Vorgesetzte managen Zielkonflikte

Ein neues Vorhaben hier, die Zwänge des Alltagsgeschäfts da. In Unternehmen herrschen ständig Zielkonflikte. Doch die lassen sich managen.

Viele Mitarbeiter kritisieren, ihre Führungskräfte würden sie mit ihren wechselnden (Ziel-)Vorgaben irritieren. Gerade bei noch unerfahrenen Vorgesetzten kann man oft ein planloses Agieren feststellen. Sie „führen“ ihre Mitarbeiter mit permanent wechselnden und sich teils widersprechenden Anweisungen. Meist liegt solchen Klagen jedoch ein Problem zugrunde, mit dem alle Führungskräfte regelmäßig kämpfen: Sie stehen beim Führen des ihnen anvertrauten Unternehmens oder Bereichs vor der Herausforderung, ein ganzes Bündel von sich teils widersprechenden Zielen zu erreichen. Und weil die Rahmenbedingungen sich ständig ändern, müssen sie immer wieder die Prioritäten verschieben. Das erzeugt bei den Mitarbeitern zuweilen das Gefühl, ihre Chefs wüssten selbst nicht, was sie wollten. Vor allem in Situationen, in denen ihnen die (scheinbaren) Kurswechsel nicht ausreichend erklärt werden. 

Die Sozialwissenschaft spricht von einem Dilemma, wenn eine Person zeitgleich mehrere, sich teils widersprechende Ziele erreichen möchte oder muss. Ein typisches Dilemma ist die vieldiskutierte Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Für dieses Dilemma gilt wie für alle anderen: Es lässt sich, zumindest wenn man Beruf mit Karriere gleichsetzt, für die meisten Berufstätigen nur bedingt lösen – egal, welche Unterstützung der Arbeitgeber oder der Staat gewähren. Denn wer viel Geld verdienen will, muss in der Regel auch viel dafür tun. Vor solchen Dilemmas stehen auch Unternehmen immer wieder:

Beispiel:

Ein Betrieb will auch künftig zu den Top-Anbietern im Markt zählen, also muss er investitieren – sei es in neue Produkte, in die Entwicklung neuer Technologien oder in das Erschließen neuer Märkte. Wenn das Unternehmen hierfür aber eine Menge Geld ausgibt, dann sinken Liquidität und Ertrag und die Verschuldung steigt. Das heißt, es wird abhängiger von Kapitalgebern, was seine Eigenständigkeit, wenn nicht gar Existenz, gefährden kann.

Solche Dilemmas gibt es auch auf der Bereichsebene von Unternehmen:

Beispiel:

Bei vielen Maschinen- und Anlagenbauern besteht folgender Dauerkonflikt zwischen Vertrieb und Produktion: Die erfolgsabhängig bezahlten Verkäufer wollen möglichst viel verkaufen. Also versprechen sie potenziellen Kunden oft das Blaue vom Himmel; keine noch so spezielle Anfertigung scheint dann unmöglich. Aufgrund dieser zahlreichen Sonderanfertigungen kämpft die Produktion hingegen mit einem sinkenden Output und die Kosten schnellen nach oben.

Vor einem ähnlichen Dilemma stehen zurzeit viele Banken. Eine Aufgabe ihrer Verkäufer lautet, möglichst viele Kredite zu verkaufen. Auch auf die Gefahr hin, dass einige Kreditnehmer das Geld nicht zurückbezahlen können. Gleichzeitig aber geben die bankinternen Kontrolleure vor, die Zahl der Kreditausfälle solle gegen Null tendieren. Sie lehnen also so manche von den Verkäufern mühsam akquirierte Kreditanfrage ab. Dies führt zum Dauerstreit in vielen Banken.

Dilemmas managen und bearbeiten

Kennzeichnend für Dilemmas ist: Sie lassen sich nicht lösen. Denn selbstverständlich muss ein Unternehmen Vorsorge betreiben, dass es auch in fünf oder zehn Jahren noch erfolgreich ist, also investieren und sich modernisieren. Dabei sollte es jedoch darauf achten, dass es sein Tagesgeschäft noch erfüllen kann und liquide bleibt. Und selbstverständlich muss ein Unternehmen, das im Wettbewerb steht, auch auf individuelle Kundenwünsche eingehen, ohne dass seine Produktivität leidet. Die Folge: Das Dilemma beziehungsweise der Zielkonflikt kann nicht gelöst, sondern nur gemanagt werden. Dabei lassen sich folgende Schritte unterscheiden. 

