Ist eine Zeiterfassung rechtlich vorgeschrieben?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Deutschland stellt in seinem Urteil (1 ABR 22/21) vom 13.09.2022 fest, dass Arbeitgeber ein System einführen müssen, mit dem die geleistete Arbeitszeit der Mitarbeitenden erfasst werden kann.

Grundlage dafür ist die europarechtskonforme Auslegung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) und das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung aus dem Jahr 2019.

Wo findet man die Gesetze und Regeln zur Zeiterfassung?

Die offizielle Verordnung zur Arbeitszeiterfassung und generelle Regelungen zur Arbeitszeit finden Sie im Arbeitszeitgesetz (ArbZG).

Wichtige Vorschriften zum Umgang mit den erhobenen Daten zur Arbeitszeit lesen Sie im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) nach.

Ab wann ist die Zeiterfassung Pflicht?

Seit dem 02.12.2022 liegt die vollständige Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vor. Laut dem aktuellen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts ist keine Übergangsfrist vorgesehen.

Die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit besteht daher ab sofort für alle Arbeitgeber. Das gilt unabhängig von der Größe, Art oder Branchenzugehörigkeit des Unternehmens.

Ab sofort sind Arbeitgeber verpflichtet, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen. Mit diesem System kann mindestens erfasst werden:

  • Beginn der Arbeitszeit
  • Ende der Arbeitszeit
  • Dauer der Arbeitszeit
  • Überstunden

Warum ist die Arbeitszeiterfassung Pflicht?

Das deutsche Arbeitszeitgesetz (ArbZG) besagt bisher, dass Überstunden und Arbeitsstunden an Sonn- und Feiertagen dokumentiert werden müssen. Die Arbeitszeit muss bis jetzt außerdem aufgezeichnet werden, wenn

  • die Regelungen aus dem Mindestlohngesetz oder dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz angewandt werden,
  • sich aus einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung entsprechende Pflichten ergeben.

Bereits 2019 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Arbeitgeber die Messung der Arbeitszeit ermöglichen müssen. Wie genau das umgesetzt wird, sollte auf nationaler Ebene entschieden werden. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Entscheidung nicht in national geltende Gesetze umgewandelt.

Das Bundesarbeitsgericht beruft sich nun auf eine Norm aus dem Arbeitsschutzgesetz. Diese besagt, dass Arbeitgeber alle erforderlichen Mittel stellen müssen, um geltende Arbeitsschutzmaßnahmen einhalten zu können. Daraus ergibt sich laut BAG, dass ein System zur Arbeitszeiterfassung verpflichtend einzuführen ist.

Wer ist zur Arbeitszeiterfassung verpflichtet?

Unternehmen aller Branchen und Größen sind verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeitenden zu erfassen.

Arbeitgeber können die Pflicht zur Zeiterfassung an ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer delegieren. Generell sind nicht die Arbeitnehmer verantwortlich, entsprechende Schritte in die Wege zu leiten, sondern die Arbeitgeber.

Das bedeutet: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden nicht rechtlich belangt, wenn sie keine Arbeitszeit erfassen, sofern sie keine entsprechenden Anweisungen und die erforderlichen Mittel vom Unternehmen erhalten haben.

Widerspricht die Arbeitszeiterfassungspflicht dem Modell der Vertrauensarbeitszeit?

Vertrauensarbeit zeichnet sich durch einen Aspekt aus: Arbeitsdauer, Arbeitsbeginn und Arbeitsende der Mitarbeitenden werden nicht kontrolliert. Das widerspricht den aktuellen Urteilen und Regelungen zur Arbeitszeiterfassungspflicht.

Wie Unternehmen mit dieser Diskrepanz umgehen, wird sich in der Praxis zeigen.

Wie wird die Arbeitszeit erfasst?

Es steht Unternehmen frei, ob sie die Arbeitszeit digital erfassen oder klassische Stundenzettel verwenden. Die Zeiterfassung darf ausdrücklich elektronisch oder auf Papier erfolgen. Die Aufzeichnung via Excel kommt zum Beispiel infrage. Wichtig: Das System muss revisionssicher sein.

Eine Zeiterfassung muss laut EuGH außerdem

  • verlässlich,
  • objektiv und
  • leicht zugänglich sein.

Generell bietet es sich an, Mitarbeitenden eine möglichst simple Lösung anzubieten, um Zeit zu sparen und Mehraufwänden sowie Missverständnissen vorzubeugen.

Müssen alle Arbeitszeiten erfasst werden oder gibt es Ausnahmen?

Die Arbeitszeiten müssen unabhängig von der Tätigkeit und dem Arbeitsort erfasst werden. Es spielt keine Rolle, ob Arbeitnehmer im Innendienst, im Außendienst, vor Ort oder im Homeoffice arbeiten – ob dauerhaft oder vorübergehend.

Einige Experten schließen aus der aktuellen Urteilsbegründung, dass es für leitende Angestellte Ausnahmen im Hinblick auf die Zeiterfassung geben könnte. Eventuell sind diese weiterhin von der Arbeitszeiterfassungspflicht ausgeschlossen.

Praxis

Führen Sie die Arbeitszeiterfassung ein

Wenn Arbeitsbeginn, Arbeitsende und Arbeitsdauer in Ihrem Unternehmen bisher nicht erfasst wurden, sollten Sie jetzt ein geeignetes System einführen:

  1. Informieren Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die neue Arbeitszeiterfassungspflicht.
  2. Fordern Sie Ihre Angestellten dazu auf, die Arbeitszeit ab sofort zu dokumentieren.
  3. Stellen Sie ein geeignetes System zur Zeiterfassung zur Verfügung.
  4. Treffen Sie alle Vorbereitungen, damit die Dokumente schnell, einfach und sicher eingereicht sowie gespeichert werden können.

Mit der folgenden Vorlage erfassen Sie die Arbeitszeiten mit Excel. Ihre Mitarbeitenden tragen Beginn, Ende und Pausenzeiten sowie Bemerkungen ein. Für jeden Monat gibt es ein separates Tabellenblatt, in dem die Daten täglich erfasst und in einer Wochenübersicht angesehen werden können.

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