Zeitarbeit durch Einkauf richtig managen

Wer Personal über Zeitarbeit einkauft, sollte systematisch und strategisch vorgehen. So lassen sich Servicequalität erhöhen und Kosten sparen.

Personal flexibel vorhalten und einsetzen ist heute für viele Unternehmen eine Erfolgsvoraussetzung, gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Entsprechend boomt die Zeitarbeit. Doch in zahlreichen Unternehmen erfolgt der Einkauf von Zeitarbeitskräften noch wenig systematisiert. Häufig leihen die Abteilungen und Bereiche weitgehend ad hoc und unreguliert Personal. Hierdurch entstehen unter anderem Mehrkosten, die durch ein Systematisieren und Optimieren der Beschaffung von Zeitarbeitskräften durch den Einkauf vermieden werden könnten. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte sich der Einkauf intensiv mit folgenden sechs Fragen befassen:

1. Was will der interne Kunde erreichen?

Zeitarbeitskräfte werden unter anderem aus folgenden Gründen engagiert: 

  • Zur Reduktion der Personalkosten durch den Einsatz von kostengünstigerem Personal
  • Zum Steigern der Leistungsfähigkeit durch qualifizierte Zeitarbeitskräfte
  • Zur Flexibilisierung des Personalpools, um auf schwankende Auftragslagen besser reagieren zu können
  • Zur Vermeidung einer aufwendigen, kostenintensiven Suche nach geeignetem Personal
  • Zur Minderung des Arbeitgeberrisikos

Die internen Kunden nach ihren Zielen zu befragen und den Einkaufsprozess entsprechend zu steuern, ist das Prinzip einer erfolgreichen Personalentleihung.

Angenommen, das Ziel der internen Kunden lautet Kostenreduktion. Dann muss der Einkauf sicherstellen, dass die Zeitarbeitsagentur Budget schonendes Personal anbietet. Das gilt es auch vertraglich zu fixieren. Meldet der interne Kunde hingegen einen Bedarf an hoch qualifiziertem Personal, muss dieses zur Verfügung gestellt werden. Überdies sollte auch der Vertrag mit der Zeitarbeitsagentur objektive Maßstäbe zur Kontrolle der angebotenen Qualifikationen enthalten.

2. Wie sieht das Kostengerüst des Entleihers aus?

Viele Einkäufer konzentrieren sich beim Drehen an der Kostenschraube ausschließlich auf den prozentualen Gewinnaufschlag der Verleiher. Dies ist ein Fehler, denn die Agenturmarge beträgt – abhängig von der Qualifikation der Zeitarbeitskraft – nur 7 bis 20 Prozent der Gesamtkosten für eine geliehene Arbeitskraft. Wer allein die Gewinnmarge der Agentur senken will, optimiert somit nur einen kleinen Teil der Kosten. 

Beim Versuch, Kosten zu sparen, sollten Unternehmen also auch an anderen Stellen ansetzen – zum Beispiel beim Lohn der Zeitarbeitskraft, den Recruiting-, Trainings- und Weiterbildungskosten sowie den Overheadkosten der Zeitarbeitsfirma.

3. Welche Hebel können für die Kostenoptimierung genutzt werden?

Beim Einkauf von Zeitarbeit steht für die Kostenoptimierung das gesamte Instrumentarium von Einsparhebeln zur Verfügung. Diese gilt es jedoch an die Besonderheiten der Zeitarbeit anzupassen.

Volumenkonzentration

  • Erzielen Sie bessere Konditionen, indem Sie die Anzahl „Ihrer“ Zeitarbeitsunternehmen reduzieren.
  • Vereinbaren Sie Volumenrabatte („Kick-backs“).

Preisbenchmarking

Internes Preisbenchmarking:
Vergleichen Sie die Preise und Konditionen, die unterschiedliche Verleiher für vergleichbares Personal an unterschiedlichen Standorten von Ihnen verlangen.

