VertriebWie Startups den Verkauf angehen
Der Businessplan ist ausgearbeitet, die Finanzierung in trockenen Tüchern, die passende Rechtsform gewählt. Damit sind schon einige entscheidende Hürden bei der Unternehmensgründung bewältigt. Doch die Geschäftsidee kann noch so gut, das zu vermarktende Produkt noch so innovativ und das Kontaktnetzwerk vermeintlich noch so gut gefüttert sein – wenn Marketing- und Vertriebsaktivitäten nicht von vornherein systematisch geplant und organisiert werden und es an der Abstimmung auf die passenden Zielgruppen hapert, werden leicht Kräfte verschwendet und wichtige Verkaufschancen versäumt.
Verkäuferisches Potenzial wird oft verschenkt
Noch immer wird der Vertrieb gerade in kleineren Unternehmen oft eher stiefmütterlich behandelt. Schließlich gehören Aufgaben wie etwa die telefonische Kaltakquise nicht unbedingt zu den beliebtesten Aufgaben. In größeren Firmen passiert dagegen häufig Folgendes: Ausgelagert auf einzelne Verantwortliche oder Abteilungen, die nicht ausreichend abgestimmt mit dem Marketing agieren, verpufft verkäuferisches Potenzial, das genutzt werden könnte, um neue Geschäftschancen zu identifizieren und bei bestehenden Kunden am Ball zu bleiben.
Für Großunternehmen und auch kleine Startups gilt: Bei wachsenden Anforderungen in einem vom globalen Wettbewerbsdruck geprägten Marktumfeld ist auch das Management selbst gefordert, vertrieblich aktiv zu werden. Das heißt für Führungskräfte, dass damit verbundene Herausforderungen nicht komplett an die entsprechenden Verantwortlichen delegiert werden können. Die Geschäftsführung steht in der Pflicht, Kontakte zu nutzen und auszubauen, strategischen Einfluss zu nehmen sowie vorhandene Ansätze durch aktive Beteiligung und regelmäßige Abstimmung zu bündeln und auf Kurs zu bringen.
Umgekehrt spielen auch für das Verkaufsteam selbst Managementkompetenzen und betriebswirtschaftliche Kenntnisse eine immer wichtigere Rolle, um komplexe Verkaufsprojekte in einem veränderten, teils virtualisierten Markt- und Arbeitsumfeld sinnvoll stemmen zu können. Für Gründer wiederum hat das zur Konsequenz: Die zentrale Bedeutung des Vertriebs muss beim Aufbau eines Unternehmens – und einer Unternehmenskultur – berücksichtigt werden. Zum Beispiel bei der Planung personeller Strukturen und Investitionen und der Erstellung eines realistischen Businessplans.
Kundenbezogene Aktivitäten langfristig planen
Um von Beginn an strukturiert handeln und eine verlässliche Datenbasis aufbauen zu können, lohnt sich die Überlegung, ein CRM-System zu implementieren. Doch auch ohne ein solches sollten bewährte Werkzeuge wie etwa der Verkaufstrichter, der Verkaufsprozess und Maßnahmen der strategischen Accountplanung genutzt werden. Denn nur dadurch wird es möglich, alle kundenbezogenen Aktivitäten langfristig und effektiv zu planen.
Vertriebstrichter
Ein Vertriebstrichter oder auch Verkaufstrichter dient der Optimierung der Verkaufsprozesse, der Angebotsquote und der Kaufabschlüsse. Es handelt sich um ein Modell zur Neukundengewinnung und zur Pflege von Bestandskunden (Wiederkäufern). Dazu werden alle Schritte des Verkaufsprozesses zwischen Erstkontakt und Abschluss betrachtet und versucht, diese in Form einer Kennzahl zu beschreiben. Der Vertriebstrichter symbolisiert, dass in jeder Phase des Verkaufsprozesses ein Prozentsatz potenzieller Kunden wegfällt.
Geht es darum, sich als neue Firma einen Namen zu machen oder etwas Neues auf dem Markt zu lancieren, muss vorab differenziert betrachtet werden, auf welche Zielgruppe wann und wie zugegangen wird (Marketingmix) und welchen Nutzen des Angebots diese jeweils wahrnehmen soll. Dies kann in den Phasen der Einführung durchaus unterschiedliche Maßnahmen erfordern.
So reicht es nicht, im Rundumschlag alle möglichen Kanäle und Ansprechpartner mit den gleichen Inhalten zu adressieren, also quasi „Produktdatenblätter“ mit vorteilhaften Merkmalen an die vermeintlich richtigen Personen zu verteilen. Vielversprechender ist es, sich auf eine kontinuierliche und intensive Betrachtung des Kunden, des Marktumfelds und der vielfältigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einflussfaktoren, denen Unternehmen heute unterliegen, einzulassen.
Ressourcen sparen mit dem richtigen Vertriebsmodell
Das „Chasm-Modell“ des Organisationstheoretikers Geoffrey More zeigt: Der Erfolg eines Produkts hängt nicht in erster Linie von seinen Eigenschaften, sondern von einer wohlüberlegten Vermarktungsplanung ab, die zunächst gegebenenfalls eher auf den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach setzt. Die daraus abgeleitete Kernfrage ist: Wo lässt sich in der Startphase am besten ansetzen und wer sind die richtigen Ansprechpartner?
Manche Kundengruppen oder Märkte lohnt es sich zum Beispiel erst ab einem gewissen Marktanteil anzugehen beziehungsweise erst dann, wenn der Markteintritt geschafft wurde. Anders formuliert: Auch wer sich bereits als Global Player sieht, fängt am besten vor der eigenen Haustür an. Dann stellt sich auch gleich die Frage: Welches Vertriebsmodell bietet sich wann am besten an?
Mögliche Partner und Distributoren anzugehen, um einen Channel-Vertrieb aufzubauen, macht möglicherweise nicht gleich zu Beginn Sinn, sondern erst dann, wenn bereits eine Referenz oder ein anderer Qualitätsnachweis bestehen, durch die ein Mehrwert überzeugend dargestellt werden kann. Auch beim mit mehr Risiko und Aufwand verbundenen Direktvertrieb will gerade auf der ersten Etappe gut überlegt sein, wo dieser am wahrscheinlichsten Ergebnisse verspricht.
Fazit
Wer sich von Anfang an ein realistisches Bild von seinen Verkaufsprojekten macht, Werkzeuge wie den Vertriebstrichter nutzt und die jeweils relevante – also im Augenblick wahrscheinlich interessierteste – Zielgruppe angeht, schont seine Ressourcen und kann oft schneller Erfolge verbuchen. Mit jeder neuen Referenz und wachsendem Kundenvertrauen wird es leichter werden, die Kluft zwischen dem Interesse einer innovationsfreudigen, aber zahlenmäßig geringen Erstklientel und dem Massenmarkt zu überwinden.