Kapitel 164: International verhandelnKulturübergreifende Verhandlung mit W-Fragen vorbereiten

Wenn Sie eine Verhandlung im internationalen Umfeld vorbereiten, ist wichtig zu wissen, wie verschiedene Kulturkreise die hier behandelten W-Fragen beantworten: Wo, wann, wie lange, wer, was und wie wird verhandelt? Die Antworten fallen für verschiedene Kulturkreise unterschiedlich aus, sind aber Grundlagen für eine professionelle und kultursensible Verhandlung.

Wo verhandeln Sie?

Als Verhandlungsort gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, wobei jede Möglichkeit mit Vor- und Nachteilen verbunden ist. Einen territorialen Vorteil bieten Verhandlungen im eigenen Unternehmen. Ein Treffen beim Verhandlungspartner wiederum liefert Informationen und Erkenntnisse über diesen. Neutrale Territorien sind Hotels oder Organisationen, mit denen beide Partner in Verbindungen stehen (zum Beispiel die Handelskammern).

Moderne Informationstechnologien bieten die Chance der virtuellen Verhandlung. Virtuelle Verhandlungen sind jedoch eher dann ratsam, wenn sich die Parteien bereits gut kennen. Als nur begrenzt möglich oder schwierig gelten virtuelle Verhandlungen, wenn erst noch ein Vertrauensaufbau zwischen den Parteien geleistet werden muss.

Wann verhandeln Sie?

Zu früh oder zu spät über ein Problem zu verhandeln, kann sich nachteilig auf das Erzielen einer Lösung auswirken. Der Wahl des bestmöglichen Zeitpunkts sollte deshalb Aufmerksamkeit zukommen. Oft ist der Verhandlungszeitpunkt jedoch nicht frei wählbar, sondern wird durch praktische Faktoren, beispielsweise dem Zeitpunkt, an dem ein Budget abgerufen werden muss, bestimmt. Dennoch sollten Sie folgende Aspekte bei der Wahl des Zeitpunkts von internationalen Verhandlungen beachten.

Keine Verhandlung an religiösen oder nationalen Feiertagen

Für internationale Verhandlungen bestehen Restriktionen aufgrund von religiösen oder nationalen Feiertagen. Die wichtigen Feiertage der jeweiligen Länder sollten deshalb grundsätzlich vor jedem Meeting überprüft werden.

Islamischer Kulturkreis

In islamischen Ländern ist es ungünstig, während des Ramadan zu verhandeln, da streng gläubige Muslime in dieser Zeit einen Monat lang von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang fasten.

Asiatischer Kulturkreis

In China ist die Zeit um das Neujahrsfest unpassend für Verhandlungen. Das chinesische Neujahrsfest erstreckt sich über mehrere Tage und wird meist im Kreis der Familie gefeiert. Zudem ist das Reisen erschwert, da Flugzeuge und Hotels häufig ausgebucht sind. Auch außerhalb von China wird in den wichtigen asiatischen Wirtschaften wie Singapur, Indonesien oder Thailand das Neujahrsfest von chinesischen Auslandschinesen gefeiert. Denn in diesen Ländern sind viele Unternehmen in chinesischer Hand.

Westlicher Kulturkreis

Im westlichen Kulturkreis wird ungern zwischen Weihnachten und Neujahr gearbeitet. Auch tut man gut daran, die Ferienzeiten der jeweiligen Länder bei der Terminplanung zu berücksichtigen.

Wie lange verhandeln Sie?

Für die internationale Verhandlung sollten Sie eine Tagesordnung festlegen, ebenso deren zeitliche Planung. Hierzu stellt sich eine Reihe von Fragen, zu denen Sie vorweg eine Abschätzung treffen müssen:

  • Wie oft sollten Sie sich treffen und in welchen Intervallen?
  • Wie viel Zeit wird gebraucht, um die einzelnen Tagesordnungspunkte durchzugehen?
  • Mit welchen Verzögerungen müssen Sie rechnen?
  • Wie lange wird die Verhandlung insgesamt dauern?

