Virales MarketingDie Werbebotschaft verbreitet sich wie ein Virus
Die klassischen Werbeformen verlieren kontinuierlich an Effektivität. Und Konsumenten fühlen sich durch die klassischen Werbemedien zunehmend überfordert. Drei Viertel der Online-User geben an, durch die wachsende Informationsflut den Überblick zu verlieren. 25 Prozent plädieren sogar für die generelle Abschaffung von Werbung. Dies bestätigt eine Studie der defacto.gruppe.
Zudem ist Werbung in Print, Hörfunk oder TV teuer und aufgrund der allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage nicht mehr von jedem Unternehmen zu finanzieren. Auch Startups haben zu Beginn oft nicht genügend Mittel dazu.
Da bietet es sich mehr denn je an, seine Produkte und Dienstleistungen auf anderen nicht klassischen Wegen zu bewerben. Empfehlungen durch Kunden könnten eine kostengünstige Alternative sein. Wie effektiv Empfehlungen sind, weiß Marc Zuckerberg, der Gründer von Facebook:
„Nichts interessiert eine Person mehr als Empfehlungen von einem vertrauten Freund.“
Unternehmen können aktiv Kunden-Empfehlungen ankurbeln, indem sie virales Marketing als Marketing-Instrument einsetzen. Damit verbreiten sich Empfehlungen über Produkte und Dienstleistungen virusartig.
Virales Marketing
Beim viralen Marketing werden Informationen, die einen unternehmensspezifischen Bezug haben, nicht wie bei klassischer Werbung über Medien (TV, Hörfunk, Print) verbreitet (Top-Down), sondern von Konsument zu Konsument auf freiwilliger Basis (Empfehlung).
Viral bedeutet, dass sich die Botschaft wie ein Virus verbreitet. In dramatischer Schnelligkeit und mit exponentieller Wirkung. Beliebte Träger der Markenkommunikation sind Online-Videos, Blogs, Podcasts und Spiele. Die persönlichen oder digitalen Gespräche über die Botschaft werden auch als Mundpropaganda bezeichnet.
Im Internet gibt es diverse Möglichkeiten, virales Marketing zu initiieren. Unter anderem:
- Videos,
- Blogs,
- Podcasts,
- Online-Spiele und
- Social Networks.
Um Online-Videos zu verbreiten, bietet sich das Internet-Videoportal YouTube an, auf dem die Benutzer kostenlos Video-Clips hochladen und ansehen können. Über Websites, Mobilgeräte, Blogs und E-Mails können die Videos dann weitergegeben werden.
Für die Werbetreibenden sind die Vorteile, dass die Produktionskosten für einen kurzen Videoclip meist um einiges geringer sind als die hohen Mediakosten für Veröffentlichungen im Fernsehen, Radio oder in Printmedien. Im günstigsten Fall haben die YouTube-Videos dabei eine mindestens genau so gute, wenn nicht sogar bessere Verbreitung zu bieten. Läuft die virale Werbekampagne ausgesprochen gut, kann der Video-Clip oder beispielsweise ein Online-Spiel es sogar in die klassischen Medien schaffen. Und das ganz ohne dafür zu zahlen. TV, Radio und Print berichten freiwillig darüber.
Das funktioniert allerdings nur, wenn das angebotene Video aufgrund seiner Qualität imstande ist, positive Mundpropaganda auszulösen. Darin liegt die immer größer werdende Herausforderung, denn bei täglich hundert Tausenden neu veröffentlichten Videos wird es immer schwieriger, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Neue Verbreitungsform über das Handy
Und auch das Handy wird als neues virales Medium erkannt. Einer Studie der Fachhochschule St. Pölten zufolge können sich Handy-Botschaften wie ein Virus verbreiten, wenn diese nur die richtige Form haben – nämlich unterhaltsam sind und Anreize in Form einer Gegenleistung bieten. Mobiltelefon-Botschaften bieten Unternehmen daher ein großes Potenzial.
Während virales Marketing im Internet erfolgreich umgesetzt wird, ist das im Mobilfunkbereich weitgehend unbekanntes Terrain und kaum erforscht. Das Potenzial zeigt sich in der hohen Anzahl der Menschen, die dafür offen sind, Botschaften von Unternehmen über ihr Mobiltelefon zu erhalten und vor allem auch weiterzuleiten. Über 53 Prozent sind bereit, SMS oder MMS auf ihrem Handy zu erhalten, würden dazu also ihre Erlaubnis geben. Mit 65 Prozent würde die klare Mehrheit dieser Personen die Nachricht auch weiterleiten und zwar an drei bis fünf Freunde oder Bekannte. Sendet man also eine Werbebotschaft in Form einer SMS an 500 Personen, die dazu ihr Einverständnis gegeben haben, erzielt man im Idealfall bereits nach der fünften Weiterleitungsstufe zwischen 35.000 und 350.000 Personen – angesichts des minimalen Aufwandes ein riesiger Effekt.