Externes Preisbenchmarking:

  • Nutzen Sie den Wettbewerb auf dem Zeitarbeitsmarkt und lernen Sie in Ausschreibungen das Preisgefüge unterschiedlicher Zeitarbeitsunternehmen kennen.
  • Reduzieren Sie die Preise durch eine langfristige Kapazitätsplanung beziehungsweise Abnahmegarantie von Zeitarbeitskräften, um die Auslastung der Zeitarbeitsfirma zu erhöhen.

Spezifikationsoptimierung

  • Überprüfen Sie Ihre Qualifikationsprofile für Zeitarbeitskräfte und passen Sie diese an den wirklichen Bedarf an.
  • Überprüfen Sie das Verhältnis von „Aufsichts-Zeitarbeitskräften“ und „normalen“ Zeitarbeitskräften, um die Kosten für teures Personal zu minimieren.

Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette (Supply Chain)

  • Verringern Sie den Einarbeitungsaufwand für neue Zeitarbeitskräfte durch kosteneffiziente Maßnahmen wie die Zusammenstellung von „Welcome Packages“, die alle notwendigen Unterlagen enthalten.
  • Reduzieren Sie Ihre Prozesskosten, etwa durch elektronische Zeiterfassungssysteme oder automatisierte Bestell- und  Rechnungsprozesse mit Hilfe von eProcurement-Systemen.

Restrukturierung der Lieferantenbeziehung

Überprüfen Sie die Anwendbarkeit der vier Modelle „Single Sourcing“, „Preferred Supplier Pool“, „Master Vendor“ und „Managed Service Provider“ zum effizienten Management der Lieferantenbeziehungen (siehe Frage 4).

4. Wie kann die Beziehung zu Lieferanten gestaltet werden?

Für das Gestalten der Beziehung zu den Lieferanten von Zeitarbeit gibt es vier gängige Modelle. Deren Vor- und Nachteile gilt es im Einzelfall abhängig vom Bedarf und Budget abzuwägen:

Single Sourcing

Beschreibung: Ein-Lieferanten-Modell

Vorteile:

  • Geeignet für kleine Organisationen mit homogenen Bedürfnissen
  • Überschaubare Geschäftsbeziehung
  • Guter Response auf die Kundenbedürfnisse

Nachteile:

  • Personalpool begrenzt
  • Wettbewerb und Vergleichbarkeit von Preis beziehungsweise Leistung fehlen

Preferred Supplier Pool

Beschreibung:
Begrenzte Anzahl an qualifizierten Lieferanten als Rahmenvertragspartner, die Lebensläufe potenzieller Kandidaten bereitstellen.

Vorteile:

  • Zugang zu einem größeren Personalpool
  • In der Regel sehr gute Konditionen aufgrund der Konkurrenzsituation der Lieferanten

Nachteile:

  • Hoher administrativer Aufwand
  • Relativ zeitintensives Personalscreening aufgrund der Angebote mehrerer Lieferanten
  • Anzahl der Rahmenvertragspartner kann in großen Unternehmen kontraproduktiv ansteigen

Master Vendor

Beschreibung:
Master Vendor ist Hauptlieferant. Sublieferanten, auch „Second Tier“ genannt, werden eingesetzt, sofern Master Vendor kein geeignetes Personal zur Verfügung hat.

Vorteile:

  • Vereinfachte Administration
  • Standardisierte Managementinformationen und -systeme
  • Einsparungen durch Verhandlungsmacht des Master Vendors
  • Konsolidierung administrativer Abläufe wie Fakturierung und Banktransaktionen

Nachteile:

  • Sorgsames Management und hohes Vertrauen zwischen Kunde und Hauptlieferant ist unentbehrlich.
  • Transparenz des Personalpools durch Zwischenschaltung des Master Vendors ist gering.
  • Unbeliebt bei Second-Tier-Lieferanten, da diese in der „zweiten Reihe“ stehen.