Unterschiedliches Zeitverständnis von Kulturen

Berücksichtigen Sie das unterschiedliche Zeitverständnis und Zeitempfinden von Kulturen, wenn Sie Ihre Verhandlung planen. Denn das Unverständnis, wie die andere Kultur mit dem Thema Zeit umgeht, kann problematische Reaktionen auf beiden Seiten hervorrufen. Das Zeitempfinden beeinflusst zum Beispiel das unterschiedliche Einschätzen von Relevanz, Verbindlichkeit oder Termingebundenheit.

Kollektivistische Gesellschaften

In kollektivistischen Gesellschaften ist die Gruppe tendenziell wichtiger als die Identität einer Person. Dort wird üblicherweise mehr Zeit benötigt, da ein Konsens angestrebt wird und man davon ausgeht, dass es einige Zeit dauert, einen Konsens zu bilden.

Westliche oder individualistische Gesellschaften

Westliche Gesellschaften sind meist individualistische Gesellschaften, in denen die Identität einer Person im Mittelpunkt steht. Die Geschäftspartner präferieren hier schnellere Entscheidungen, da sie ein zügiges Vorgehen als effizient erachten. Zu bedenken ist jedoch, dass spätere Nachbesserungen oder Konzessionen nur noch schwer durchzusetzen sind, wenn erst einmal ein Ergebnis erreicht ist und folglich eine Verhandlung als abgeschlossen betrachtet wird.

Neben der Unterscheidung nach kollektivistischen und individualistischen Gesellschaften (Geert Hofstede) haben Hall/Hall die Unterscheidung nach dem Verhältnis zur Zeit und dem Umgang mit der Zeit als eine Kulturdimension geprägt. Sie unterscheiden in ihrem Kulturmodell monochrone und polychrone Kulturen:

Monochrone Kulturen

In tendenziell monochronen Kulturen ist es üblicher (und wird mit größerer Wahrscheinlichkeit als normal akzeptiert), einzelne Arbeitsschritte nacheinander zu tun. Hier ist das Einhalten des Zeitplans sehr wichtig, die Erledigung von Aufgaben zählt mehr als die Pflege persönlicher Beziehungen. Monochrone Kulturen sind zum Beispiel die D-A-CH-Länder sowie angelsächsische Kulturen.

Polychrone Kulturen

In polychronen Kulturen gilt das Erledigen mehrerer Handlungen nebeneinander als eher üblich. Der Zeitplan ist ein Kann, aber kein Muss. Man ist flexibler und setzt die Priorität auf die persönliche Beziehung, die Erledigung einer Aufgabe ist eher nachrangig, wenn es zu einer Begegnung kommt. Polychrone Kulturen sind zum Beispiel asiatische, lateinamerikanische und afrikanische Kulturen.

Hintergrund

Kulturdimensionen nach Hall/Hall

Die amerikanischen Kulturanthropologen und Ethnologen E. T. und M. R. Hall definierten als Ergebnis ihrer Studien unterschiedliche Kulturdimensionen. In ihrem bedeutenden Kulturmodell unterscheiden sie tendenziell monochrone und polychrone Kulturen. Ihr Kulturmodell folgt der Annahme, dass jede Kultur den eigenen Grundsätzen sowie geschriebenen und ungeschriebenen Regeln folgt. Folgende Kulturdimensionen unterscheidet das Modell:

  • Informationsgeschwindigkeit und Informationsverarbeitung: Wie schnell werden Informationen verarbeitet, um darauf zu reagieren?
  • Kontextbezug bei der Kommunikation: Wie viel Information ist nötig?
  • Raumverständnis: Wie viel Raum ist nötig, um nicht bedrängt zu werden?
  • Monochrones oder polychrones Zeitverständnis: Welches Zeitmodell wird befolgt?