Unternehmen sollten so schnell wie möglich auf den Zug des viralen Mobilmarketings aufspringen. Denn gerade jetzt ist diese Kommunikationsmaßnahme noch neu, innovativ und unverbraucht und erzielt damit eine besonders hohe Aufmerksamkeit. Aber Vorsicht: Wer potenziellen Kunden und Empfehlern kein attraktives Angebot macht, rutscht schnell in die Rubrik: nervig!
Die viralen Marketingmaßnahmen haben nur dann Erfolg, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Zum Beispiel muss die Botschaft einen Empfehlungscharakter haben. Denn eine virusartige Verbreitung gelingt nur über Empfehlungen. Die Treiber von Konsumenten-Empfehlungen sind laut der Online-Studie „Opinion Leader“ der defacto.gruppe folgende:
- Das subjektiv wahrgenommene Insider-Wissen des jeweiligen Konsumenten. Dieses wird vor allem durch das eigene Interesse, den individuellen Informationsvorsprung sowie die Nutzungshäufigkeit bestimmt.
- Der Gemeinschaftssinn, der beispielsweise durch Unternehmungslust, Hilfsbereitschaft, Weltgewandtheit sowie Geselligkeit bestimmt wird.
- Die Innovationsführerschaft wird maßgeblich durch die Affinität zu neuen Produkten sowie die Offenheit zu neuen (Internet-) Medien charakterisiert.
- Extrovertiertheit und die generelle Kommunikationsfähigkeit der Person des Empfehlers, also der nach außen gerichteten Lebensweise.
Zur Verdeutlichung hier noch einmal die prozentuale Verteilung der Treiber von Empfehlungen.
Weitere Erfolgskriterien für virale Werbekampagnen, zum Beispiel mit Internet-Videos sind:
- Qualitative Inhalte: Nur wenn die Inhalte unterhaltsam, überraschend oder exklusiv genug sind, finden sie Verbreitung durch die Nutzer.
- Kundennutzen: Die Botschaft muss so verpackt sein, dass sie demjenigen, der sie verbreiten soll, einen Nutzen bringt. Dies kann durch Spaß erreicht werden, zum Beispiel mit einem Online-Spiel. Aber auch Weiterempfehlungen, die das Image des Empfehlers steigern, eignen sich. Der Nutzen dabei ist, dass der Empfehler sein Ansehen steigert, wenn er die Botschaft weiter gibt. (Selbstdarstellung)
- Seeding-Strategie: Das Video sollte nicht nur auf der eigenen Website veröffentlicht werden, sondern gezielt an einen Verteiler affiner Multiplikatoren geschickt werden. Wenn es ihren Anforderungen entspricht, geben sie es an ihr Netzwerk weiter und gewünschte Schneeballeffekte werden möglich. Damit ist die Schwelle zu einer nennenswerten Verbreitung überwunden.
- Die richtigen Empfänger und Verbreitungswege wählen: Die Inhalte müssen an die relevante Zielgruppe angepasst und übermittelt werden.
- Spielregeln der Blogger und Social Networks einhalten: Solche Spielregeln besagen beispielsweise, dass ein Blog authentisch und ehrlich sein muss. Künstliche Inszenierungen haben nur kurze Überlebenschancen. Genauso verurteilt wird es, wenn Unternehmen Negatives einfach zensieren. Es sollte auch nicht versucht werden, das Unternehmen oder die Marke, die dahinter steckt, geheim zu halten. Das weckt nur Misstrauen.
- Emotionalität: Werden die Kunden emotional angesprochen, erhöht dies die Bereitschaft, Informationen weiterzugeben. Welche Emotionen sich am besten eignen, um die Verbreitung zu erhöhen, hat eine Studie herausgefunden.
Welche Emotionen über die Weitergabe von Werbevideos entscheiden
Um Werbevideos erfolgreich werden zu lassen und um keine Werbebudgets zu verschwenden, ist es wichtig zu wissen, wann Werbevideos ansteckend sind und was der Auslöser dafür ist. Eine Studie der DSG Dialog Solutions GmbH ist der Frage nachgegangen, welche Emotionen die Weitergabe von Online-Videos durch Konsumenten fördern. Hauptverantwortlich für das ansteckende Potenzial, also die Viralität eines Videos, ist, dass der Betrachter einbezogen wird; die Experten sprechen vom situativen Involvement des Users. Die wirksamsten emotionalen Auslöser für den Grad des Involvements sind nicht etwa Humor oder Fröhlichkeit, sondern Angst und Zorn. Diese Emotionen liefern die stärksten Handlungsimpulse.
