen eine Menge Vorteile in der Zusammenarbeit zwischen Menschen mit sich. Frauen können Beziehungen gestalten und ein gutes Betriebsklima schaffen. Doch das sind nicht unbedingt die Ziele in Verhandlungen. Einen Konsens zu finden und eine Win-win-Situation zu erreichen ist für harte Verhandlungspartner kein erstrebenswertes Ziel. Doch die weiblichen Verhandlungspartner können sich oft nicht darauf einstellen. Das sollen sie auch gar nicht, denn es gibt einen Weg, wie sie ihre Bedürfnisse nach Harmonie befriedigen können und trotzdem als Sieger aus der Verhandlung gehen.
Es wäre ein Weg in die falsche Richtung, würden die Frauen versuchen, sich die typisch männlichen dominanten aggressiven Eigenschaften anzueignen. Denn erstens müssten sie sich dann verbiegen und wären nicht mehr authentisch und zweitens können sie darin wahrscheinlich nie so gut werden wie die „wahren“ Männer.
Also gilt es, die typisch weiblichen Stärken für sich einzusetzen und die Gegenseite damit förmlich um den Finger zu wickeln. Frauen können in Verhandlungen ihren Wunsch nach Harmonie zeigen und recht fair und lieb erscheinen. Das lässt den Gegner besänftigen und ihn in Sicherheit wiegen, dass er gewinnt. Mit Charme und Diplomatie können Frauen aber dennoch ihre Ziele durchsetzen. Vorausgesetzt sie kennen ihre Ziele und möchten diese wirklich erreichen. Wer sich vom Ziel abbringen lässt, wird nie erfolgreich aus einer Verhandlung heraus gehen. Bleibt das Ziel immer vor Augen, kann dadurch – sogar ohne den Gegner direkt anzugreifen – das gewünschte Ergebnis erreicht werden. Angriff erzeugt Gegenangriff, und wenn Frauen erst gar nicht zum Angriff ansetzen, können sie auch mit weniger Gegenangriff rechnen.
Um jemanden zu überzeugen, reichen sachliche Argumente ohnehin nicht aus. Wenn Verhandlungspartner miteinander sprechen, tauschen sie nicht nur Informationen aus, sondern treten auch emotional miteinander in Kontakt. Und genau darin liegt ja die Stärke von Frauen: Emotionalität. Indem sie Komplimente machen und Anerkennung zeigen, stärken sie das Selbstwertgefühl des Gegenübers, der sich von einer sympathischen Person eher überzeugen lässt als von einer harten Kämpferin.
Das Interview mit Otto S. Wilkening lesen Sie auf Seite 2 >>

Otto S. Wilkening ist Organisationspsychologe und arbeitet seit drei Jahrzehnten als Verhandlungstrainer. In seinem Buch „Das High-Speed-Verhandlungssystem“ beschreibt er eine Verhandlungsmethode, wie man seine Geschäftspartner blitzschnell überzeugen kann. Ob es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen beim Verhandeln gibt, hat der Verhandlungsexperte im Interview mit Petra Oberhofer erläutert.
Herr Wilkening, Frauen scheinen sich mit Verhandlungen schwerer zu tun als Männer. Warum ist das Ihrer Ansicht nach so?
Ich bin war bei eigenen Erhebungen anfangs selbst erstaunt, dass Frauen in Verhandlungen Schwierigkeiten haben, sich mit Ihren, oft sehr guten Verhandlungsvorbereitungen, durchzusetzen; denn Frauen werden meiner Meinung nach häufig unterschätzt und zeigen, dass sie gut systematisch verhandeln können.
Verhindert die Bescheidenheit vieler Frauen, dass Frauen ein gutes Verhandlungsergebnis erzielen?
Ich mag das nicht Bescheidenheit nennen, vielfach ist es das Bedürfnis, in laufenden Prozessen andere Verhandlungsteilnehmer zu unterstützen und gemeinsame Interessen vor einseitige Ziele zu stellen. Lassen Sie uns ein „gutes“ Verhandlungsergebnis kurz anschauen: Wenn ein Ergebnis gut ist, welches meinen eigenen Zielen dient, dann hindert eine kooperative Prägung immer noch eher Frauen daran, hart für eigene Zielmarken zu kämpfen. Sehr interessante Erhebungen dazu habe ich bei vergleichenden Untersuchungen in Verhandlungstrainings in IT-Unternehmen gemacht: In Wirtschaftsverhandlungen dominierte bei über 80 Prozent der Frauen der Wunsch, die Verhandlung durch ein eigenes eher absicherndes Verhalten kooperativ voranzubringen. Männer erreichten durch Konfrontation kurzfristig schneller eigene Verhandlungsziele.
Was raten Sie Frauen, damit diese in Verhandlungen ein besseres Ergebnis erzielen?
