Kapitel 197: Service-Engineering und Service-ManagementKundenanforderungen ermitteln für Serviceangebot und Serviceniveau

Organisieren Sie für Dienstleistungen und Service die Kundenkommunikation. Nur wenn Sie mit Kunde und Kundin direkt sprechen, erfahren Sie, welchen Service sie erwarten und welche Ansprüche und Erwartungen sie haben. Das ist die Basis für das Service-Engineering zur Planung und Gestaltung Ihres Serviceangebots.

Was Kunden von Dienstleistungen und Service erwarten

Jede Dienstleistung und jeder Service basiert auf einem Leistungsversprechen für Ihre Kunden. Das bedeutet, dass Sie mit Ihrer Leistung dem Kunden zusichern, dass Sie eines seiner Probleme lösen oder ihm einen definierten Nutzen vermitteln. Jede Dienstleistung und jeder Service setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:

Serviceangebot (Was)

Der Kern eines Leistungsversprechens ist das eigentliche Serviceangebot wie zum Beispiel Steuerberatung, Haare schneiden, Wissen vermitteln, Kranke pflegen oder Maschine reparieren. Welches Leistungsversprechen Sie geben und was Sie leisten wollen, entwickeln Sie mit Ihrem Geschäftsmodell und beschreiben dies in Ihrem Businessplan.

Serviceniveau (Wie)

Darüber hinaus müssen Sie planen, wie Sie dieses Leistungsversprechen erfüllen wollen. Das betrifft die Aspekte: Serviceprozess, Know-how, Fachwissen, Erfahrung, Freundlichkeit, Zuverlässigkeit, Schnelligkeit, Einfühlungsvermögen, äußere Erscheinung und erlebbares Umfeld (Customer Touchpoints). Was Sie unter diesen Aspekten leisten, entspricht dem Leistungs- oder Serviceniveau und ist maßgeblich für die Servicequalität.

Durch Kundenanalyse gewünschte und akzeptierte Leistungs- und Serviceniveaus unterscheiden

Wenn Sie das „Wie“ Ihres Serviceangebots und Ihre Serviceprozesse planen und gestalten, müssen Sie sich zunächst über Anforderungen und Ansprüche Ihrer Kunden in Bezug auf Ihren Service Klarheit verschaffen. Dazu ermitteln Sie die aus Kundensicht erwarteten Leistungs- oder Serviceniveaus. Es lassen sich unterscheiden:

Gewünschter Service

Eine Mischung aus dem, was der Kunde für wünschenswert, angemessen oder für erforderlich hält. Er leitet dies meist daraus ab, wie sein Problem gelöst werden soll oder welchen Nutzen er erwartet. Die konkreten Erwartungen an den Service ergeben sich aus Erfahrungen mit anderen Dienstleistungen oder aus einem Vergleich mit dem Service der Wettbewerber.

Akzeptierter Service

Hier geht der Kunde davon aus, was er mindestens erwarten kann und was er für notwendig erachtet. Problemlösung und Nutzen entsprechen gerade so seinen Erwartungen. Dieses Serviceniveau ist für ihn gerade noch annehmbar; was darunter liegt, ist für ihn inakzeptabel.

Diese beiden Serviceniveaus sind in den meisten Fällen nicht identisch. Das bedeutet, es gibt einen Toleranzbereich, der mehr oder weniger groß ist:

  • Ein Unternehmen, das den gewünschten Service anbietet und sich entsprechend positioniert, wird der Kunde in Bezug auf Leistung (Serviceniveau) und Preis mit den relevanten Wettbewerbern vergleichen.
  • Ein Serviceangebot, das gerade noch das akzeptierte Serviceniveau erreicht, dafür aber für den Kunden sehr günstig ist, kann ebenfalls wettbewerbsfähig sein.

Das Serviceniveau entspricht im Kano-Modell den sogenannten Leistungsmerkmalen. Ist das Serviceniveau besser als das, was der Kunde sich wünscht, dann fällt dies in die Kategorie der Begeisterungsmerkmale. Wenn nur das Niveau des akzeptierten Service erreicht wird, dann entspricht dies gerade den Basismerkmalen im Kano-Modell.

