Kapitel 167: Notfallplanung für UnternehmenOperative Prozesse im Notfall planen

Nach der Bestandsaufnahme und den wichtigsten Regelungen für den Notfall im Unternehmen, wird in den folgenden Schritten geplant, was dann im Notfall im Einzelnen ablaufen sollte. Entscheidend ist zunächst, dass der Betrieb weiterläuft. Dazu müssen die betroffenen Personen wissen, was Sie als Erstes zu tun haben, wenn die Geschäftsleitung ausfällt.

Der Betrieb muss im Notfall weiterlaufen

Krisen können äußerst vielgestaltig sein. Sie können die Beziehungen mit der Umwelt, mit Lieferanten oder Kunden, mit Behörden und anderen Organisationen oder einfach mit der Nachbarschaft betreffen. Sie können Teile des Unternehmens, aber genauso das Unternehmen als Ganzes betreffen. Dennoch werden in aller Regel viele Unternehmensprozesse auch in der Krise und im Notfall wie gewohnt weiterlaufen. Und gerade die hier behandelte Fall – der Ausfall der Geschäftsführung – soll den normalen Unternehmensalltag nicht beeinträchtigen.

In Schritt 1 und 2 geht es darum, eine Bestandsaufnahme durchzuführen und die grundlegenden Fragen zu klären. Die Erläuterungen dazu finden Sie im vorigen Abschnitt dieses Handbuch-Kapitels. Nun soll der laufende Betrieb im Notfall gesichert werden. Was ist für das Tagesgeschäft zu tun?

Schritt 3: Wer führt die operativen Prozesse ad hoc weiter?

Tag X plus 1 wird keine Auswirkungen auf die operativen Prozesse haben. Halt, ist das wirklich so? Sie müssen sich vergegenwärtigen, auf welche operativen Prozesse und Tagesgeschäfte die Geschäftsführung sich Einfluss vorbehalten hat.

Entscheidungen im Einkauf und im Export

So kann es Regel sein, dass Lieferantenverträge über ein Volumen von beispielsweise 100.000 Euro und Investitionsverträge mit einem Volumen über 20.000 Euro nur vorbehaltlich der Zustimmung von Chefin oder Chef abgeschlossen werden dürfen. Und vielleicht ist eine solche Entscheidung gerade anhängig. Auch für die Belieferung von ausländischen Kunden ist angesichts der immer wieder veränderten Ausfuhrregelungen der Bundesregierung eine Zustimmungspflicht der Geschäftsleitung notwendig. In solchen Fällen kann es auf den einzelnen Tag ankommen.

Personalentscheidungen

Wahrscheinlich stehen in Bezug auf das Personal Entscheidungen an. Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden in den Ruhestand gehen. Intern war man sich mit einigen Betroffenen einig, die restliche Arbeitszeit in Teilzeit weiterzuführen. Das muss jetzt endgültig entschieden werden. Oder: Die Übernahme eines Auszubildenden in ein reguläres Anstellungsverhältnis steht an. Und die Entscheidung über erneute Leiharbeitsverhältnisse zur Hochsaison steht ebenfalls aus. Hier müssen die entsprechenden Verträge dringend unterzeichnet werden, damit die Personalplanung für die nächsten Wochen gemacht werden kann und Fristen eingehalten werden.

Zahlungen und Banküberweisungen

In Einkauf und Verkauf scheinen keine kritischen Prozesse beachtet werden müssen. Aber was ist mit dem wöchentlichen Bankverkehr? Wer hat die Übersicht über die Einzahlungen? Haben die wichtigen Kunden bezahlt? Sind die großen Außenstände beglichen? Auszahlungen vom Bankkonto kann nur die Geschäftsleitung oder eine Person mit entsprechender Bankvollmacht bewirken.

Vertragsverlängerungen und andere Rechtsgeschäfte

Denkt jemand daran, dass in wenigen Tagen das Markenrecht für den Unternehmensnamen verlängert werden müsste? Mit einigen Partnern müssen Lizenzvereinbarungen erneuert werden. Und die Leasingverträge für mehrere Dienstfahrzeuge im Vertrieb müssen noch unterzeichnet werden. Ist das alles für die laufende Woche geregelt?

Die Beispiele zeigen, dass fast jeden Tag Entscheidungen und Handlungen anstehen, die nur die Geschäftsleitung erledigen kann. Und wenn sie ausfällt, dann muss klar sein, wer am Tag Eins nach dem Ausfall in diesen Fällen aktiv wird und die dafür notwendigen Vollmachten hat.

Notfallordner als Rückhalt bei operativen Prozessen

So reibungslos der tägliche Ablauf eines Unternehmens ohne Zwischenfälle verläuft, so häufig sind es eingespielte Prozesse, die nur deshalb funktionieren, weil es an einer bestimmten Stelle im Prozess eine Entscheidung der Geschäftsleitung gibt. Wenn der Notfall eingetreten ist, stellt sich heraus, dass sich eine Unsicherheit ausbreitet. Es ist wie in einer Orchesterprobe: Alle Musiker kennen ihre Noten und haben das Stück bereits mehrfach gespielt, aber ohne Dirigent stellt sich die Frage, wer den Takt schlägt und wie kritische Stellen zu interpretieren sind.

