Wie sich Mitarbeiter im Service selbst motivieren
Die meisten Callcenter sind besser als ihr Ruf. In vielen Centern wird heute Wert auf die kundenorientierte Behandlung der Anrufer gelegt. Vorbei die Zeiten, in denen die Mitarbeiter grundsätzlich genervt waren, wenn ein Kunde mit einem Problem anrief. In gut geführten Service-Centern sitzen in der Regel Mitarbeiter, die gerne mit Menschen umgehen, fachlich qualifiziert sind und entsprechend honoriert werden. Für die Aufgabe im Kundenservice werden kommunikationsfähige Menschen ausgesucht, denen Kundenservice Spaß macht. Doch jede gute Führungskraft weiß auch, wie schwierig es ist, das anfängliche Engagement aufrecht zu erhalten und kontinuierlich Motivation und Begeisterung zu erzeugen. Dies ist die größte Herausforderung in Callcentern beziehungsweise Contact Centern mit Qualitätsanspruch und einem Management, für das Kundenbindung ein Unternehmensziel ist.
Schlüsselqualifikationen von Service-Mitarbeitern
Um ihre Mitarbeiter zu motivieren, setzen Unternehmen zum Beispiel auf eine gute Raumausstattung oder gemeinsame Events. Auf diese Weise werden die Mitarbeiter zufrieden gestellt und fühlen sich am Arbeitsplatz zumindest nicht unwohl. Doch werden diese Mitarbeiter automatisch auch die Kunden ans Unternehmen binden? Bei dieser vorschnellen Ableitung ist Vorsicht geboten, denn Untersuchungen zeigen, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter noch lange kein Garant für deren Kunden-Engagement ist.
Gerade bei diesen Mitarbeitern schlägt die Routine im Arbeitsalltag und damit in unzähligen Telefonaten immer wieder zu: ein Anruf nach dem anderen, immer wieder die gleichen oder ähnliche Kundenprobleme und teilweise sehr emotionale Gespräche mit unterschiedlichsten Gesprächspartnern. Da führt auch das bloße Credo „Sei beim 50igsten Telefonat immer noch genauso freundlich wie beim ersten!“ auf Dauer auch nicht zum Ziel.
Um Kunden zu begeistern und emotional an das Unternehmen zu binden, braucht es engagierte und motivierte Mitarbeiter. Um gleichbleibende Motivation und damit Servicequalität zu schaffen, brauchen die Mitarbeiter zwei Schlüsselqualifikationen, die aber heutzutage noch kaum Auswahlkriterien und Lernziele darstellen:
- Empathie und Distanz
- Selbststeuerung der Gefühle
Aktiv mit dem eigenen Arbeitsauftrag auseinandersetzen
Können die Mitarbeiter sich in Kunden hineinversetzen und lassen sie gleichzeitig die Probleme nicht zu nah an sich heran, streifen sie die Erlebnisse des Tages am Abend ab. Sie können abschalten und sich erholen. Können sie sich positiv beeinflussen, dann motivieren sie sich selbst und stellen sich so auf ihre Gesprächspartner immer wieder aufs Neue ein. Das Ziel: Spaß an der Arbeit und im Umgang mit Kunden.
Doch warum ist dies so wichtig? Wenn sich die Service-Mitarbeiter nicht aktiv mit ihrer Belastung, ihrer Rolle und ihrem emotionalen Auftrag „Lächle immer freundlich und geh auf den Kunden ein!“ auseinandersetzen, machen sich Routine und unbewusste Bewältigungsmechanismen breit. Das beeinflusst die Motivation nicht wirklich positiv.
Auf Kunden emotional eingehen statt Probleme versachlichen
Die Versachlichung der Probleme, die von Kunden an die Mitarbeiter herangetragen werden, ist eine Möglichkeit der täglichen Stressbewältigung. Diese Form kennt man zum Beispiel auch von Ärzten, die einen emotionalen Abstand zu ihren Patienten herstellen. In Callcentern läuft dies etwa folgendermaßen ab:
Ein Kunde erläutert seiner Versicherung, dass er seinen Wagen zu Schrott gefahren hat. Die übliche Antwort: „Ich brauche Ihre Kundennummer“. Diese Nicht-Anteilnahme am Schicksal des Kunden schafft sofort eine Distanz – sowohl beim Mitarbeiter als auch beim Kunden. Der Kunde wird zur Nummer. Dass dies gerade bei Service-Mitarbeitern nicht kundenorientiert ist, liegt auf der Hand.