Wie das Zeitmodell die Verhandlung prägt

Für westliche Verhandlungspartner ist das polychrone Zeitmodell, in dem Beziehungen Vorrang vor zeitlichen Aspekten eingeräumt wird, problematisch. Umgekehrt kann beispielsweise ein Verhandlungspartner aus einer der sogenannten P-Time-Zonen (polychrone Kulturen) die Fixierung auf Terminvorgaben seines deutschen Gegenübers schlecht nachempfinden. Bei Verhandlungen zwischen Parteien, bei denen die einen Partner aus polychronen und die anderen aus monochronen Kulturen stammen, ist deshalb mit Schwierigkeiten zu rechnen.

Während im westlichen Kontext eine Verhandlung eher als rationales Abwägen von Positionen gesehen wird, das möglichst schnell und effektiv abgewickelt werden sollte, gilt das Verhandeln in polychronen Gesellschaften eher als beziehungsstiftender Vorgang. Diesem Vorgang wird bereitwillig Zeit eingeräumt. Sie gilt als gute Investition in die Beziehung zum Gegenüber und erfüllt Funktionen, die über die Produktion eines Verhandlungsergebnisses hinausgehen. Mitglieder von Entwicklungs- und Transformationsgesellschaften empfinden die kommerziellen Interaktionen von Vertretern der Industrienationen häufig als depersonalisiert. Sie streben eher eine längerfristige Phase des Kennenlernens und des Aufbaus einer Atmosphäre des Vertrauens an, die zu langfristigen Geschäftsbeziehungen führen soll.

Zwischen den einzelnen Faktoren der hier skizzierten W-Fragen (wo, wann und wie lange verhandeln?) herrscht Interdependenz: Zahlenmäßig große Verhandlungsteams, wie sie beispielsweise im asiatischen Kulturraum üblich sind, implizieren in der Regel eine relativ lange Verhandlungsdauer.

Beispiel

Deutsche und chinesische Partner verhandeln

Verhandelt ein deutsches Unternehmen mit einem chinesischen Partner, ist es typisch, dass der deutsche Partner über eine lange Verhandlungsdauer klagt. Zurückführen lässt sich dies in den meisten Fällen auf zwei zusammenhängende Gründe, nämlich:

  • auf ein vielköpfiges Verhandlungsteam auf chinesischer Seite,
  • weil die zu treffenden Entscheidungen einen langen Abstimmungsprozess erfordern, da ein breiter Konsens angestrebt wird.

Sind die deutschen Verhandlungspartner auf eine lange Verhandlungsdauer nicht vorbereitet, so reagieren sie meist mit Verstimmung oder haben das Gefühl, nicht voranzukommen oder vom chinesischen Partner nicht ernst genommen zu werden. Häufig entsteht der Verdacht, dass die andere Seite den Prozess absichtlich verzögert.

Allzu leicht kippt dann das Klima der Verhandlung und der entstandene Ärger hemmt das Zustandekommen konstruktiver Ergebnisse. Zu beachten ist dennoch: Es sind auch Strategien chinesischer Partner bekannt, die Zeitdruck bei einem schlecht vorbereiteten westlichen Partner bewusst aufbauen und ausnutzen, um die eigenen Interessen durchzusetzen.

Wer verhandelt?

Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, nicht nur die eigene Verhandlungsdelegation klug zu wählen, sondern auch die Gepflogenheiten der anderen Seite zu antizipieren. Die ersten Fragen sind folglich:

  • Wie viele und welche Personen sollen die eigene Organisation vertreten?
  • Mit wie vielen Personen ist in der Verhandlungsdelegation des Partners zu rechnen und wie ist diese voraussichtlich zusammengesetzt?

Größe der Verhandlungsparteien

Beispielsweise werden Organisationen aus China häufig von großen Teams vertreten, die nicht nur technische Experten und das Management umfassen, sondern auch Repräsentanten lokaler oder nationaler Behörden. Ähnlich groß sind japanische Teams, da hinter diesen oft Großunternehmen stecken: Möglichst viele Einheiten der Großunternehmen möchten vertreten sein, damit die jeweiligen Interessen berücksichtigt werden können.