Managed Service Provider (MSP) beziehungsweise Full Recruitment

Beschreibung:
Ein MSP ist die Schnittstelle zwischen Kunde und Sublieferanten. Der MSP ist nicht selbst als Lieferant tätig. MSP-Personal überwacht den Sublieferanten vor Ort.

Vorteile:

  • Strategischer Ansatz
  • Hohe Wahrscheinlichkeit, geeignetes Personal zu erhalten
  • Reduzierter, interner Verwaltungsaufwand
  • MSP betreut Rekrutierungsprozesse, Personalmanagement und arbeitsrechtliche Fragestellungen
  • MSP kann Entwicklung einer eigenen „Arbeitgeber-Marke“  unterstützen
  • Einige MSP bieten zusätzlich eigenes, fest angestelltes Personal an

Nachteil:
In der Regel teurer als die oben genannten Modelle

5. Wie kann die Qualität bewertet und kontrolliert werden?

Nach der Auswahl des geeigneten Modells und dem Einstieg in eine Geschäftsbeziehung mit dem Lieferanten steht die Qualitätskontrolle auf der Tagesordnung. Qualitätskontrolle bedeutet: Leistung mit klaren Maßstäben messen. Eine Balanced Scorecard bietet zum Beispiel einen geeigneten analytischen Rahmen, um Kosteneinsparungen mit Service- und Qualitätszielen in Einklang zu bringen. Die Scorecard erlaubt es auch, die Gewichtung der Leistungsindikatoren flexibel anzupassen, wenn sich die Bedürfnisse der internen Kunden ändern. Die gewählten Maßstäbe müssen für den Lieferanten transparent gemacht werden. 

Mit jedem Lieferanten sollten feste Stundensätze für die benötigten Jobprofile und Erfahrungslevel festgelegt werden. Die Einhaltung der vereinbarten Stundensätze kann dann über die Dimension „Kosten“ in der Scorecard aggregiert und vergleichend zu anderen Lieferanten dargestellt werden. So entsteht ein qualifizierter Überblick über angemessene Personalpreise. Agenturen, die über dem Marktdurchschnittspreis liegen, können so schnell identifiziert und aus dem Rennen genommen werden.

6. Wie lassen sich die internen Kunden gewinnen?

Damit die beschriebenen Maßnahmen erfolgreich sind, muss die neue Vorgehensweise beim Einkauf von Zeitarbeit den internen Kunden kommuniziert werden. Alle wichtigen Entscheidungsträger sollten möglichst früh ins Boot geholt werden. Nur so lässt sich ein Umgehen von Absprachen unterbinden. 

Die internen Kunden sollten zudem gegen mögliche Direktansprachen durch andere Zeitarbeit-Lieferanten gewappnet sein. Bei allen Aktivitäten muss die Rolle des internen Kunden so dargestellt werden, dass seine entscheidende Rolle beim Gestalten des Recruitingprozesses klar erkennbar ist.

Beim Gewinnen der internen Kunden spielen auch die ausgewählten Lieferanten eine Schlüsselrolle. Ein lieferantenseitiges Account-Team, das Seite an Seite mit den internen Kunden arbeitet, führt nicht nur zu einer höheren Effizienz bei der Zusammenarbeit, sondern auch zu einer höheren Akzeptanz auf Seiten des internen Kunden.

Eine intensive Beschäftigung mit den fünf Schlüsselfragen der Zeitarbeit lohnt sich für Unternehmen, da ein unbedachtes Ad-hoc-Vorgehen mit einseitiger Kostendrückerei der Agenturmargen zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. Ein strukturierter Einkauf hingegen senkt die Kosten und lässt die Zeitarbeit echten Mehrwert entfalten.

Der Leistung des Einkaufsbereichs eines Unternehmen wird an folgenden Faktoren gemessen: den erzielten Kosteneinsparungen und der Servicequalität, die den internen Kunden geboten wird. Zwischen diesen beiden Zielgrößen gilt es, beim Einkauf von Zeitarbeit die rechte Balance zu wahren.

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