Angst und Zorn erfüllen die Konsumentenmotive Risikominimierung und Verbündung (Gemeinsamkeit stärkt). Sie regen zum Austausch an. Je stärker hingegen Zufriedenheit oder Fröhlichkeit durch ein Online-Video aktiviert werden, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Konsument es mit anderen teilt.
Eine interessante Achse zeigt sich außerdem zwischen negativen und positiven Emotionen: Neben Angst, Scham und Zorn fördert auch Liebe – und damit eine Form des Mitgefühls – das Involvement. Martin Dräger, Gründer und Geschäftsführer der DSG, erklärt:
"Die Trennlinie verläuft damit nicht zwischen negativen und positiven Emotionen, sondern zwischen involvierenden und wenig bewegenden Gefühlen."
Die starken Ergebnisse der Studie in Bezug auf negative Emotionen verweisen für ihn heute weniger auf die oft simplen Schockmechanismen der frühen viralen Videos, als auf bewegende Momente innerhalb kollektiv reizvoller Kommunikation. Die emotionalen Motive dahinter zu verstehen, stellt für ihn eine wichtige Aufgabe dar:
"Konsumenten, ob on- oder offline, sind zu Akteuren geworden, was die soziale Komponente von Emotionen für Marken und Unternehmen so wichtig macht."
Ein Risiko bei der Beteiligung an Online-Aktivitäten ist, dass nicht nur gute Bewertungen von Kunden gemacht werden. Gibt man beispielsweise auf der Website die Möglichkeit zur Bewertung oder zum Kommentieren der Produkte, ist es selbstverständlich, dass nicht jeder Konsument in gleicher Weise zufrieden ist. Eine Zensur wäre jedoch fatal, denn dies bestrafen die User mit noch schlimmeren negativen Meldungen.
Trotz Regelverstoß erfolgreich
Bei der sehr erfolgreichen viralen Marketing-Kampagne mit Horst Schlämmer hat Volkswagen 2007 bewiesen, dass es auch funktionieren kann, wenn nicht alle Regeln eingehalten werden. Der Schlämmerblog erreichte in nur vier Wochen 3,6 Millionen Seitenbesuche mit 2,8 Millionen gesehenen Videos. Folgende eklatante Fehler nach gängigen Erfolgskriterien wies das Konzept der Horst-Schlämmer-Kampagne jedoch auf:
- Der Blog wurde von einer Kunstfigur geschrieben (Authentizität).
- Kommentare wurden zensiert.
- Der Sponsor Volkswagen wurde zunächst geheim gehalten.
Gründe für den großen Erfolg trotz des Regelverstoßes sind:
- Horst Schlämmer als fiktiver Charakter war schon vor der Kampagne bekannt.
- Dass Kommentare erst geprüft und dann freigeschaltet werden, wurde offen angekündigt und (wahrscheinlich aus Gründen der Prominenz) akzeptiert.
- Sympathievorteil von Hape Kerkeling und die gute Qualität des viralen Contents sorgten für Akzeptanz, auch wenn zu Anfang der Sponsor geheim gehalten wurde.
Negative Äußerungen oder Meinungen von Kunden sollten allerdings kein Hinderungsgrund sein, nach Meinungen auf der eigenen Website zu fragen. Denn es kann irgendwo im Netz trotzdem Negatives geschrieben werden. Aber das ist alles halb so schlimm, denn wenn die Marke gut ist und viele Fans hat, so werden in aller Regel diese für das Unternehmen reagieren und falsche oder unfaire Beiträge relativieren. Wenn das Produkt oder die Dienstleistung hingegen schlecht ist, muss entweder etwas an der Qualität verbessert oder es muss eingestellt werden. Zumindest erhält man dadurch ein Feedback der Kunden und hat somit auch die Chance, auf Kundenwünschen zu reagieren.
Sehr wichtig ist es also möglichst viele Markenfans zu gewinnen. Um dies zu erreichen, muss man den Kunden die Möglichkeit geben, eine Beziehung zur Marke aufzubauen, die echt und direkt ist. Dies schafft man, indem man in Kontakt und im Dialog mit den Kunden steht. Beispielsweise könnte man sie auch mit in die Produktentwicklung einbeziehen oder einen Werbeslogan ausdenken lassen. Damit werden sie fast automatisch zu Fürsprechern der Marke.
Hinweis
Auf YouTube gibt es ein amüsantes Video über virales Marketing, in dem in einer Marketing-Sitzung auf schwäbisch über neue Marketingstrategien diskutiert wird:
[po; Bild: ©Scott Maxwell - Fotolia.com]