Individualistische Kulturen präferieren kleine Teams. Die Vorstellung, dass ein Verhandlungsführer das Unternehmen vollständig vertritt, entspricht westlichem Effizienzdenken. Amerikanische Teams legen oft Wert auf den Einbezug eines Anwalts, um juristische Unschärfen oder Probleme frühzeitig zu klären und so Missverständnisse zu vermeiden. Dies kann in anderen Kulturen Irritation hervorrufen. Die Anwesenheit eines amerikanischen Anwalts kann beispielsweise von den Vertretern japanischer Unternehmen als bedrohlich und feindselig empfunden werden.

Lebensalter der Verhandelnden

Auch die Frage nach dem Alter von Verhandlungspartnern ist nicht einfach. Im Westen werden in der Regel sachlich kompetente, durchsetzungsfähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit besonders guten Fachkenntnissen in Verhandlungen geschickt – manchmal sind dies relativ junge Technikexperten. Dies kann in Gesellschaften mit besonderer Achtung der Seniorität, wie beispielsweise im asiatischen Kontext, Probleme bereiten.

Asiatische Teams werden in der Regel von einem älteren Chef geführt. Nach den Gepflogenheiten dieser Gesellschaften wird dieser nur mit einem ebenbürtigen Partner verhandeln wollen. Ein allzu junges Gegenüber wird nicht als gleichwertig in der Hierarchie anerkannt, würde zu Gesichtsverlust führen und ist insofern inakzeptabel. Ein Ausweg aus dieser Situation auf westlicher Seite kann der Einbezug älterer Personen des Unternehmens sein.

Position der Verhandelnden

Eine ähnliche Frage, die sich vor Verhandlungen in Gesellschaften mit hierarchischem Denken und hoher Machtdistanz stellt, sind die formale Position oder Rang und Titel der Verhandlungspartner. Auch hier wird auf Ebenbürtigkeit Wert gelegt. Ein bestimmtes Alter und ein hoher Rang werden häufig gleich gesetzt, da in der Tradition hierarchischer Gesellschaften immer noch oft nach dem Senioritätsprinzip befördert wird.

Beispiel

Rang und Titel der Verhandelnden

Ränge und Titel haben in unterschiedlichen kulturellen Kontexten unterschiedliche Bedeutung: In den USA steigen Managerinnen und Manager relativ schnell in den Rang eines Vice Presidents auf. Ein amerikanisches Unternehmen mag 20 Vice Presidents haben, während ein Unternehmen der gleichen Größe in Japan nur zwei davon hat. Eine pragmatische Lösung kann sein, flexibel mit Visitenkarten umzugehen. Je nach Bedarf können Visitenkarten unterschiedliche Titel enthalten, um bedarfsgerecht eingesetzt zu werden. Kooperationspartner aus Ländern mit hoher Machtdistanz beispielsweise würden es inakzeptabel finden, Verhandlungen mit nicht ebenbürtigen, also mit nicht auf der gleichen Hierarchieebene angesiedelten Partnern zu führen.

Jedoch birgt diese Praxis Risiken, wie auch die unterschiedlichen Organisationshierarchien: Findet beispielsweise der japanische Vice President heraus, dass seine amerikanische Kollegin weitaus weniger Bedeutung und Entscheidungsmacht hat, so droht Gesichtsverlust. Eine Belastung für die Verhandlungen ist damit vorprogrammiert.

Hintergrund

Machtdistanz als eine Kulturdimension

Die einzelnen Kulturdimensionen nach Geert Hofstede zeigen, welche Verhaltens- und Arbeitsweisen die Beschäftigten des jeweiligen Kulturhintergrunds bevorzugen. Hohe Machtdistanz zeigt sich in den Unternehmen dadurch, dass Hierarchien und Statusunterschiede stärker akzeptiert werden. Den Vorgesetzten wird ein hoher Respekt entgegengebracht, der aber umgekehrt einhergeht mit hohen Erwartungen seitens der Beschäftigten an diese. 