Beispiele für Kundenanforderungen und Serviceniveaus

Die folgenden Beispiele zeigen den Unterschied zwischen gewünschtem und akzeptiertem Serviceniveau:

  • Der Kunde wünscht sich eine Reparatur seines Personal-Computers noch am selben Tag. Er akzeptiert eine Reparaturzeit von drei Tagen.
  • Der Kunde wünscht sich, dass das Produkt geliefert, ausgepackt und am gewünschten Ort aufgestellt wird. Er akzeptiert auch die Lieferung bis zur Haustür. Wenn er das Produkt selbst abholen oder vom Erdgeschoss in die vierte Etage hochtragen soll, ist er verärgert.

In der folgenden Abbildung sind weitere Beispiele für gewünschte und akzeptierte Serviceniveaus dargestellt.

Merkmale für unterschiedliche Serviceniveaus (Beispiele)

Sie müssen nun Ihre Serviceprozesse so gestalten, dass Sie das akzeptierte Niveau mindestens einhalten. Besser ist, wenn Sie das gewünschte Niveau erreichen und Ihre Kunden damit besonders zufriedenstellen oder sogar begeistern.

Sie sollten bei der Prozessplanung Vorkehrungen treffen, um die Folgen zu beheben, die entstehen, wenn Sie das akzeptierte Serviceniveau unterschreiten.

Kommunikation mit dem Kunden organisieren und sicherstellen

Um zu erfahren, welche Serviceangebote, welches Leistungs- und Serviceniveau und welche Servicequalität Ihre Kunden wünschen oder gerade noch akzeptieren, müssen Sie mit den Kunden sprechen. Dazu müssen Sie Kundenkommunikation organisieren.

Doch leider sind die Kommunikationskanäle oft nicht vorhanden, zu stark belastet oder zu wenig qualifiziert. Damit die Kommunikation mit dem Kunden funktioniert, müssen Sie folgende Aspekte beachten und managen:

  • Die Mitarbeitenden im Service Ihres Unternehmens müssen problemlos für die Kunden erreichbar sein.
  • Die Kunden müssen wissen, wie sie die Servicemitarbeiter erreichen, wenn sie ihre Anforderungen und Erwartungen ausdrücken wollen.
  • Die Kunden müssen ermutigt werden, mit den Servicemitarbeitern in Kontakt zu treten.
  • Das Unternehmen muss ebenfalls Kontakt zu den Kunden aufnehmen und sich regelmäßig beim Kunden melden; vorausgesetzt, der Kunde hat dem gemäß den Regeln des Datenschutzes zugestimmt.
  • Der Dialog mit den Kunden muss so geführt werden, dass Sie erfahren, was dem Kunden in Bezug auf Serviceangebot, Serviceniveau und Servicequalität wichtig ist.
  • Die Kundenkontakte und Kundengespräche müssen dokumentiert und ausgewertet werden, um daraus Serviceangebote und Serviceniveaus abzuleiten, zu planen, zu gestalten und zu verbessern.

Anlaufstelle und Kontaktmöglichkeiten anbieten

Erster Schritt zur Förderung der Kundenkommunikation: Teilen Sie dem Kunden immer klar, eindeutig, sichtbar, verständlich und schnell mit, wie er Ihr Unternehmen und Ihr Servicepersonal erreichen kann. Maßgeblich sind dafür meistens Webseite, Telefonnummer, E-Mail-Adresse und Besuchsadresse des Servicecenters.

Oft können die Aufgaben der Kundenkommunikation in einem Callcenter (oder Customer-Care-Center) zusammengefasst werden. Wie diese Serviceabteilung organisiert wird, hängt von der Anzahl der Anrufe und der Art der Anfragen ab.

Manchmal genügt es, wenn ein bis zwei Mitarbeitende des Innendienstes als zentrale Ansprechpartner fungieren. Bei großen Unternehmen, vielen Kundenanrufen oder sehr weitreichenden Dienstleistungen können dies speziell dafür abgestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, große Kundenservice-Abteilungen oder externe Dienstleistungsunternehmen (Callcenter) sein.

Kundenanlyse durchführen und Kundenanforderungen ermitteln

Mit der Kundenkommunikation müssen die jeweiligen Anforderungen, Wünsche und Erwartungen der Kunden ermittelt werden. Das funktioniert aber selten dadurch, dass man den Kunden direkt fragt – denn die meisten Kunden können ihre Wünsche und Erwartungen gar nicht so einfach in Worten ausdrücken.

Die Kundenanforderungen, die für Dienstleistungen und Service entscheidend sind, ergeben sich erst aus der Interaktion mit dem Kunden, oft in dem Moment, in dem die Serviceleistung erbracht wird.