1. Das Dilemma erkennen

Bereits dies fällt den Beteiligten in den Unternehmen oft schwer. Den Top-Entscheidern, weil sie zu wenig ins Alltagsgeschäft des Unternehmens involviert sind und nicht adäquat einschätzen können, was gewisse (strategische) Entscheidungen wie „Wir strukturieren um“ oder „Wir expandieren“ für die Organisation bedeuten. Auch den Führungskräften auf der Bereichs- und Abteilungsebene sowie ihren Mitarbeiter fällt es oft schwer, ein Dilemma wahrzunehmen, weil sie bei ihrer Arbeit primär ihren eigenen Aufgabenbereich vor Augen haben und nicht ausreichend erkennen, was nötig ist, damit das Gesamtunternehmen (auf Dauer) erfolgreich arbeitet.

2. Das Dilemma nicht negieren

Pragmatische Macher neigen dazu, Dilemmas zu negieren. Sie tun zum Beispiel Hinweise von Kollegen oder Untergebenen wie „Hier haben wir einen Zielkonflikt“ oder „Wir könnten ein Problem bekommen, wenn …“ häufig als unwichtig ab und interpretieren sie als Ausdruck mangelnder Entschluss- und Tatkraft. Entsprechend aktionistisch ist oft ihr Handeln, das kurzfristig sogar meist Früchte trägt. Doch dann rächt es sich plötzlich bitter, dass über einen längeren Zeitraum die konkurrierenden Ziele vernachlässigt wurden, wenn zum Beispiel die Produkte des Unternehmens nicht mehr marktfähig sind, Kundengruppen wegbrechen oder Leistungsträger scharenweise abwandern.

3. Das Dilemma besprechbar machen

Die meisten Ziele von Unternehmen hängen direkt oder indirekt zusammen und beeinflussen sich wechselseitig – weshalb ja die Dilemmas entstehen. Entsprechend wichtig ist es, solche Dilemmas zu analysieren:

  • Welche Ziele haben das Unternehmen und seine Bereiche?
  • Wie hängen diese zusammen?
  • Welchen Einfluss haben sie auf den kurz-, mittel- und langfristigen Erfolg des Unternehmens?

Hilfreich kann hierbei das Erstellen einer Strategielandkarte sein, in der die Ziele aufgelistet und ihre wechselseitige Beziehung abgebildet sind.

4. Regeln für den Umgang mit dem Dilemma vereinbaren

Wenn ein Mitarbeiter erkennt, dass es ihm schwer fällt, Familie und Beruf zu vereinbaren und er darunter leidet, sollte er das Gespräch mit seinem Vorgesetzten suchen und ihn auf diesen Zielkonflikt hinweisen. Das Ziel: seine Interessen und die des Betriebs angemessen zu berücksichtigen. Außerdem sollte er sich mit seinem Lebenspartner besprechen. Am Ende des Gesprächs können dann Absprachen getroffen und Regeln für den Umgang mit dem Zielkonflikt vereinbart werden.

Ähnlich ist es in Unternehmen. Auch hier muss jemand die Initiative ergreifen und mit Nachdruck auf den Zielkonflikt hinweisen. Dies ist gerade deshalb wichtig, weil viele Zielkonflikte in Unternehmen so alltäglich sind und als nicht steuerbar erachtet werden. Folglich wird ihre Bearbeitung so lange hinausgeschoben, bis es fast schon zu spät ist. 

5. Sich nicht sklavisch an die Regeln halten

Unternehmen bewegen sich in einem dynamischen Umfeld, die Rahmenbedingungen ändern sich permanent. Also müssen die Beteiligten im Unternehmen regelmäßig prüfen, ob sich die formulierten Regeln noch zum Managen der Dilemmas eignen oder ob es neue braucht. Doch auch zwischenzeitlich müssen sie im Dialog bleiben, denn im Betriebsalltag tauchen immer wieder Fälle auf, die von den Regeln nicht erfasst werden. Etwa bei einem Neukunden, der sich möglicherweise zu einem Top-Kunden entwickeln könnte oder wenn ein unvorhergesehenes Ereignis wie eine Finanzkrise die Liquidität des Unternehmens bedroht.

Das Bewusstsein für Dilemmas schärfen

Auf besondere Herausforderungen und veränderte Rahmenbedingungen flexibel zu reagieren gelingt Unternehmen nur, wenn zumindest im Führungskreis ein gemeinsames Bewusstsein über folgende Dinge besteht: 

  • Das Unternehmen befindet sich ständig in bestimmten Dilemmas.
  • Diese müssen gemanagt werden.

Dieses Bewusstsein müssen Unternehmen ihren Mitarbeitern und insbesondere ihren Führungskräften vermitteln. Zudem sollte das Führungspersonal lernen, viele, sich teils widersprechende Ziele, parallel zu managen und permanent neu auszubalancieren. Denn dies wird aufgrund des sich rasch wandelnden Unternehmensumfelds zu einer zentralen Managementaufgabe.

Dazu im Management-Handbuch

Ähnliche Artikel

Excel-Tipps