Geschlecht der Verhandelnden

Ein weiteres Problem bei internationalen Verhandlungen ist der Einsatz von Frauen im Verhandlungsteam in manchen islamischen Ländern. Der Sachverstand von weiblichen Teammitgliedern muss hier manchmal noch über männliche Kollegen weiter gegeben werden.

Dolmetscher bei Verhandlungen

Im internationalen Umfeld nehmen oft Dolmetscherinnen und Dolmetscher an Verhandlungen teil. Sie haben dabei sehr unterschiedliche Rollen: Manchmal dienen sie ausschließlich als Sprachübersetzer, manchmal zudem als Experten zur Orientierung in der Fremdkultur, bisweilen geht ihre Funktion sogar noch darüber hinaus in die eines Mediators.

Mediatoren bei Verhandlungen

Als Mediatoren fungieren bisweilen sogenannte Mittelsmänner oder Mittelsfrauen, die beispielsweise im asiatischen Kulturraum traditionell üblich waren und manchmal auch heute noch anzutreffen sind. Häufig verfügen sie über wichtige Netzwerke oder sie haben die verhandelnden Parteien zusammengebracht. Bei strittigen oder problematischen Verhandlungspunkten können sie eine wertvolle Rolle spielen. Im internationalen Bereich vermitteln sie zwischen lokalen und ausländischen Unternehmen.

Dies ist beispielsweise hilfreich, wenn sich asiatische Verhandlungspartner ihren Regeln zufolge um die Einhaltung größtmöglicher Höflichkeit bemühen und dadurch ihre tatsächliche Befindlichkeit von westlichen Partnern überhaupt nicht erkannt werden kann. In Gesellschaften mit hoher Korruption und Vetternwirtschaft ist es allerdings manchmal erforderlich, das System solcher traditioneller Mittelsmänner aufzubrechen: Wenn ihre Funktion vor allem darin besteht, sich ein Stück vom Kuchen abzuschneiden, werden Verhandlungen und Verhandlungsergebnis durch sie eher behindert.

Hintergrund

Mediation

Die Wurzeln des Mediationsgedankens liegen in Asien, wo durch Religionen und Philosophien seit jeher eine starke Präferenz für Konsens, Kooperation und Harmonie existiert. In Afrika wird bei vielen Volksstämmen die Rolle des Mediators von einer in der Gruppe angesehenen Persönlichkeit wahrgenommen. Auch finden sich Formen traditioneller Mediation in Lateinamerika.

Mediation als außergerichtliches Verfahren der Konfliktbearbeitung hat sich in westlichen Kulturen erst in der jüngeren Geschichte etabliert. Entwickelt wurde das Verfahren in den 1960er-Jahren in den USA. Von dort ist es erst Anfang der 1990er-Jahre nach Europa gelangt. Die vier Elemente der Mediation sind:

  • Hinzuziehen von vermittelnden unparteiischen Dritten
  • Einbeziehen aller Konfliktparteien
  • die außergerichtliche Ebene
  • die Freiwilligkeit der Teilnahme und der Annahme des Mediationsergebnisses

Wer hat Entscheidungsgewalt?

Die Verhandlungsführung fällt üblicherweise die Entscheidung, ob das Angebot der anderen Seite angenommen wird und der Vertrag abgeschlossen werden kann.

Gesellschaften mit hoher Machtdistanz

In Gesellschaften mit hoher Machtdistanz (zum Beispiel in Lateinamerika oder Asien) übernehmen typischerweise die Unternehmenseigner oder Topmanager die Verhandlungsführung. In solchen Gesellschaften ist es üblich, an der Spitze der Hierarchie die Kontrolle zu behalten und Entscheidungen nicht zu delegieren.