Kundenerwartungen und Kundennutzen während der Interaktion verstehen

Deshalb ist es wichtig, dass Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der jeweiligen Situation erkennen, worum es dem Kunden gerade geht, was er wünscht oder akzeptiert und was sie als Servicepersonal für den Kunden leisten sollen. Sie müssen nicht nur das jeweilige Problem des Kunden lösen, sondern gleichzeitig seine Anforderungen und Erwartungen genau verstehen und festhalten.

Kundenerwartungen unterschiedlich betrachten

Oft wird bei der Kommunikation mit den Kunden und bei der Kundenanlyse deutlich, dass deren Erwartungen an das Serviceangebot und das Serviceniveau unterschiedlich sind. Was für die einen ein nützlicher Service ist, brauchen andere gar nicht. Was die einen in jedem Fall erwarten, ist für andere eine Top-Leistung.

Sie dürfen Ihre Kunden also nicht alle gleich behandeln, sondern sollten diese in Gruppen, Kundensegmente, einteilen, die Sie dann unterschiedlich und zielgruppenorientiert mit Ihren Serviceangeboten ansprechen.

Methoden und Werkzeuge für die Kundenanalyse

Das ist dann die Grundlage dafür, um daraus maßgeschneiderte und vom Kunden honorierte Serviceangebote und Serviceniveaus festzulegen. Dafür gibt es zahlreiche Methoden und Werkzeuge, wie sie in den folgenden Beiträgen und Anleitungen erläutert sind:

Praxis

Aus Kundenanforderungen ein Serviceangebot und Geschäftsmodell entwickeln

Definieren Sie zunächst das Serviceangebot. Beobachten Sie dazu Ihre Kunden und die Märkte, analysieren Sie Serviceangebote der Wettbewerber.

Entwickeln Sie auf der Grundlage Ihrer Erkenntnisse und Erfahrungen dann ein Geschäftsmodell für Ihre Dienstleistung und Ihren Service. Sie können dies mithilfe der Business Canvas in der folgenden Vorlage erarbeiten.

Vom Kunden erwartetes Serviceniveau ermitteln und festlegen

Tragen Sie dann für Ihr Serviceangebot das gewünschte und das akzeptierte Serviceniveau in die folgende Vorlage ein; nennen Sie jeweils Beispiele. Versetzen Sie sich dazu in die Situation Ihrer Kunden oder ermitteln Sie die notwendigen Informationen direkt im Kundengespräch.

Zur weiteren Differenzierung und Ausarbeitung der jeweiligen Leistungen können Sie die folgende Tabelle nutzen. Das Niveau muss dabei nicht immer quantifizierbar sein. Es können auch qualitative Kriterien herangezogen werden. Hilfreich ist es, einzelne und beispielhafte Serviceangebote oder Serviceerlebnisse eines Kunden zu beschreiben.

Kundenkommunikation organisieren

Stellen Sie sicher, dass Sie die notwendigen Informationen von Ihren Kunden bekommen. Organisieren Sie die Kundenkommunikation. Prüfen Sie dazu:

  • Sind auf Ihren Produkten, Broschüren, Visitenkarten etc. die Telefonnummern der Servicehotline aufgedruckt?
  • Sind die Kontaktdaten (Telefon, E-Mail-Adresse, Callcenter, Besuchsadresse etc.) allen Kunden gut bekannt?
  • Können Ihre Kunden Ihr Unternehmen leicht und schnell erreichen, wenn sie eine Dienstleistung wünschen oder eine Frage oder Beschwerde loswerden wollen?
  • Wer ist an diesen Kontaktpunkten jeweils der Ansprechpartner?
  • Zu welchen Uhrzeiten ist ein Ansprechpartner erreichbar?
  • Wird der Anrufer sofort bedient oder hört er oft nur die Ansage in der Warteschleife oder ein Besetztzeichen?
  • In welcher Form kann der Ansprechpartner dem Kunden weiterhelfen?
  • Erkennt der Kunde diese Möglichkeiten schnell und einfach?
  • Fordern sie zur Kontaktaufnahme auf?
  • Nehmen Sie oder Ihre Mitarbeitenden regelmäßig Kontakt mit Ihren Kunden auf? In welcher Form? In welchen zeitlichen Abständen?

Halten Sie dazu in der folgenden Vorlage fest, wie gut Sie Ihre Kundenkommunikation bereits organisieren und wo es noch Schwachstellen gibt – in Bezug auf das Abfragen und Analysieren der Kundenwünsche und der Erwartungen zum Serviceniveau.

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