Frauen sollten die eigene Durchsetzungsstärke besser durch eine filigrane Ablaufsteuerung zum Tragen bringen. Das kann ihnen durch eine systemische Schritt-für-Schritt-Verhandlungstechnik viel leichter gelingen als Männern mit testosterongesteuerter männlicher Aggressivität. Systematisch ineinandergreifende Verhandlungsmethoden sind hilfreich für Frauen. So können sich die meisten von ihnen eine kontinuierliche Kontrolle und Steuerung über die Gesamtverhandlung verschaffen. Das erhöht die weibliche Verhandlungsmacht erheblich.
Bescheidenheit hat als Ziel längst ausgedient! Meine Tipps für Frauen gehen dahin, sich nicht durch Aggressivität überrumpeln zu lassen, sondern strukturiert die Rahmenbedingungen mit den Werkzeugen der Verhandlungsplanung zu analysieren, die Motive der Gegenseite durch Motivprofiling und Hilfsmittel wie Zielkaskaden-Analyse schnell zu klären und dann konsequent den eigenen Verhandlungsstil in allen Verhandlungsphasen durchziehen.
Für mich erreichen Frauen, die diese grundlegenden Verhandlungswerkzeuge einsetzten, weitaus bessere Verhandlungsergebnisse als Männer: Denn Frauen sind hervorragende Anwenderinnen von systematischen Vergehensweisen und damit die besseren Prozess-Steuerinnen. Wichtig erscheint mir, dass Frauen die Anwendungstipps des High-Speed-Verhandlungssystems dazu nutzen, um den gesamten Verhandlungsablauf mit seinen Phasen und Prozess-Schritten konsequent zum Ziel zu steuern.
Frauen sollten sich auch ein gegensteuerndes Verhandlungsverhalten bei miesen Tricks und Manipulationen auf allen Manipulations-Ebenen zurechtlegen und dieses sofort einsetzen. Damit können sie männliche Manipulationen und sogar unfair agierende Verhandlerinnen spielend leicht aushebeln.
Was ist das Besondere an der von Ihnen entwickelten Verhandlungsmethode, dem „High-Speed-Verhandlungssystem“, in Bezug auf Frauen?
Das High-Speed-Verhandlungssystem ist ein in sich logisches Verhandlungssystem mit dem Ziel einen Verhandlungsvorsprung vor der Gegenseite zu gewinnen. Dieses Konzept für die blitzschnelle Klärung und Steuerung des Verhandlungserfolgs baut auf neuen Ergebnissen motivpsychologischer und betriebswirtschaftlicher Forschung auf. Gleichzeitig sind meine Erfahrungen aus drei Jahrzehnten als Berater, Personalentwickler und Verhandlungscoach eingeflossen.
Mit dem High-Speed-Verhandlungssystem erzielen besonders strukturiert vorgehende Frauen systematisch Verhandlungsvorteile. Sie sind als Frau schneller, überzeugender und besser vorbereitet als ihr Verhandlungspartner. Das gilt auch in persönlichen Beratungsgesprächen, Projektmeetings und sogar bei schnellen Verhandlungen am Telefon. Damit haben Frauen ein vollständiges System für schwieriger werdende Wirtschafts-Verhandlungen mit allen notwendigen Werkzeugen und Verhandlungstipps in der Hand.
Stärken-Schwächen-Wertungen zur eigenen Verhandlungskompetenz helfen Frauen dabei, sich selbst einzuschätzen. Durch eine Methodentoolbox, erkennen sie sofort konkrete Verhandlungschancen und gelangen mit Verhandlungsinstrumenten in einem Coachingprozess zu Verhandlungslösungen. Selbst kurz noch vor einer wichtigen Verhandlung.
Ist eine gute Verhandlungsstrategie für Frauen auch bei der Karriere hilfreich?
Ursprünglich wollte ich nur ein zusätzliches Kapitel für Frauen zusammenstellen. Aber als das Buch und die Wissensplattform fast fertig waren, ist mir bewusst geworden, dass ich eigentlich den Karriere-Booster für Frauen entwickelt hatte. Sehen Sie: Frauen gelingt es leichter sich durch die zugrunde gelegte Systematik, durch weibliche Lernkompetenz und eigenes Durchhaltevermögen Verhandlungsvorsprünge zu erarbeiten. Gerade bei karriereorientierten Frauen ist das eine bedeutsame Schlüsselqualifikation. Schauen Sie sich nur die fünf aufeinander aufbauenden Kompetenzbereiche mit den dazugehörenden Methoden- und Verhaltenslösungen an: Damit sind Frauen den männlichen Kollegen in Verhandlungssituationen einfach überlegen! Ich denke das liegt nicht nur an den Stärken von Frauen, sondern der Bereitschaft zur konsequenten Anwendung von psychologisch und systemisch fundiertem Verhandlungsverhalten. Die bessere Steuerungskompetenz eines klaren Verhandlungsprozesses gibt den Ausschlag für den Verhandlungserfolg.
Vielen Dank für das Interview, Herr Wilkening!