Westliche Gesellschaften

Im westlichen Kulturkontext liegt die Entscheidungsgewalt meist bei den vom Hauptsitz des Unternehmens abgeordneten Führungskräften. Insofern ist transparent, wer entscheiden kann. Transparenz ist jedoch nicht in allen Verhandlungssituationen gegeben.

Unternehmen mit zentralistischen Systemen

In Verhandlungen mit arabischen Partnern mag beispielsweise die Entscheidungsgewalt in der Eigentümerfamilie liegen und damit bei Personen, die nie an der eigentlichen Verhandlung teilgenommen haben. Ähnlich mag die letztendliche Entscheidung in zentralistischen Systemen, zum Beispiel im Falle von Joint Ventures mit chinesischen Partnern, von weit entfernt in China sitzenden Bürokraten getroffen werden. In diesen Fällen ist keine Transparenz gegeben.

In sich entwickelnden Ländern, insbesondere solchen, die von zentralistischen Systemen zu freien Marktwirtschaften übergehen, gibt es manchmal Probleme, weil unklar ist, wer überhaupt befugt ist, verbindliche Entscheidungen zu treffen.

Was wird verhandelt?

Wenn Sie sich gut auf eine Verhandlung vorbereiten, sollten Sie zunächst ein klares Bild der eigenen Ziele und Prioritäten haben.

Eigene Verhandlungsziele abstufen

Es bietet sich an, drei Zielebenen, abgestuft nach ihrer Wichtigkeit, festzulegen:

  • Was muss unbedingt durchgesetzt werden?
  • Was sollte darüber hinaus noch erreicht werden?
  • Was möchte man sonst noch gerne zugesprochen bekommen?

Natürlich wäre es am besten, alle festgelegten Ziele zu erreichen. In der Realität werden Sie jedoch Zugeständnisse und Abstriche machen müssen. Auch sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass eine Verhandlung als gescheitert betrachtet werden muss, wenn zwar einige Ziele auf der dritten Zielebene, jedoch keines auf der ersten Zielebene erreichbar sind.

Verhandlungsziele des Verhandlungspartners vorwegnehmen

Im nächsten Schritt sollten Sie versuchen, die Antworten auf die folgenden Fragen Ihres Verhandlungspartners vorwegzunehmen:

  • Was muss der Verhandlungspartner unbedingt durchsetzen?
  • Was würde er darüber hinaus noch erreichen wollen?
  • Was möchte er sonst noch gerne zugesprochen bekommen?

Eine Analyse Ihrer Ziele gibt vor, worauf Sie sich in der Verhandlung konzentrieren sollten. Darüber hinaus hilft es, über Zugeständnisse zu entscheiden, zu denen Sie bereit wären, um das Hauptziel zu erreichen. Im Idealfall passen die beiden obersten Zielebenen der Verhandelnden zusammen. Vorab sollte ein realistisches Bild darüber bestehen, was die andere Seite überhaupt leisten oder liefern kann und wie weit sich die Verhandelnden selbst verpflichten können und möchten.

Beispiel

Finanzielle Ziele können zweitrangig sein

Finanzielle Ziele müssen nicht in jedem Fall Priorität haben. Es können Situationen auftreten, in denen Entgegenkommen an einer anderen Stelle große Vorteile bringt:

Wenn Sie beispielsweise durch eine frühzeitige Lieferung von Waren saisonale Chancen nutzen können, könnten Sie auch einen weniger günstigeren Preis akzeptieren. In einigen Kulturen, beispielsweise im chinesischen Kulturkontext, wird jedoch in der Regel ein starker Fokus auf die Verhandlung eines möglichst günstigen Preises gelegt. Auch wenn Vertretern asiatischer Gesellschaften die Beziehung wichtig ist und das Bedürfnis, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, so darf dies nicht über die Priorität der meisten chinesischen Verhandlungspartner für bestmögliche Preise hinweg täuschen.