Der Notfallordner hilft in einer solchen Situation, Unsicherheiten nicht aufkommen zu lassen. In einer Checkliste gibt es die Übersicht, welches interne Wissen unverzichtbar ist und wer darüber verfügt. Der Notfallordner enthält deshalb Kopien zu folgenden Dokumenten sowie klare Regelungen, was damit wann und von wem getan werden muss:

  • Mietverträge
  • Leasingverträge
  • Schutzrechte (Patente, Marken, Lizenzen)
  • Bankverträge (Kreditverträge, Kontokorrent, …)
  • Übersicht Debitoren, Kreditoren
  • Übersicht Versicherungen
  • Übersicht wichtiger Verträge
  • Übersicht wichtiger Lieferanten
  • Übersicht wichtiger Kunden
  • Übersicht Zahlungsliste (Anlass, Empfänger, Beträge, Termine)
  • Vertretungsplan (mit Kompetenzregelungen)
  • Schlüsselliste
  • Zugangscodes
  • Kontaktdaten Rechtsanwalt
  • Kontaktdaten Steuerberater

Die wichtigste Sicherungsmaßnahme ist, die Übersicht über Ausgaben und Einnahmen zu behalten. Der Krisenstab wird daher mit den betreffenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Rücksprache halten, welche Zahlungen zu erwarten und welche zu tätigen sind. Und ob entsprechende Handlungsvollmachten bestehen.

Praxis

Da Sie als Unternehmerin oder Unternehmer wichtige Finanztransaktionen sich selbst vorbehalten haben, steht im Notfall die Frage im Raum, wer derartige Unterschriften leisten kann. Dazu haben Sie umfassende Papiere – zusammen mit Ihrem Anwalt – vorbereitet. Für begrenzte Aufgaben haben Sie begrenzte Vollmachten erteilt und für die alles umfassende Handlungsvollmacht haben Sie den beiden Leitern Ihres Krisenstabes eine gemeinsame Prokura erteilt. Für die operativen Prozesse sind folgende Arbeitsschritte wichtig:

Was regelt die Geschäftsleitung im operativen Alltag?

Sie haben sich in der Geschäftsleitung Gedanken gemacht, welche alltägliche Arbeiten und Entscheidungen in Ihrer Hand liegen. Dabei haben Sie ihre langjährigen Tätigkeiten Revue passieren lassen und festgestellt, dass Sie anfangs mit vielen Aufgaben befasst waren. Im Laufe der Jahre haben andere Personen diese Tätigkeiten übernommen, und Sie erarbeiten nur noch die strategischen Leitlinien und bearbeiten wichtige Kunden.

Fassen Sie in der folgenden Vorlage zusammen, was heute noch in Ihrem Aufgabenbereich liegt.

Prozesse analysieren und Vollmachten erteilen

Im Geist sind Sie alle Unternehmensaufgaben durchgegangen und haben überlegt, ob die Betreffenden auch ohne Ihre Aufsicht die Entscheidungen im Interesse des Unternehmens fortführen würden. Im Sinne des sogenannten Subsidiaritätsprinzips, das besagt, die Verantwortung dort zu belassen, wo die größte Sachkenntnis existiert, haben Sie begrenzte Vollmachten entworfen, sofern es keine schwerwiegenden Vorbehalte dagegen gibt. Auf Anraten Ihres Anwalts schreiben Sie dort die Pflicht zur Rücksprache mit der Leitung des Krisenstabs fest.

Nutzen Sie die folgenden Vorlagen, um den Ablauf für unternehmerische Entscheidungen zu beschreiben, wie er ohne die Geschäftsleitung funktionieren kann. Und klären Sie, wer dazu welche Art von Vollmachten braucht.

Schlüsselliste erstellen

Im nächsten Schritt erstellen Sie eine Schlüsselliste. Das scheint trivial und selbstverständlich, in der Praxis aber ein häufiges Problem: Wo ist der Schlüssel? Es ist unglaublich, wie viele Schlösser und Schlüssel es in einem Unternehmen gibt und wer die Schlüsselgewalt hat. Aber die Forderung nach einer solchen Liste ist sinnvoll. Erinnern Sie sich, dass in Ihrem Schreibtisch zu Hause viele Schlüssel liegen und teilweise niemand mehr weiß, wofür sie sind.

Auch wenn es mühselig ist: Stellen Sie Ordnung her! Erstellen Sie mit folgender Vorlage eine Schlüsselliste und achten Sie besonders darauf, dass sie aktuell bleibt.

Zugangsdaten und Codes dokumentieren

Eine weitere ungeliebte Liste ist anzulegen: die Zugangsdaten und Codes, die insbesondere für die elektronischen Geräte, Server, Bankkonten, Softwareprogramme und Administrationstools festgelegt wurden. Ihr Eindruck ist vielleicht, dass ein gewisser Schlendrian Einzug gehalten hat. Dabei sind die Mahnungen wegen krimineller Aktionen – sowohl von außen, aber mehr noch von innen – immer nachdrücklicher.

Deshalb lohnt es sich in jedem Fall, alle Zugangsdaten und Codes sicher zu erfassen und zu dokumentieren. Das ist die Aufgabe einer Person Ihres Vertrauens. Eine erste Aufgabe ist festzuschreiben, wer Codes und Passwörter zu vergeben hat und wo sie notiert werden. Nutzen Sie dazu folgende Liste.

Beachten Sie dabei, dass diese Liste nicht elektronisch, sondern ausschließlich manuell zu führen ist. Oder Sie nutzen eine Software zur Verwaltung von Benutzerdaten und Passwörtern, die sicher und verschlüsselt ist.

Checkliste Notfall erstellen

Abschließend erstellen Sie eine Checkliste, um zu regeln, was bei Ausfall der Geschäftsführung zu tun ist. Diese Checkliste wird vorn in den Notfallordner eingefügt. Danach folgen Kopien der wichtigen Dokumente. Sie legen fest, dass der Notfallordner sowohl in einem Stahlschrank, als auch beim Rechtsanwalt Ihres Vertrauens hinterlegt wird. Und Sie benennen zwei Personen unabhängig voneinander, dass diese auf den Notfallordner sofort nach Ihrem Ausfall zugreifen und entsprechend aktiv werden. Nutzen Sie dafür die folgende Vorlage.

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