Verständlichkeit von Reden von Top-Managern

Die Reden von CEOs sind meist alles andere als verständlich. Monsterwörter und Schachtelsätze statt klare Formulierungen. Die ersten Ergebnisse einer Studie zeigen, bei wem es besonders hakt.

In Sachen Verständlichkeit hat Daimler-Chef Dieter Zetsche bislang die beste Rede gehalten. Auf einer Skala bis maximal 10 Punkte landet der Top-Manager mit 6,1 Punkten jedoch auch nur im mittleren Bereich der Verständlichkeit. Seit Jahresbeginn untersuchen Frank Brettschneider, Leiter des Fachgebiets Kommunikationstheorie an der Universität Hohenheim, und sein Team, wie verständlich die 30 führenden Wirtschaftsbosse Deutschlands auf Jahreshauptversammlungen sprechen. Nach den ersten 15 Reden zieht der Kommunikationswissenschaftler eine ernüchternde Zwischenbilanz. Brettschneider urteilt in der Presseinformation zur Halbzeitanalyse:

„Die Vorstandsvorsitzenden verspielen allesamt ihre Chance. Dabei ist das doch die Gelegenheit für sie, ihre Botschaften wirksam vor Aktionären und Journalisten zu platzieren.“

Statt Klartext würden Deutschlands Top-Manager lieber von „Nettofinanzschulden“, „diversifizierten Industriekonzepten“ und „Deinvestitionsprogrammen“ sprechen.

Seit Januar dieses Jahres hat Brettschneider bereits 15 Reden unter die Lupe genommen. Bis zum 31. Mai will er alle Jahreshauptversammlungen der DAX-30-Unternehmen analysiert haben. Dazu verwendet der Kommunikationswissenschaftler eine spezielle Software, die die Reden nach formalen Gesichtspunkten analysiert. Unter anderem fahnden die Forscher nach Satz-Ungetümen (Sätze ab 20 Wörtern und Schachtelsätze), Fachbegriffen und Fremdwörtern. Zusammen mit weiteren Merkmalen ergeben sie einen Verständlichkeitswert auf einer Skala von 0 (so verständlich wie eine Doktorarbeit) bis 10 (so verständlich wie Radio-Nachrichten).

Branchenvorteil für die Automobilindustrie

Das bisherige Ergebnis: Auf der Skala von 0 bis 10 kommt der gewandteste Redner unter Deutschlands führenden Wirtschaftsbossen auf 6,1 Punkte. Daimler-Chef Dieter Zetsche hat dieses Ergebnis Anfang April in Berlin eingefahren. Brettschneider dazu:

„Das ist insofern bemerkenswert, als Zetsche mit weit über 6.500 Wörtern die längste Rede gehalten hat.“

Doch der oberste Manager des Stuttgarter Autobauers genießt gegenüber seinen Kollegen einen Vorteil: seine Branche. Autos und Motoren kenne jeder. Also seien auch alle mit dem grundlegenden Vokabular vertraut, so der Forscher weiter. Außerdem hätten Automobilhersteller meist den Endverbraucher im Kopf und würden in dessen Sprache denken. Deshalb sei auch Platz 2 fest in der Hand der deutschen Automobilindustrie. Dorthin nämlich hat es VW-Chef Martin Winterkorn geschafft (5,7 Punkte).

Schwer tun sich dagegen Bosse von Chemie-Konzernen. Sie füllen die untersten Ränge der Tabelle: Kaspar Rorsted (Henkel) mit 3,5 Punkten und Schlusslicht Kurt Bock (BASF) mit 3,3 Punkten. Der Grund für das schlechte Abschneiden: Chemie-Unternehmen beliefern hauptsächlich andere Industriezweige. Den Endverbraucher haben sie gar nicht im Blick. Folglich sprechen sie auch nicht dessen Sprache.

Monsterwörter und Schachtelsätze

Die drei längsten Wörter bestehen jeweils aus 37 Buchstaben:

  • „Lithium-Schwefel-Batterie-Technologie“ (Kurt Bock, BASF)
  • „Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung“ (Peter Bauer, Infineon; Peter Löscher, Siemens)
  • „Vollsortiment-Nutzfahrzeug-Hersteller“ (Georg Pachta-Reyhofen, MAN)

Solche Begriffe erschweren das Verstehen erheblich, meint Brettschneider. Das Gleiche gelte für zu lange Sätze. Der längste Satz stammt aus der Rede von Heinrich Hiesinger von ThyssenKrupp. Hier der Wortlaut:

„Die Kombination der großen Investitionen in Amerika mit der völlig unerwarteten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 hat dazu geführt, dass ThyssenKrupp nunmehr das fünfte Jahr in Folge einen negativen Mittelzufluss, heute meist Cashflow genannt, ausweist und die Nettofinanzschulden damit zwischenzeitlich auf einen Wert von bis zu 6,5 Milliarden Euro gestiegen sind.“

Zwischen Autos und Chemikalien tummeln sich im Mittelfeld des Rankings Vertreter ganz verschiedener Branchen. Experte Brettschneider begründet das Ergebnis seiner Studie so:

„Die meisten Vorstandsvorsitzenden denken vor allem an Analysten und Wirtschaftsjournalisten, wenn sie auf der Hauptversammlung sprechen. Sie vergessen, dass sie auch in die breite Öffentlichkeit wirken können und legen deshalb viel zu wenig Wert auf kurze Sätze und gebräuchliche Wörter. Dabei gilt: Nur wer verstanden wird, kann auch überzeugen.“

In den Führungsetagen mangelt es also an Problembewusstsein. Bislang hat allerdings erst die Hälfte der DAX-30-Unternehmen ihre Jahreshauptversammlung abgehalten. Nicht berücksichtigt wurde die Rede des Vorstandsvorsitzenden der Firma HeidelbergCement, Bernd Scheifele, der frei gesprochen hatte.

Hinweis

Das endgültige CEO-Ranking finden Sie hier: Reden: Telekom-Chef spricht am verständlichsten

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