Wie wird verhandelt?

Bei internationalen Verhandlungen stellt sich zunächst die Frage nach der Verhandlungssprache. Üblicherweise wird Englisch gewählt. Dies erfordert Rücksicht auf Verhandlungspartner, deren Muttersprache nicht Englisch ist oder die nicht perfekt Englisch sprechen.

Regeln für eine verständliche Sprache bei internationalen Verhandlungen

Für Präsentationen, ebenso wie für mündliche Gesprächsbeiträge, sollten – strebt man die bestmögliche Verständlichkeit für alle Teilnehmenden an – folgende Regeln eingehalten werden:

  • Einfachheit des Ausdrucks
  • klare Gliederungen von Präsentationen und Vorträgen
  • möglichst kurze und prägnante Aussagen
  • Anschaulichkeit durch Visualisierungen von Inhalten

Kluge Verhandlungsleiter werden allzu eloquente Beherrscher der englischen Sprache daran hindern, ihre Sprachkompetenz zu zelebrieren. Wenn einige der Verhandlungspartner keine Native Speakers sind, sollten Verhandlungsleiter stets auf die Priorität der Verständlichkeit und auf die genannten Regeln hinweisen.

Verhandlungsstil ist kulturgeprägt

Für alle Mitglieder der Verhandlungsdelegation gilt, im Vorfeld einer Verhandlung zu prüfen, inwieweit der eigene kulturgeprägte Verhandlungsstil angemessen ist und wo Schwierigkeiten lauern, die das Klima und das Ergebnis der Verhandlung negativ beeinflussen könnten. Dazu ist es notwendig, sich sowohl mit der eigenen als auch mit den Unterschieden zur fremden Kultur intensiv auseinanderzusetzen. Einige Erscheinungen gelten als kulturtypisch und geben daher Anhaltspunkte auf das zu erwartende Verhalten der Verhandlungspartner:

  • Unterhändler aus maskulinen Kulturen (Deutsche, Japaner, Araber) zeigen eine stärkere Beharrlichkeit und Unnachgiebigkeit als Unterhändler aus femininen Kulturen (zum Beispiel aus nordeuropäischen Ländern oder aus Thailand).
  • Unterhändler aus maskulinen Kulturen gehen machtbewusster vor als Unterhändler aus femininen Kulturen.
  • Unterhändler aus askriptiven Kulturen (wie man sie häufig in Asien findet) sind oft älter als Kollegen aus sogenannten Achievement-Kulturen oder leistungsorientierten Kulturen (zum Beispiel Deutschland, USA) und haben dadurch häufig mehr Erfahrung, Macht und Entscheidungsbefugnis. Askriptive Kulturen beurteilen Status anhand von Kriterien wie Alter, Geschlecht oder Klasse.
  • Verhandlungspartner aus südostasiatischen Kulturen sind meist um Harmonie in den zwischenmenschlichen Beziehungen bemüht, was einen harten Verhandlungsstil unmöglich macht.
  • Unterhändler aus affektiven Kulturen (zum Beispiel aus dem arabischen Raum) werden emotionaler reagieren als Vertreter aus neutralen Kulturen.
  • Verhandlungspartner aus femininen Kulturen sind tendenziell anpassungsfähiger und flexibler als ihre Verhandlungspartner aus maskulinen Kulturen.

Je mehr das eigene Verhalten reflektiert wird, je mehr Informationen über das typische Verhalten der Verhandlungspartner zur Verfügung stehen und je deutlicher man sich die Unterschiede bewusst macht, umso besser können diese nivelliert und adäquate Handlungsalternativen entwickelt werden.

Praxis

Wo verhandeln Sie?

Welcher Ort eignet sich für eine Verhandlung aus Ihrer Sicht am besten? Im eigenen Unternehmen, im Unternehmen des Verhandlungspartners oder auf neutralem Boden beispielsweise einem Hotel?