Service-Mitarbeiter brauchen eine neue Haltung
Service-Mitarbeiter müssen erkennen, dass es nur im ersten Moment einfacher erscheint, nicht auf die emotionale Befindlichkeit und das emotionale Problem des Kunden einzugehen. Die versachlichten Gespräche werden eher mühsam, weil man sich nicht zuhört, aneinander vorbei redet, beide Seiten sich nicht verstanden fühlen, es Missverständnisse und manchmal auch emotionale Entgleisungen gibt. Es ist letztlich anstrengend für beide Seiten. Den Anfang des Gesprächs anders zu gestalten, setzt eine neue Haltung bei Service-Mitarbeitern voraus, die etwa folgendermaßen skizziert werden kann:
Ein Kunde ruft an und hat etwas Wichtiges zu sagen. Ich bin neugierig auf sein Problem, sein Anliegen, und höre ihm gut zu, was er auf dem Herzen hat. Ich stelle mich bewusst positiv auf meinen Gesprächspartner ein. Das rede ich mir nicht nur ein, sondern ich achte darauf, wie es mir gerade geht. Ob es zum Beispiel etwas gibt, was mich hindert, mich auf meinen Gesprächspartner zu konzentrieren.
Diese Reflexion nutzt der Mitarbeiter, um verständnisvoll und kompetent auf den Gesprächspartner einzugehen. Anhand des 4-Felder-Modells kann diese bewusste Gesprächsgestaltung verdeutlicht werden:
Professionelle Gefühlsarbeit in Servicegesprächen heißt, sich selbst zu reflektieren und Alarmzeichen des Körpers festzustellen, die auf eine negative Wahrnehmung von Kundenanliegen schließen lassen. Zur Selbstreflexion gehört also die Körperwahrnehmung, und durch Bewegung kann auch die Motivation positiv beeinflusst werden. So können Service-Mitarbeiter beispielsweise ab und an auch im Stehen telefonieren oder auch – sofern drahtlose Head Sets zur Verfügung stehen – sich dabei im Raum bewegen. Durch das Kneten von Schaumbällen lassen sich überdies anstrengende Situationen „entstressen“.
Erfolgreiche Kundengespräche sammeln und veröffentlichen
Eine weitere vermeintlich nützliche Methode: Sich den Frust über aufreibende Telefonate und unfreundliche Anrufer lauthals von der Seele reden. Da muss ein Negativ-Beispiel immer wieder herhalten und wird in der ganzen Abteilung breitgetreten. Wer auf diese Weise „Luft ablässt“ wird zwar kurzfristig Erleichterung spüren, verstärkt aber seine negative Grundhaltung und demotiviert sich selbst. Auf Dauer wird die Stimmung im gesamten Team bezüglich Kundenorientierung und Spaß an der Arbeit vergiftet.
Mitarbeiter können ihre Stimmung positiv verändern, wenn sie die Telefonate mit Hilfe einer Smiley-Skala zählen und bewerten. Es zeigt sich: Die wenigen negativen Gespräche werden immer wieder hervorgehoben. Die netten und erfolgreichen hingegen, die Tag für Tag mit Kunden geführt werden, sind nicht der Rede wert. Durch die Sammlung und Veröffentlichung schöner Telefongeschichten lässt sich eine Gegenbewegung schaffen, die die Laune hebt.
Übungen fürs Wohlbefinden von Service-Mitarbeitern
Zielführend können auch Techniken und Übungen sein, die für die nächsten Telefonate fit machen: eine kurze Imaginationsreise an einen schönen Ort, ein Gegenstand am Arbeitsplatz, der angenehme Erinnerungen hervorruft und wenige Minuten konzentriert fixiert wird. Oder einfache Atemübungen und Übungen aus der progressiven Muskelentspannung. Diese bewussten Pausen beeinflussen die eigene Haltung und damit das Wohlbefinden des Service-Mitarbeiters.
Die Fähigkeit zu Empathie und Distanz sowie zur Selbststeuerung der Gefühle lässt sich erlernen und bewusst einsetzen. Der Respekt vor der emotionalen Schwerstarbeit, die die Mitarbeiter im Kundenkontakt leisten und deren Wertschätzung durch die Führungskräfte sind der erste Schritt. Daher ist eine Neuausrichtung von Telefon-Trainings und Coaching-Ausbildungen auf Inhalte notwendig, die nicht nur die Kommunikation im Fokus haben, sondern den Mitarbeiter in die Lage versetzen, seine eigene Haltung und Einstellung bewusst zu beeinflussen und zu wählen.
Das Bestreben, es dem Mitarbeiter leicht zu machen, kontinuierlich authentischen Service zu leisten, unterstützt den Lernerfolg und die Umsetzung. Aufgabe der Führungskräfte ist es, ein Umfeld zu schaffen, das Bewegung, Spaß, kurze Pausen, Selbstreflexion und Gefühle zulässt und somit die Selbstmotivation fördert. Das macht es auch für sie selbst einfacher. Motivation heißt nun nicht mehr, etwa die letzte Motivationsveranstaltung durch eine noch bessere zu übertrumpfen. Mitarbeiter und Kunden sind vielmehr engagiert und Führungskräfte können sich selbst motivieren.