WissensmanagementFehler erkennen, ergründen und eliminieren
Schon vor 20 Jahren sprach die Beraterbranche vom Wissensmanagement und löste damit einen Hype aus. Aber was bedeutet Wissensmanagement eigentlich? Zunächst verstand man darunter das Sammeln von Mitarbeiterwissen über Prozessabläufe. Beim Versuch, den Mitarbeitern Erfahrungswissen abzujagen, konnte jedoch schnell festgestellt werden, dass sie dies nur ungern preisgaben, denn dieses Wissen sicherte ihre Stellung im Unternehmen. Plötzlich verlor das Thema an Attraktivität.
Wissensmanagement fängt damit an, Wissen überhaupt erst entstehen zu lassen. Wissen im unternehmerischen Kontext bedeutet Unternehmenswissen und nicht die Erfahrungswerte der Mitarbeiter. Doch was versteht man unter diesem Unternehmenswissen und wie lässt es sich generieren? Im Allgemeinen wird Wissen als Informationen definiert, die zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, in der richtigen Qualität der richtigen Person zur Verfügung stehen. Das heißt: Die zusammengetragenen Informationen von Mitarbeitern müssten auf mühevolle Weise anschaulich gemacht werden, so dass alle Wissensnutzer rasch darauf zugreifen könnten. Das Problem dabei: Diese Informationen sind nicht validiert und die Qualität muss nicht unbedingt die richtige sein. Die Folge: Es kann kein Unternehmenswissen entstehen, sondern höchstens eine Ansammlung von Informationen – die in vielen Unternehmen durchaus Sinn macht, vorausgesetzt, sie ist strukturiert aufgebaut.
Mittels Ursachenanalyse Fehler vermeiden
Ein komplett anderer Ansatz ist, durch systematisches und nachhaltiges Fehlermanagement zu Unternehmenswissen zu gelangen. Fehler sind „Wissensboten“, aus denen Unternehmen lernen können. Doch viel zu selten geschieht das tatsächlich. Fehler werden weitläufig als Unmöglichkeit gewertet und so gut es geht verborgen. Aussagen wie „there is no reason to make a mistake“, wie sie schon der Managementguru Philip B. Crosby in den frühen 1970er Jahren tätigte, unterstreichen, das Fehler nicht gemacht werden dürfen.
In der Tat gibt es Berufsgruppen, denen so gut wie keine Fehler unterlaufen dürften, also beispielsweise Chirurgen oder Piloten. Die Maßnahmen des Qualitätsmanagements zur Fehlervermeidung sind hier entsprechend hoch. Viele Unternehmen aber bestrafen Mitarbeiter für Fehler und leiten Sofortmaßnahmen ein, die das Problem nicht beheben, sondern lediglich befristet abstellen. Niemand kann hier wirklich erkennen, was zum eigentlichen Problem geführt hat.
Die lernende Organisation nimmt sich diesen Problemen und Fehlern an und analysiert sie bis ins letzte Detail. Ziel dabei ist das Erkennen der Kernursache. Dafür gibt es viele Methoden, die alle mehr oder weniger gut geeignet sind, wie etwa der „8D Report“ oder der „A3 Report“. Beide beschreiben den Prozess zur nachhaltigen Problemlösung und zielen darauf ab, das vorliegende Problem in seiner maximalen Tiefe zu beschreiben und somit zu verstehen. Zudem sollen die Auswirkungen des Problems transparent gemacht werden. So kann eine Entscheidungsgrundlage entwickelt werden, anhand derer beurteilt werden kann, ob sich die Investition in die Ursachenfindung lohnt oder nicht.
Um die Kernursache von Problemen und Fehlern zu erkennen, können Ursache-Wirkungsmethoden wie etwa das Ishikawa-Diagramm eingesetzt werden. Daraus ergeben sich eine Reihe von möglichen Lösungen, die dann verdichtet werden und zur Kernursache führen. Nicht selten sind solche Kernursachen für mehr als 50 Prozent aller Probleme im Unternehmen verantwortlich. Der Vorteil solcher Methoden: Unternehmen lernen, Problemursachen nachhaltig zu eliminieren, von denen sie noch nichts wussten. Künftig kommen diese Fehler dann nicht mehr vor.
Fehler während des Tagesgeschäfts bearbeiten
Unternehmen können sich jedoch auf diese Weise nicht jedem noch so kleinen Problem widmen. Hier bietet sich eine Statistik als Alternative an, die Fehler sowie deren Häufigkeit und Auswirkungen auswertet. Der Vorteil: Unternehmen können sich auf die Probleme konzentrieren, die den größten Einfluss auf die Organisationsleistung haben. Wer so vorgeht, sollte immer zunächst zwei der Hauptprobleme in aller Tiefe behandeln, Ursachen beseitigen, die Wirksamkeit nachweisen und sich dann auf die nächsten beiden Probleme konzentrieren. Dies lässt sich neben dem Tagesgeschäft erledigen, selbst wenn sich einige nachhaltige Problemlösungen über Wochen hinausziehen.
Bei dieser Vorgehensweise schreiben die Mitarbeiter an der Basis alle Fehler konsequent auf und leiten sie an eine zentrale Stelle weiter, die diese regelmäßig auswertet. An dieser Stelle sind die Führungskräfte angehalten, diese Konsequenz auch einzufordern. Sobald dieses Vorgehen systematisch abläuft, kommt es zu einem nachhaltigen Kulturwandel. Viele sprechen in diesem Zusammenhang von einer lösungsorientierten Organisation, besser geeignet wäre jedoch der Begriff problemorientierte Organisation, denn das nachhaltige Lösen von Problemen ist genau das, worauf es ankommt.
Skeptiker fragen, warum Wissen überhaupt noch gesammelt werden soll, wenn die Ursachen behoben sind. Diese Frage ist durchaus berechtigt und führt zu einer komplett neuen Definition von Wissensmanagement. Dabei geht es nicht um irgendwelche Datenbanken, sondern um reinen Pragmatismus: Probleme erkennen, im Detail beschreiben, die Kernursache finden und abstellen, die Wirksamkeit überwachen, lernen und die Organisation weiterentwickeln. Das ist Wissensmanagement.