  • Setzen Sie sich mit den Vor- und Nachteilen des Verhandlungsortes auseinander.
  • Bedenken Sie, dass sich virtuelle Verhandlungen nur eignen, wenn Sie Ihren Verhandlungspartner schon gut kennen.

Wann verhandeln Sie?

Bevor Sie einen Verhandlungstermin festlegen:

  • Achten Sie auf religiöse und nationale Feiertage des Herkunftslandes der verhandelnden Parteien.
  • Wenn möglich, berücksichtigen Sie auch die Ferien. 

Wie lange verhandeln Sie?

Schätzen Sie für Ihre Verhandlung im internationalen Umfeld zunächst ab:

  • Wie oft sollten Sie sich treffen und in welchen Intervallen?
  • Wie viel Zeit brauchen Sie, um die einzelnen Tagesordnungspunkte durchzugehen?
  • Mit welchen Verzögerungen müssen Sie rechnen?
  • Wie lange wird die Verhandlung insgesamt dauern?

Berücksichtigen Sie das unterschiedliche Zeitverständnis und Zeitempfinden von Kulturen, wenn Sie Ihre Verhandlung planen, damit keine Missverständnisse bezüglich der Einschätzung von Relevanz, Verbindlichkeit oder Termingebundenheit auf beiden Seiten entstehen.

Wer verhandelt?

Schätzen Sie vor einer erstmaligen Zusammenkunft die Größe des Verhandlungsteams auf der Seite Ihres Partners ab:

  • Reflektieren Sie dazu den Kontext Ihres Verhandlungspartners.
  • Beachten Sie die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingen, innerhalb derer Ihr Verhandlungspartner agiert.

Wie setzen Sie Ihr Verhandlungsteam zusammen? Betrachten Sie dazu folgende Einflussgrößen:

  • Teamgröße und externe Beteiligte beispielsweise für Rechtsfragen oder als Mediator
  • Lebensalter der Verhandlungspartner
  • Rang und Titel der Verhandlungspartner
  • Geschlecht der Verhandlungspartner

Klären Sie und machen Sie sich bewusst, wer letztendlich über das Ergebnis der Verhandlung entscheidet.

Was verhandeln Sie?

Legen Sie Ihre Ziele für die Verhandlung fest. Stufen Sie die Ziele nach Wichtigkeit ab, indem Sie folgende Fragen beantworten:

  • Was muss unbedingt durchgesetzt werden?
  • Was sollte darüber hinaus noch erreicht werden?
  • Was möchte man sonst noch gerne zugesprochen bekommen?

Überlegen Sie für Ihren Verhandlungspartner:

  • Was muss der Verhandlungspartner unbedingt durchsetzen?
  • Was würde er darüber hinaus noch erreichen wollen?
  • Was möchte er sonst noch gerne zugesprochen bekommen?

Wie wird verhandelt?

Legen Sie eine Verhandlungssprache fest. Meist wird Englisch gewählt.

  • Achten Sie darauf, dass auch Native Speakers möglichst verständlich für andere sprechen.
  • Schlagen Sie dazu entsprechende Sprachregeln vor.

Reflektieren Sie Ihren Verhandlungsstil und den Ihres Verhandlungspartners:

  • Inwieweit ist Ihr Verhandlungsstil angemessen und wo lauern Schwierigkeiten?
  • Welcher Verhandlungsstil ist für Ihren Verhandlungspartner kulturtypisch?

Nutzen Sie für die Vorbereitung Ihrer nächsten internationalen Verhandlung folgende Vorlage.

Im folgenden Abschnitt dieses Handbuch-Kapitels erfahren Sie, wie Ihr persönliches, von Ihrer Kultur geprägte Auftreten die Verhandlung beeinflusst – und wie dies auch für Ihre Gesprächs- und Verhandlungspartner gilt. Anhand von Beispielen erkennen Sie, worauf Sie achten müssen und welche Schlüsselkompetenzen wichtig sind.

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