ZeitBremst das Tempokarussell!

Die Zeit rennt, immer schneller. Und wir rennen mit. Ständiges Tempo ist zum Selbstzweck geworden. Doch wir brauchen auch Zeit zum Runterfahren, zum Nachdenken und Neudenken. Ein Plädoyer für mehr Muße.

Angesichts der geölten Beschleunigungsmaschinerie, die keinen Stillstand verträgt, scheint es kein taugliches Mittel gegen die eilende Zeitkrankheit zu geben. Der „Beschleunigungssoziologe“ Hartmut Rosa meint, es sei ein strukturelles Problem, denn: „Wenn sich die ganze Gesellschaft beschleunigt, kann ich individuell nicht langsamer werden“. Und Wirtschaftsberater wie Walter Simon sekundieren, die „Entschleunigungspille“ habe sich als Placebo erwiesen, zumal Zeitknappheit die (unausweichliche) Folge von Zeitgewinnen dank enormer Fortschritte in Wissenschaft und Technik sei. Niemand könne sich aus dem globalen Wirkungs- und Abhängigkeitsgefüge heraushalten.

In alternativlosen Szenarien zu denken wäre fatal

Die vielen Argumente, warum es aussichtslos sei, Auswege anzudenken – geschweige denn zu realisieren – sind durchaus plausibel. Es wäre auch naiv, sie nicht ernst zu nehmen. Harte Fakten sprechen für sie. Und dennoch: Erstens gibt es immer mehr als nur eine Wahrheit. Und jede ernsthafte These produziert eine ebensolche Antithese. Überraschende wie kluge Synthesen nicht ausgeschlossen. Zweitens wäre es fatal, nur in alternativlosen Szenarien zu denken und zu agieren. Pragmatismus kann zwar vor Verirrungen und (ent-)täuschenden Träumereien schützen. Pragmatiker stehen mit beiden Füßen fest am Boden der Realität. Aber sie haben auch gelernt, „mit den Achseln zu zucken, angesichts von Dingen, die zwar unschön sind, sich aber nicht ändern lassen“, so der Journalist und Kabarettist Guido Tartarotti in einer famosen Kolumne. Deshalb sei es schade, dass es nicht noch viel mehr „Naive“ gibt, die unbeirrt an Alternativen glauben und arbeiten.

Drittens geht es nicht darum, Entschleunigung als seligmachendes Heilungsdogma oder Mantra für Zeitnot-Geplagte zu propagieren. Auch nicht um die Reduktion auf künstliche Downshifting- oder Downspeeding-Oasen wie Klostereinkehr, Yoga-Workout oder After-Work-Attraktionen. Schon gar nicht, wenn sie sich mit halbschlauen, aber letztlich flauen Slogans wie „Go slow beim Coffee to go“ begnügt. Das sind nette Spielereien im eiligen Zirkus, während sich das Tempokarussell unbeirrt weiter dreht.

Nicht vor dem Zeitnotstand kapitulieren

Ja, es gibt keine Zeitwunderpille, auch keine Entschleunigungspille. Und ebenso nachvollziehbar ist Walter Simons Schlussfolgerung: „Mich erinnert der Kampf um Zeitsouveränität an das Volksleiden Übergewicht, das trotz ständig neuer Titelgeschichten und Wunderdiäten niemals geheilt werden konnte. Analog gilt das Gleiche für das Wirtschaftsleiden Beschleunigung beziehungsweise Zeitknappheit.“ Tatsächlich scheint sich der gefürchtete Jo-Jo-Effekt auch nach diversen „Zeitwunderkuren“ einzustellen. Hier die unerwünschte und umso schnellere Gewichtszunahme nach einer strengen Reduktionsdiät, dort der umso üppiger wuchernde Zeitnotstand. Dennoch wäre es desaströs von vornherein zu kapitulieren, weil es sowieso nichts bringt. Auch röche es nach fauler Ausrede.

Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen, das wohl vielen vertraut ist: Sie machen Urlaub – und stellen verblüfft bis enttäuscht fest, wie schnell der Erholungseffekt im gewohnten Alltagstakt verraucht ist. Dennoch würde kaum jemand daraus ableiten, künftig auf jegliche Auszeiten zu verzichten – weil es sowieso nichts bringt. Stellen Sie sich vor, Sie würden nie mehr den Versuch machen, abzuspecken – oder auszuspannen. Und stellen Sie sich vor, Sie würden aufgrund der Enttäuschungen nie mehr eine „Zeitdiät“ versuchen – weil es sowieso nichts bringt. Sie würden resignieren. Und resignieren hieße verlieren. Chancen. Illusionen. Motivationen.

Dosiertes Downspeeding als Regenerationsmittel

Dosiertes Downspeeding ist nicht nur notwendig, sondern auch möglich. Nicht als Allheil-, sondern als Regenerationsmittel. Mitunter sogar als Überlebensmittel. Denn wer nicht regeneriert, verliert. Und wer nur rennt, verbrennt. Oder verpennt – die Alarmzeichen. Selbst der umtriebigste Zampano muss früher oder später der Einsicht Tribut zollen, dass Zeit und Energie endlich sind. Beschleunigung und Tempo sind ja per se keineswegs übel. Im Gegenteil. Sie gehören zum Leben. So wie Ruhe und Rückzug. Allein die Dosis macht das Gift, wie einst schon Paracelsus postulierte.

Es geht um die Korrektur der Überdosis. Dafür genügen oft schon erstaunlich kleine Zeitfenster, in denen Sie klar und unmissverständlich entscheiden: Jetzt reicht es! Höchste Zeit zum Runterfahren, Ausklinken, Ruhe geben. Zum Nachdenken, Neudenken und Umdenken.

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