WettbewerbNeue Wirtschaftsriesen machen Druck

Schon jetzt erreichen die größten und erfolgreichsten Unternehmen aus Schwellenländern wie China oder Indien gemeinsam Umsätze von über einer Billion US-Dollar pro Jahr. Um weiter zu wachsen, setzen sie zudem auf aggressive Akquisitionsstrategien.

In den wachstumsstarken Regionen Asiens, Mittel- und Lateinamerikas sowie Osteuropas reifen hunderte von künftigen Wirtschaftsriesen heran, die die heutigen Marktführer bedrohen. Die Aufsteiger wachsen stark und strotzen vor Wirtschaftskraft, dringen energisch in ausländische Märkte vor und verändern den Wettbewerb in vielen Branchen. In der in Delhi vorgestellten Studie "The BCG 2008 100 New Global Challengers" hat die Unternehmensberatung The Boston Consulting Group (BCG) zum zweiten Mal 100 besonders bemerkenswerte Vertreter dieser Angreifer identifiziert.

17 Neuzugänge schafften es auf die Liste. Darunter sind Suzlon Energy (Indien), ein Turbinenhersteller für Windkraftanlagen, Nine Dragons Paper Holdings (China), einer der größten Kartonagenproduzenten weltweit, das Lebensmittelunternehmen Grupo Bimbo (Mexiko), der Komponentenzulieferer Marcopolo (Brasilien) oder der Industrieausrüster Tenaris (Argentinien). Die "100 New Global Challengers" hat ein internationales BCG-Forscherteam aus über 3.000 Unternehmen aus 14 Ländern ausgewählt. Kriterien waren Herkunft und eine führende Position in einem Schwellenland, ein Umsatzvolumen von über einer Milliarde US-Dollar und Präsenz in Auslandsmärkten.

Mit Umsätzen von insgesamt 1,2 Billionen US-Dollar und einer jährlichen Einkaufsmacht von mehr als einer halben Billion US-Dollar haben sich die 100 Herausforderer bereits heute Respekt erworben. Noch beeindruckender sind jedoch ihre ehrgeizigen Wachstumsziele: Laut BCG-Schätzung werden sie bis 2010 ihre Umsätze auf 3,3 Billionen US-Dollar und bis 2015 sogar auf 11,8 Billionen US-Dollar steigern.

Hunderte Herausforderer in den Startlöchern

Bernd Waltermann, BCG Senior Partner in Singapur und einer der Autoren der Studie, erklärt:

"In den boomenden Schwellenländern stehen hunderte ehrgeiziger Firmen in den Startlöchern, um die Weltmärkte zu erobern. Viele Manager der westlichen Marktführer können heute nicht einmal die Namen ihrer neuen Rivalen aussprechen. Dabei sollten sie sich intensiv mit ihnen beschäftigen. Wer schnell reagiert, kann neue Kunden, Zulieferer oder strategische Partner gewinnen. Wer tatenlos abwartet, wird sich bald heftiger Konkurrenz oder gar feindlicher Übernahmen erwehren müssen."

Schon heute liegen die 100 Herausforderer vor den westlichen Marktführern: In den zurückliegenden fünf Jahren stiegen ihre Umsätze schneller als jene der im S&P-500-Index gelisteten US Blue Chips - seit 2004 sogar dreimal so stark -, sie erwirtschaften höhere Margen (17 Prozent gegenüber 14 Prozent der S&P-500-Unternehmen) und schufen mehr Wert für ihre Aktionäre. Um regional und global zu wachsen, verfolgen viele der aufstrebenden Firmen aus Schwellenländern eine aggressive Akquisitionsstrategie: Sie schultern nicht nur mehr, sondern auch immer größere Übernahmen.

Im Jahr 2006 kauften die Angreifer insgesamt 72 Unternehmen - 2000 wurden lediglich 21 Übernahmen registriert. Das durchschnittliche Volumen einer Akquisition stieg von 156 Millionen US-Dollar im Jahr 2001 auf 981 Millionen US-Dollar 2006. Besonders Unternehmen aus China und Indien nahmen häufig Wettbewerber aus westlichen Märkten ins Visier. So kaufte beispielsweise Suzlon Energy aus Indien den deutschen Windkraftanlagenhersteller REpower Systems.

Neue Art von Wettbewerbern

Christoph Nettesheim, BCG-Partner in Beijing und Globalisierungsexperte, sagt:

"Die neuen Herausforderer brechen die Regeln des Wettbewerbs. Sie ziehen ihre Stärke aus kostengünstiger Produktion, arbeiten sich aber zielstrebig mit höherwertigen Angeboten nach oben. Sie investieren stark in Forschung und Entwicklung und Markenaufbau. Viele westliche Industrieunternehmen sind auf diese neue Art von Wettbewerbern nicht vorbereitet. Dabei könnten sie mit den richtigen Strategien auch selbst enorm von dem Umsatzwachstum der Herausforderer profitieren."

Das Gros der aufstrebenden Industrie-Titanen kommt aus China (41) und Indien (20), gefolgt von Brasilien (13) und Mexiko (7). Aber auch Unternehmen aus Argentinien, Chile, Ungarn oder Polen entwickeln sich zu neuen Wirtschaftsriesen. Die meisten dieser Unternehmen stammen aus der Industriegüterbranche (Automobil, Stahl, Werkzeuge) oder sind Rohstoffproduzenten; daneben sind auch einige Hersteller von Elektrogeräten oder Lebensmitteln und Getränken auf der BCG-Liste vertreten.

Kriterien für Auswahl der "BCG 100 New Global Challengers":
Die BCG-Praxisgruppe "Globalisierung" untersuchte die Wirtschaftskraft und Internationalisierung von 3.000 Unternehmen aus Asien, Latein- und Mittelamerika sowie Osteuropa und Russland. In einer Vorselektion wurden die größten Firmen herausgefiltert und deren wirtschaftliche Kennzahlen für die zurückliegenden drei Jahre analysiert. Entscheidend für die Aufnahme in die Liste der 100 Herausforderer war ferner eine nachweisliche und fortgeschrittene Globalisierung des Geschäfts; hier wurden Kriterien wie internationale Standorte des Unternehmens, Auslandsinvestitionen in den letzten fünf Jahren, die Verfügbarkeit von finanziellem Kapital für die Expansion oder die Breite und Tiefe der technologischen Intellectual Property untersucht.

[dw; Quelle: BCG; Bild: fotolia]

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